Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Koch, Hobbyfilmer und jetzt auch Weltmeister
Biathlon Benedikt Doll hängt alle Favoriten ab und feiert im Sprint den ersten Einzelsieg. Mit dem Kochlöffel und der Videokamera kann so gut umgehen wie mit seinem Gewehr. Die Mutter flüchtet in den Keller
Hochfilzen Benedikt Doll hatte nun wirklich niemand auf der Rechnung. Der 26-Jährige lief und schoss in dieser Biathlon-saison immer ordentlich und holte bei der Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Oslo mit der deutschen Mannschaft die Silbermedaille in der Staffel. Aber ein Einzelsieg im Weltcup oder gar bei einer WM war dem Schwarzwälder bis zum Samstag nicht vergönnt. Doch zwei Tage vor dem Sprint änderte er seine Taktik. Er wollte nicht wieder nur alles geben und dann schauen, was herauskommt: „Ich habe mir zum Ziel genommen es anders anzugehen und habe mir gesagt: Du gewinnst heute.“
Auch im Stehend-schießen, sonst sein Schwachpunkt, trumpfte der 26-Jährige am Samstag auf und legte mit null Fehlern im Schießstand die Basis für seinen Wm-triumph. Nach seinem perfekten Lauf musste Doll im Zielraum jedoch lange zittern bis der ebenfalls fehlerfrei schießende Johannes Thingnes Bö sein Rennen beendet hatte. Denn der Norweger war in der Zwischenzeit nach dem letzten Schießen vor dem Deutschen gelegen. „Ich dachte nicht, dass der Johannes das noch hergibt“, bekannte der Sieger später.
Aber der Norweger hatte seine Kräfte falsch eingeteilt und den Schlussanstieg zum Ziel unterschätzt. Bö fehlte ein Wimpernschlag zum Sieg, den Doll mit einem Jubelschrei feierte. Der Schwarzwälder reckte die Faust in den blauen Himmel, auf den Tribünen tröteten und johlten die zahlreichen deutschen Fans unter den 10000 Zuschauern im Stadion von Hochfilzen.
Am Tag darauf im Verfolgungsrennen ließen die Favoriten keinen Außenseitersieg mehr zu. Martin Fourcade holte sich im fünften von sechs Verfolgungsrennen der Saison den Titel. Silber und Bronze gingen an die Norweger Johannes Thingnes Bö und Ole Einar Björndalen. Der 43-jährige Altmeister holte sich 20 Jahre nach seiner ersten Wm-medaille wieder Edelmetall und insgesamt seine 45. Wm-medaille. Am Vormittag hatte sein Frau Darja Domratschewa Silber in der Frauenverfolgung gewonnen.
Als bester Deutscher lief Simon auf den zehnten Platz. Sprint-weltmeister Doll kam als Elfter ins Ziel und nahm es sportlich: „Das war halb so schlimm. Das größte Problem war heute das Liegend-schießen.“Den Triumph vom Samstag konnte Benedikt Doll jedoch niemand nehmen. Einen Tag lang stand nicht der sonst alles überragende Fourcade oder die anderen Deutschen im Vordergrund.
Benedikt Doll kommt aus einer sportlichen Familie, wobei die Mutter nicht so starke Nerven besitzt wie der Sohn. „Wenn ich an den Schießstand komme, dann verschwindet sie Zuhause in den Keller. Das kann sie nicht ansehen“, erzähl- der ehemalige Sportsoldat aus Hinterzarten, der jetzt Marketing studiert. Dem Wintersport ist die Familie seit Genarationen verbunden wie Benedikt Doll mit Stolz erzählt. „Mein Urgroßvater Professor Kohlhepp zählt zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Ski Verbandes.“In der Biathlon-mannschaft gilt er als kreativer Kopf. Als Koch demonstrierte er bereits sein Können und bereitete für einen Tvbeitrag versiert Putenschnitzel im Brokkoli-teig zu. Als Hobbyfilmer hält der Schwarzwälder das Innenleben der deutschen Biathlon-mannschaft auf Video fest und schneidet daraus Beiträge für den gemeinsaschempp men Fernsehabend. Bisher standen meist Simon Schempp, Arnd Peiffer oder Erik Lesser im Mittelpunkt. Am Samstag fiel die Hauptrolle Benedikt Doll zu. Zum Feiern blieb allerdings nur wenig Zeit. Nach dem Triumph im Stadion mit der Blumen-zeremonie folgte der Interview-marathon bei den Fernsehstationen, den Radiosendern und schließlich bei den Presseleuten.
Das obligatorische Auslaufen fand unter den strengen Augen eines Dopingkontrolleurs statt, denn vor der Abgabe der Proben dürfen die Athleten nicht eine Sekunde lang aus den Augen gelassen werden. Zwischendurch verdrückte Doll noch ein wete nig Salat und weiter ging es ins Dorfzentrum von Hochfilzen, wo die Medaillen auf einer großen Showbühne überreicht werden. Bei seiner ersten großen Siegerehrung stand Doll ganz bewusst stramm, die Hände an der Hosennaht. „Ich bin Soldat. Deshalb bin ich in Grundstellung gegangen.“Danach folgte das Abendessen im Mannschaftshotel Unterlechner in St. Jakob in Haus und schließlich sank der frisch gekürte Weltmeister mit vielen Eindrücken in die Kissen: „Darauf habe ich 17 Jahre hingearbeitet. Es ist ein Moment, wo ich mich noch lange dran erinnern werde. Einfach ein geiler Tag.“ WELTMEISTERSCHAFT
(10 km) 1. (Breitnau) 23:27,4 Min./0 Schießf.; 2. Thingnes Bö (Norwegen) + 0,7/0; 3. Fourcade (Frankreich) + 23,1/2; 4. Bailey (USA) + 29,5/0; 5. Moravec (Tschechien) + 30,7/1; 6. Anew (Bul garien) + 33,5/0; 7. Eberhard (Österreich) + 35,3/2; 8. Björndalen (Norwegen) + 38,4/1; 9. Schempp (Uhingen) + 40,0/1; 10. Garanitschew (Russland) + 45,1/1; ... 12. (Clausthal Zellerfeld) + 48,2/2; 37. (Frankenhain) + 1:35,5/3
(12,5 km) 1. Fourcade (Frankreich) 30:16,9 Min./1 Schießf.; 2. Thingnes Bö (Norwegen) + 22,8/3; 3. Björnda len (Norwegen) + 25,6/1; 4. Schipulin (Russland) + 33,6/1; 5. Moravec (Tschechien) + 34,0/2; 6. Bailey (USA) + 34,7/1; 7. Anew (Bulgarien) + 38,3/1; 8. Eberhard (Österreich) + 48,1/3; 9. Tar jei Bö (Norwegen) + 52,3/2; 10. (Uhin gen) + 52,4/3; 11. (Breitnau) + 1:05,1/3; ... 19. (Clausthal Zellerfeld) + 1:46,4/4; 28.
(Frankenhain) + 2:21,0/4
1. Fourcade (Frankreich) 932 Pkt.; 2. Schipulin (Russland) 611; 3. (Uhingen) 585; 4. Thingnes Bö (Norwegen) 533; 5. (Clausthal Zellerfeld) 512 6. Björndalen (Norwegen) 508; 7. Eberhard (Österreich) 464
(10 km) 1. (Garmisch Partenkirchen) 28:02,3 Min./1 Schießf.; 2. Domratschewa (Weißrussland) + 11,6/0; 3. Koukalova (Tschechien) + 16,6/3; 4. Starych (Russland) + 35,9/0; 5. Braisaz (Frank reich) + 36,1/1; 6. Habert (Frankreich) + 36,3/3; 7. Mäkäräinen (Finnland) + 37,2/1; 8. Merkuschi na (Ukraine) + 48,5/0; 9. Aymonier (Frankreich) + 57,7/2; 10. Wierer (Italien) + 1:02,9/3; ... 20.
(München) + 1:39,9/4; 28. (Clausthal Zellerfeld) + 1:59,5/4; 32. (Willingen) + 2:07,1/1; 40. (Winterberg) + 2:44,3/4
1. 783 Pkt.; 2. Koukalova 760; 3. Mäkäräinen 702; 4. Dorin Ha bert (Frankreich) 674; 5. Wierer (Italien) 517; 6. Chevalier (Frankreich) 471
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