Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Streit kommt in den besten Familien vor
Die Familie – die Keimzelle des Glücks, die wichtigste Bezugsgruppe in unserem Leben. Aber auch: ein überstrapazierter Begriff, genauso im Sport. Dort wimmelt es, wie im richtigen Leben, nur so vor Ur-zellen des gesellschaftlichen Lebens. Die FC Bayern-familie, die Fca-familie, die Eishockey-familie, die Formel1-familie und so weiter und so fort. Jeder will sich das Etikett aufkleben, weil der Begriff positiv besetzt ist. Andererseits: Freunde kann man sich aussuchen, die Familie nicht. Und wenn die rotzfrechen Schratzen zu lange mit der buckligen Verwandtschaft aufeinanderhocken, kommt es in den besten Familien zum Krach.
Beim jüngsten Treffen zwecks Ermittlung der Weltmeister hängt der Haussegen in der Biathlongemeinschaft schief. Da reißt der Franzose Martin Fourcade beim Staffel-wechsel den Russen Alexander Loginow in der Loipe um. Böse Kommentare werden getwittert und Handschläge verweigert.
Die einen sprechen vom Kalten Krieg der Skijäger, die anderen mindestens von einem vergifteten Klima. Auf der einen Seite saubere Athleten, die 365 Tage im Jahr in einem Meldesystem ihren Aufenthaltsort angeben und unangemeldet Dopingtests absolvieren müssen. Dort russische Sportler, die offensichtlich in einem staatlich unterstützten System unerlaubte Mittel nehmen. Oder eine kasachische Mannschaft, die nach einem Trainingslager im Januar an einer Tankstelle in Osttirol einen größeren Karton entsorgt hat. Mit beträchtlichen Mengen an Einwegspritzen sowie handschriftlichen Aufzeichnungen, die auf einen Dopingvorgang hinweisen, wie die österreichische Polizei mitteilt. Ach, die Kasachen, haben halt knüppelhart trainiert. Wer bis zum Zusammenbruch rennt und schießt, braucht schon mal eine stärkende Infusion auf dem Hotelzimmer. Einen Tag vor Wm-beginn durchsuchen Beamte das Hotel der Kasachen. Bevor die ersten Medaillen vergeben werden, ist der Skandal perfekt. Die Familienmitglieder aus Frankreich und Deutschland finden das stümperhafte Vorgehen der Kasachen weniger lustig.
Trotzdem sind sich die Brüder und Schwestern uneinig. Laura Dahlmeier beschwört nach ihrem Wm-titel in der Staffel die Biathlon-familie. Arnd Peiffer will „nicht unbedingt“davon sprechen und Erik Lesser befindet, dass „der Slogan Biathlon-familie schon ein bisschen witzig ist“. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.