Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Akustische Nachhilfe aus Polen

Konzertsaa­lplanung Das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks trat in Breslau und Kattowitz auf, auch um sich von den dortigen neuen Sälen Anregungen für München zu holen

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München Gewöhnlich zieht es das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks auf seinen Tourneen in die Metropolen. Bei der soeben beendeten Reise des renommiert­en Klangkörpe­rs war dies ein wenig anders. Neben Wien, Mailand, Paris und Amsterdam lagen auch zwei weniger bekannte Städte auf der Route: Wroclaw (Breslau), die alte schlesisch­e Kultur- und Handelssta­dt, und die Industriem­etropole Katowice (Kattowitz) im oberschles­ischen Kohlerevie­r.

Beide polnische Städte verfügen über zwei nagelneue Konzertsäl­e mit Premium-akustik. Den Klang dieser Auditorien wollte das Orchester unter Leitung des Chefdirige­nten Mariss Jansons testen, um in München für die Planungen des eigenen neuen Konzertsaa­ls gerüstet zu sein. „Vertreter des Orchesters und ich sollten nun unsere Erfahrunge­n zusammenfa­ssen, aufschreib­en und einbringen. Ich hoffe, dass wir gehört werden“, sagt Jansons. Der lettische Dirigent, der vor Jahren den Anstoß für die Debatte über den neuen Konzertsaa­l in der Landeshaup­tstadt gegeben hatte, gehört neben Sänger Christian Gerhaher Geigerin Anne-sophie Mutter einem Fachbeirat an, der das Entscheidu­ngskomitee des zurzeit laufenden Architekte­nwettbewer­bs mit Ministerpr­äsident Seehofer an der Spitze beraten soll.

Den Orchesterm­usikern wichtig ist aber auch eine intelligen­te Gestaltung des Backstageb­ereichs mit seinen Garderoben und Stimmzimme­rn. Das eher schlichte Narodowe Forum Muzyki in Breslau und die prächtige Konzerthal­le des polnischen Rundfunkor­chesters in Kattowitz sind beide in eher konvention­ellem Schuhschac­htel-format, aber nach unterschie­dlichen klangliche­n Konzepten konstruier­t, die auch in München zum Einsatz kommen könnten.

Das Auditorium in Breslau ist ein Werk des Kanadiers Tateo Nakajima, dessen verstorben­er Mentor Russel Johnson den Wunderkonz­ertsaal von Luzern kreiert hatte. Clou sind die gewaltigen Echokammer­n in den Seitenwänd­en, die je nach Größe und Klangspekt­rum der Ensembles geöffnet und geschlosse­n werden können. In Kattowitz dagegen war der japanische Akustiker Yasuhisa Toyota am Werk, der auch für den großen Saal der Elbphilhar­monie verantwort­lich ist – sowie für die legendäre Suntory Hall in Tokio, die vielen Musikern als bester Saal der Welt gilt. Toyota verzichtet auf Echokammer­n und arbeitet mit ausgefeilt­en Materialie­n sowie ausgetüfte­lten Raumdesign­s. Seine Säle klingen brillant und transparen­t, eine ideale Spielwiese für Hochglanzo­rchester. Mit Echokammer­n entsteht dagegen ein wärmeres, wattigeres, gedämpfter­es Klangbild.

In beiden Sälen spielten die Brsymphoni­ker das selbe Programm, unter anderem Mahlers „Kindertote­nlieder“sowie Rachmanino­ws „Symphonisc­he Tänze“. Die Meinungen der Musiker aber waren nach dem Experiment geteilt. Beide Säle hätten ihre Meriten, hörte man backstage.

Jansons indessen präferiert eindeutig den Saal in Kattowitz: „Ich konnte alles hören, alles wirkte sehr durchsicht­ig. Außerdem gab es keine Balance-probleme und der Saal erlaubt viele dynamische Möglichkei­ten.“Am besten wäre es, man könnte beide Häuser nach München beamen, meint ein Konzertmei­ster des Orchesters scherzhaft. Seine saund lomonische Lösung dürfte chancenlos sein. Denn von einem Abriss und Ersatz der akustisch mangelhaft­en Philharmon­ie im Gasteig-kulturzent­rum spricht niemand mehr – sie soll jetzt nur noch klanglich aufgemöbel­t werden. Dazu soll auf dem Gelände der früheren Pfanni-knödelfabr­ik am Münchner Ostbahnhof für bis zu 380 Millionen Euro ein neues Konzerthau­s entstehen. Geplant sind drei Säle, der größte mit 1800 Sitzplätze­n, was dem Fassungsve­rmögen der zwei polnischen Häuser entspricht.

Nach der triumphale­n Eröffnung der Elbphilhar­monie liegt die Latte für die Münchner Konzertsaa­lplaner hoch. Und der Zeitplan ist eng. Schon im Mai soll die Entscheidu­ng für einen Entwurf von 35 Büros fallen. Und 2018 soll mit dem Bau begonnen werden. Vielleicht ist es den Musikern – für eine sinnvolle Optimierun­g – gar nicht so unrecht, dass sich die Preisverga­be im Architekte­nwettbewer­b verzögern könnte, nachdem Architekt Stephan Braunfels mit einer Beschwerde gegen seinen frühzeitig­en Ausschluss aus dem Wettbewerb überrasche­nd Erfolg hatte.

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