Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Als es noch Musterungs­bescheide gab

Premiere Das Theater Augsburg bringt Bov Bjergs Roman „Auerhaus“auf die Bühne. Darin nehmen vier junge Menschen das Publikum mit auf eine Zeitreise in die 1980er Jahre

- VON RICHARD MAYR

Vera trägt eine Lederjacke mit Schulterpo­lstern, Höppner lässt seine Post vom Kreiswehre­rsatzamt (die Musterung) einfach liegen, Frieder stimmt immer wieder das Gebet vor dem Essen an: „Der Hunger treibt’s rein … der Geiz behält’s drin! Amen.“Die drei leben in den 1980er Jahren in der westdeutsc­hen Provinz allein in einem Haus. Frieders Eltern haben die Unterkunft gestiftet, damit die beiden anderen auf ihren Sohn achten. Dieser war gerade wegen eines Selbstmord­versuchs in der Psychiatri­e.

Das Theater Augsburg hat Bov Bjergs Roman „Auerhaus“im Hoffmannke­ller auf die Bühne gebracht. Die Zeitreise wird schon vor Vorstellun­gsbeginn mit Musik eingeläute­t: mit Songs von Soft Cell, Dire Straits und Queen. Regisseuri­n Bibiana Picado Mendes und Dramaturgi­n Kathrin Mergel haben eine schlüssige, anderthalb­stündige Büh- erarbeitet, wobei sie die Darsteller Kerstin König (Vera), David Dumas (Höppner), Thomas Prazak (Frieder) und Sebastian Arranz (Harry) durchweg ihre Rollen spielen und nie das Buch nacherzähl­en lassen.

Schauplatz ist das Auerhaus. Im Hintergrun­d läuft manchmal das Radio, oder die Wg-band greift selbst zu Mikrofon, Gitarre, Melodica und Schlagzeug. Getrunken wird Imiglykos, gegessen wird, was gerade geklaut werden konnte.

Es fühlt sich im Hoffmannke­ller tatsächlic­h wie eine Zeitreise an, als die Heranwachs­enden noch Musterungs­bescheide bekamen und sich zwischen Bund, Berlin und dem Verweigern entscheide­n mussten, als die Raf-terroriste­n auf Plakaten gesucht waren und ein homosexuel­les Outing ein Skandal auf dem Land war (wobei sich in diesem Punkt vielleicht gar nicht so viel geändert hat).

Das Ensemble spielt mit dem ge- botenen Humor und großer Leidenscha­ft. Nachdem sich anfangs alles wie ein großer Spaß anfühlt, werden auch die Misstöne des Lebens angestimmt. Bei den 90 kurzweilig­en Minuten hat das Theater vor allem ein jugendlich­es Publikum im Vinenfassu­ng sier. Diejenigen, die sich an ihre Jugend in den 80ern erinnern möchten, kommen auch auf ihre Kosten.

Karten gibt es noch für die Vorstellun gen am 20. Februar, Restkarten für die Vorstellun­g am 15. März

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Foto: Nik Schölzel Alle sind hungrig im Auerhaus: (von links) Höppner (David Dumas), Frieder (Thomas Prazak), Vera (Kerstin König) und Harry (Sebastian Arranz).

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