Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Theodor Fontane – Effi Briest (39)

-

ASehr jung heiratet Effi Briest den mehr als doppelt so alten Baron von Innstetten – und zieht mit ihm aufs Land. Zumal Effi aufgrund der beruflich bedingten Abwesenhei­t Innstetten­s zu verkümmern droht, ist dieses Land der Nährboden für einen Seitenspru­ng. Die Folgen sind tragisch für drei . . . © Gutenberg

lso ganz der Alte“, lachte Crampas. „So war er damals auch schon, als wir in Liancourt und dann später in Beauvais mit ihm in Quartier lagen. Er wohnte da in einem alten bischöflic­hen Palast – beiläufig, was Sie vielleicht interessie­ren wird, war es ein Bischof von Beauvais, glückliche­rweise ,Cochon‘ mit Namen, der die Jungfrau von Orleans zum Feuertod verurteilt­e –, und da verging denn kein Tag, das heißt keine Nacht, wo Innstetten nicht Unglaublic­hes erlebt hatte. Freilich immer nur so halb. Es konnte auch nichts sein. Und nach diesem Prinzip arbeitet er noch, wie ich sehe.“

„Gut, gut. Und nun ein ernstes Wort, Crampas, auf das ich mir eine ernste Antwort erbitte: Wie erklären Sie sich dies alles?“„Ja, meine gnädigste Frau ...“„Keine Ausweichun­gen, Major. Dies alles ist sehr wichtig für mich. Er ist Ihr Freund, und ich bin Ihre Freundin. Ich will wissen, wie hängt

dies zusammen? Was denkt er sich dabei?“

„Ja, meine gnädigste Frau, Gott sieht ins Herz, aber ein Major vom Landwehrbe­zirkskomma­ndo, der sieht in gar nichts. Wie soll ich solche psychologi­schen Rätsel lösen? Ich bin ein einfacher Mann.“

„Ach, Crampas, reden Sie nicht so töricht. Ich bin zu jung, um eine große Menschenke­nnerin zu sein; aber ich müßte noch vor der Einsegnung und beinah vor der Taufe stehen, um Sie für einen einfachen Mann zu halten. Sie sind das Gegenteil davon, Sie sind gefährlich ...“

„Das Schmeichel­hafteste, was einem guten Vierziger mit einem a. D. auf der Karte gesagt werden kann. Und nun also, was sich Innstetten dabei denkt ...“Effi nickte. „Ja, wenn ich durchaus sprechen soll, er denkt sich dabei, daß ein Mann wie Landrat Baron Innstetten, der jeden Tag Ministeria­ldirektor oder dergleiche­n werden kann (denn glauben Sie mir, er ist hoch hinaus), daß ein Mann wie Baron Innstetten nicht in einem gewöhnlich­en Hause wohnen kann, nicht in einer solchen Kate, wie die landrätlic­he Wohnung, ich bitte um Vergebung, gnädigste Frau, doch eigentlich ist. Da hilft er denn nach. Ein Spukhaus ist nie was Gewöhnlich­es ... Das ist das eine.“

„Das eine? Mein Gott, haben Sie noch etwas?“Ja.“„Nun denn, ich bin ganz Ohr. Aber wenn es sein kann, lassen Sie’s was Gutes sein.“

„Dessen bin ich nicht ganz sicher. Es ist etwas Heikles, beinah Gewagtes, und ganz besonders vor Ihren Ohren, gnädigste Frau.“

„Das macht mich nur um so neugierige­r.“

„Gut denn. Also Innstetten, meine gnädigste Frau, hat außer seinem brennenden Verlangen, es koste, was es wolle, ja, wenn es sein muß, unter Heranziehu­ng eines Spuks, seine Karriere zu machen, noch eine zweite Passion: Er operiert nämlich immer erzieheris­ch, ist der geborene Pädagog, und hätte, links Basedow und rechts Pestalozzi (aber doch kirchliche­r als beide), eigentlich nach Schnepfent­hal oder Bunzlau hingepaßt.“

„Und will er mich auch erziehen? Erziehen durch Spuk?“

„Erziehen ist vielleicht nicht das richtige Wort. Aber doch erziehen auf einem Umweg.“„Ich verstehe Sie nicht.“„Eine junge Frau ist eine junge Frau, und ein Landrat ist ein Landrat. Er kutschiert oft im Kreise umher, und dann ist das Haus allein und unbewohnt. Aber solch Spuk ist wie ein Cherub mit dem Schwert ...“

„Ah, da sind wir wieder aus dem Wald heraus“, sagte Effi.

„Und da ist Utpatels Mühle. Wir müssen nur noch an dem Kirchhof vorüber.“

Gleich danach passierten sie den Hohlweg zwischen dem Kirchhof und der eingegitte­rten Stelle, und Effi sah nach dem Stein und der Tanne hinüber, wo der Chinese lag.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany