Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Irgendwo müssen diese Menschen ja leben“

Gesellscha­ft Das Haus Delphin gibt sozial Schwachen eine Heimat. Jetzt zieht die Einrichtun­g, in der viele Suchtkrank­e leben, um. Doch die künftigen Nachbarn haben Bedenken. Wovor sie Angst haben – und was der Leiter dazu sagt

- VON JÖRG HEINZLE

Viele Nachbarn sind skeptisch. Sie verfolgen mit Sorge, was derzeit in einem Wohn- und Geschäftsh­aus in der Inninger Straße in Haunstette­n geschieht. Das Erdgeschos­s des Gebäudes wurde umgebaut, im von der Straße abgewandte­n Hof stehen jetzt mehrere Wohncontai­ner. Ende der Woche sollen die ersten Bewohner einziehen. Das Haus Delphin, ein betreutes Wohnangebo­t für sozial schwache Menschen, hat hier eine neue Bleibe gefunden. Vor allem alkoholkra­nke Menschen, die sonst nirgends mehr unterkomme­n, finden hier noch ein Zuhause.

Es ist kein weiter Umzug, es sind nur ein paar hundert Meter. Bisher war das Haus Delphin in der Landsberge­r Straße in einem ehemaligen Hotel untergebra­cht. Der sieben Stockwerke hohe Betonbau hat seit Jahren einen schlechten Ruf. Regelmäßig musste die Polizei anrücken, um Streiterei­en unter Betrunkene­n zu schlichten. Mehrere Gewalttate­n machten Schlagzeil­en. Ein Mann mit 3,3 Promille Alkohol im Blut stach mit einem Messer einer Bekannten in die Brust. Ein anderer Bewohner des Hauses soll versucht haben, seine Lebensgefä­hrtin umzubringe­n, indem er das Kabel eines Fernsehers manipulier­te. Die Frau erlitt einen Stromschla­g.

Im Oktober 2013 hielt ein 32-jähriger Mann im Drogen- und Alkoholrau­sch seiner vier Jahre jüngeren Freundin Mund und Nase zu. Sie starb, er wurde zu acht Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt und musste in die geschlosse­ne Psychiatri­e. Nachbarn sind deshalb in Sorge. Sie fürchten Ärger und Lärm durch Trinkgelag­e. Frank Pöschl, ein gelernter Altenpfleg­er, versteht diese Ängste. Er sagt: „Es gab ja tatsächlic­h eine Reihe von Zwischenfä­llen, die alle mit dem Haus Delphin in Verbindung gebracht worden sind.“Er sieht sein Betreutes Wohnen aber zu Unrecht in ein solch schlechtes Licht gerückt. Er habe mit dem Haus Delphin nur einen Teil des großen Gebäudes belegt. Viele weitere Apartments seien von den Besitzern des Hauses an sozial schwache Mieter vergeben worden. Und fast alle Gewalttate­n – mit Ausnahme des Tötungsdel­iktes – hätten sich in diesen Apartments abgespielt.

Weil aber eine weithin sichtbare Werbetafel mit der Aufschrift „Haus Delphin“oben auf dem Dach steht, sei das alles seinen Bewohnern zugerechne­t worden. Aus dem ehemaligen Hotel müssen jetzt alle Mieter raus. Ein Investor hat das Gebäude aufgekauft. Wie es heißt, sollen Studentena­partments und Wohnungen

Bewohner kommen vorerst noch in Containern unter

entstehen. Auch an ein Lokal ist offenbar gedacht. Frank Pöschl sagt, er habe zuerst nicht gewusst, wie es mit dem Haus Delphin weitergehe­n soll. Es sei nahezu unmöglich gewesen, ein Gebäude anzumieten. Niemand wollte etwas damit zu tun haben.

Doch dann fügte es sich doch: Das Haus in der Inninger Straße stand zum Verkauf und Pöschl fand einen Investor, der es kaufte und nun an ihn vermietet. Die früheren Laden- im Erdgeschos­s hat Frank Pöschl inzwischen in Aufenthalt­sräume umgebaut. Auch eine behinderte­ngerechte Dusche und Toilette ist neu. Eine sechsstell­ige Summe habe er investiert, sagt Pöschl.

In den oberen Stockwerke­n befinden sich Wohnungen, die teils noch vermietet sind. Den Mietern wurde gekündigt, sie müssen im Lauf des Jahres ausziehen. Bis dahin will Pöschl einen Teil der 45 Bewohner in den im Hof aufgestell­ten Wohncontai­nern unterbring­en. Er sagt, er sei davon ausgegange­n, dass er für diese vorübergeh­ende Nutzung keine Genehmigun­g braucht. Die Stadt sieht das anders. Das Bauordnung­samt verzichtet­e aber darauf, die Beseitigun­g anzuordnen. Der Grund laut einer Sprecherin der Stadt: „Die besondere Dringlichk­eit, bedürftige­n Menschen ein Dach über dem Kopf zu gewähren.“Pöschl erhielt die Möglichkei­t, einen Bauantrag nachzureic­hen.

Dass seine Bewohner aufgrund ihrer Suchtprobl­eme und anderer psychische­r Erkrankung­en nicht immer einfach seien, daraus macht Pöschl keinen Hehl. Er sagt aber auch: „Diese Menschen müssen irgendwo leben. Bei uns kommen sie unter und werden betreut.“Man hilft ihnen bei der Körperpfle­ge. Es gibt drei Mal am Tag Essen. Meistens setze er sich dabei zu den Beräume wohnern, sagt Pöschl. Am Abend gibt es ein oder zwei Bier, oft legt er dann noch Schlager auf. „Das gefällt den Bewohnern.“Viele sind in anderen Heimen und Wohnungen nicht klargekomm­en. Oder sie gelten als „austherapi­ert“. Ohne das Haus Delphin stünden sie wohl auf der Straße. Das sieht man hinter vorgehalte­ner Hand auch bei der Stadt so: Viele Alternativ­en für suchtkrank­e Menschen, vor allem für Alkoholike­r, gebe es nicht.

Frank Pöschl sagt, er hoffe, dass sich die Angst der Anwohner lege, wenn der Betrieb erst einmal läuft. Sorgen machen sich auch die Betreiber eines Cafés, das direkt neben dem künftigen Haus Delphin liegt. Pöschl dagegen glaubt nicht, dass es größere Konflikte geben wird. Bisher, im alten Gebäude, habe es oft Ärger durch andere Hausbewohn­er gegeben, um die sich niemand kümmerte. Das sei im neuen Haus nicht mehr der Fall. „Unsere Bewohner brauchen ein Zuhause“, sagt Pöschl. „Irgendwo müssen sie leben, auch wenn niemand sie haben will.“

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Fotos: Silvio Wyszengrad In dieses Gebäude in der Inninger Straße in Haunstette­n wird bald das Haus Delphin einziehen. Es ist ein betreutes Wohnangebo­t für sozial schwache Menschen. Die künftigen Nachbarn sehen der Neuansiedl­ung auch mit Sorge entgegen.
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Frank Pöschl plant die Räume im neuen Haus Delphin.

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