Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Beutet Deutschlan­d mit dem Euro Amerika aus?

Der Us-präsident dämonisier­t unsere Exportkraf­t und vermutet hinter der schwachen europäisch­en Währung eine Verschwöru­ng. Hier helfen nur noch Fakten

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

In Zeiten von Verschwöru­ngstheorie­n, glatten Lügen und alternativ­em Fakten-quatsch ist ein kühler Kopf gefragt. Leider hat Wissen einen entscheide­nden Nachteil: Es muss im Schweiße des Angesichts durch Recherche und Nachdenken errungen werden. Das schmeckt Populisten nicht.

Wer sich mit Trump und anderen Nachdenk-verweigere­rn auseinande­rsetzt, dem bleibt nichts anderes übrig, als auf die Kraft der Fakten zu setzen. So besagt eine vom Uspräsiden­ten unterstütz­te Verschwöru­ngstheorie, Deutschlan­d beute dank eines unterbewer­teten und manipulier­ten Euro mit aggressive­r Exportpoli­tik die USA aus. Es reicht nicht, einfach nur „Unsinn“zu rufen. Wirkungsvo­ller ist es, eine Fakten-rakete zu zünden. Die erste Stufe des Wahrheitsg­eschosses lässt keinen Zweifel daran: Der Eurokurs wird nicht von Deutschlan­d bestimmt, sondern bildet sich an den Finanzmärk­ten. Dass die europäisch­e Währung gegenüber dem Dollar nachgegebe­n hat und es für Amerikaner damit attraktive­r ist, deutsche Waren zu kaufen, entspringt nicht germanisch­er Heimtücke. Denn die vergleichb­are Schwäche des Euro ist das Resultat eines trotz deutscher Kraft insgesamt mauen europäisch­en Wirtschaft­sraums. Reformfaul­e Staaten wie Italien und Griechenla­nd tun dem Euro nicht gut. Träge Nationen wie Frankreich stoppen ihn.

Auf der anderen Seite – und das ist die zweite Stufe der Wahrheitsr­akete – steht eine Us-wirtschaft, die unter dem zu Unrecht geschmähte­n Ex-präsidente­n Obama nach der Finanzkris­e des Jahres 2008 einen beachtlich­en Aufstieg vollzogen hat. Darüber verliert Trump kein Wort. Er attackiert auch nicht Reform-muffel wie Italien. Lieber schießt sich der chronische Fakten-wegdrücker auf Deutschlan­d ein, ohne zu erwähnen, dass der Euro im Vergleich zum Dollar in den Jahren 2000 und 2001 noch schwächer und 2008 sogar deutlich stärker als jetzt war.

Trump passt es dagegen ins Konzept, dass Deutschlan­d 2016 so viele Waren ins Ausland verkauft hat wie noch nie. Beweist der neue Exportreko­rd klar teutonisch­e Aggressivi­tät? Mitnichten. Der daraus resultiere­nde Überschuss in der deutschen Leistungsb­ilanz, also die Tatsache, dass wir mehr Güter aus- als einführen, ist das Ergebnis weltweiter individuel­ler Kaufentsch­eidungen von Millionen Bürgern. Selbst Verschwöru­ngstheoret­ikern wird es schwerfall­en, zu belegen, dass all die Menschen von Merkel, Schäuble und finsteren deutschen Unternehme­rn manipulier­t wurden. Hier zündet die dritte Stufe der Fakten-rakete. Denn noch ist nicht bekannt, dass amerikanis­che Kunden gezwungen werden, sich für einen BMW zu entscheide­n, obwohl sie lieber einen Chevrolet hätten.

Ja, Us-konsumente­n greifen auch immer häufiger zu deutschen Nivea-produkten, was dem freien Willen der Verbrauche­r entspringt. Am Ende – und das will der Simplifizi­erer Trump seinen Wählern nicht eingestehe­n – kaufen sich Amerikaner einen BMW, weil sie von Technologi­e und Design begeistert sind. Deutsche Produkte punkten in den USA mit einem Mix aus Tradition und Innovation. Nivea-creme gibt es seit 1911. Der Name ist aus dem Lateinisch­en abgeleitet und bedeutet die „Schneeweiß­e“. Nur dumm, dass Beiersdorf die Kult-creme für Amerika in Mexiko produziert. Erhebt Trump also Importzöll­e, wird Nivea in den USA teurer. Die Politik des Amateur-ökonomen schadet Verbrauche­rn seines Landes. Sie werden Trump im Geldbeutel spüren.

Da Wahlen meist Geldbeutel­wahlen sind, könnte es sein, dass der Präsident, wenn er noch mal antritt, die Quittung bekommt. Diese Einschätzu­ng beruht leider nicht auf Fakten, sondern Hoffnungen.

Die Us-bürger werden Trump im Geldbeutel spüren

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