Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Schmetterlinge kämpfen ums Überleben
Tierwelt Im Botanischen Garten sind ab Samstag prächtige tropische Falter zu sehen. In ihrer Heimat sind manche vom Aussterben bedroht. Und was ist mit den heimischen Arten? Auch in Augsburg gibt es Grund zur Sorge
Nehmen wir den Monarchfalter. Der prächtige Schmetterling sorgt in Amerika an manchen Tagen für ein einzigartiges Naturschauspiel. Riesige Schwärme der orangeroten Falter sammeln sich im Norden des Kontinents am Himmel, um dann eine Strecke von 4000 Kilometern bis nach Mexiko zu fliegen. Dort überwintern die Monarchfalter in Bergwäldern. Aber selbst für diese häufig vorkommende Art wird das Überleben immer schwieriger. Ihr natürlicher Lebenraum wird von der Holzindustrie bedroht.
Der Monarchfalter ist eine von rund 50 tropischen Schmetterlingsarten, die in den kommenden Wochen in Augsburg sehen sind. Die Schau „Faszination tropischer Schmetterlinge“im Botanischen Garten startet am Samstag, 18. Februar, im großen verglasten Tropenhaus. Die Pflanzenwelt unter Glas in Augsburg ist ein wahres Paradies für die Falter. Bei Temperaturen um 25 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit schlüpfen sie aus ihren Puppen, schwirren durch die Luft oder lassen sich an ihren Futterstellen von Besuchern gut beobachten. Feinde, die gefährlich werden könnten, gibt es im Glashaus nicht.
Die tropischen Schmetterlinge stammen alle aus Zuchtfarmen, wie die städtische Pressestelle betont. Sie wurden in ihren Heimatländern nicht der Natur entnommen. Denn dort kämpfen viele der prächtigen Falter längst ums Überleben. Monarchfalter beispielsweise brauchen in den Bergwäldern Mexikos nicht nur besonders hohe Bäume. „Sie fliegen auch nur ganz bestimmte Bäume an“, sagt der Augsburger Schmetterlingsexperte Ernst Jung. Im Oktober treffen in Mexiko stets die Urenkel derer ein, die im Vor- jahr von dort aufgebrochen sind. Die Route muss auf rätselhafte Weise im Erbgut der Falter verankert sein.
Jung machte sich 2008 selber auf den Weg nach Amerika, um die spektakuläre Reise der Monarchfalter zu begleiten. Die orangefarbenen Schwärme waren allerdings nur noch ein schwacher Abklatsch dessen, was die Forscher in den 1970erjahren vorfanden, als sie die Überwinterungsplätze in Mexiko entdeckten. Jedes Jahr sinkt die Zahl der Schmetterlinge, die den Weg dorthin finden, weiter. Erst machte mexikanische Holzindustrie den Faltern das Leben schwer. Dann vernichteten Farmer in den USA die Futterpflanzen des Schmetterlings. Sie gelten auf Feldern als Unkraut.
Fachleute haben längst Alarm geschlagen. Weltweit schreitet das Artensterben dramatisch fort. Auch Schmetterlinge sind davon betroffen. Und selbst hierzulande ist die Entwicklung für Fachleute besorgniserregend. Naturforscher Eberhard Pfeuffer hat aktuelle Zahlen für Augsburg zusammengetragen.
Von 176 Tagfalterarten in Bayern kommen danach immerhin noch 157 in Augsburg vor. „Bayerischschwaben ist durchaus noch ein Zentrum für biologische Vielfalt“, sagt Pfeuffer. Was ihm Sorgen macht, ist die Tatsache, dass inzwischen über die Hälfte der Augsburger Tagfalterarten als gefährdet auf der Roten Liste stehen.
Die Dokumentation der Arten ist in der Region Augsburg besonders gut und umfangreich. Sie reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Die Unterlagen zeigen, dass von den typischen schwäbischen Schmetterlingsarten bereits zehn ausgestorben sind. Weitere fünf stehen unmittelbar vor dem Verschwinden. Alarmiert ist Pfeuffer aber auch deshalb, weil früher häufige Schmetterlingsarten in relativ kurzer Zeit im Bestand stark abgenommen haben. Ein Beispiel ist das Rotbraune Wiesenvöglein. Das ist ein Schmetterling, der mageres Grünland braucht, aber sonst keine großen Ansprüche an seinen Lebensraum stellt. Das Rotbraune Wiesenvöglein ist in weniger als 20 Jahren von einer sehr häufigen Art zu einer stark bedrohten Spezies zusammengeschrumpft. „Das spiegelt den Zustand unserer Natur wider“, sagt Pfeuffer. Die intensive Landdie wirtschaft raube dem Schmetterling die natürlichen Lebensgrundlagen.
Naturschutzgebiete sind oft die letzten Refugien, in denen sich bedrohte Schmetterlinge halten können. Die Stadt Augsburg hat vergleichsweise große geschützte Flächen, etwa den Stadtwald. Fachleute des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben sehen aber inzwischen ein weiteres Problem: Selbst in den Schutzgebieten nimmt die Anzahl der Arten ab.
Ausgestorben ist im Stadtwald beispielsweise der Segelfalter. Seine Raupen brauchen Schlehenbüsche, die auf kiesigem Grund wachsen. Mit der Kanalisierung des Lechs sind viele Sandbänke verschwunden, auf denen Schlehen wuchsen. Das wurde dem Falter zum Verhängnis. Ausgestorben ist im Stadtwald auch der Goldene Scheckenfalter. Er braucht feuchte Moorwiesen, die ebenfalls immer seltener werden. Sogar der Mauerfuchs, der noch gar nicht auf der Roten Liste bedrohter Arten steht, sei im Augsburger Stadtwald nicht mehr zu finden, sagt Pfeuffer.
Er spricht von einem Drama in der Natur. Viele Falter gelten als sogenannte Zeigerarten, die für den Zustand ganzer Biotope stehen. Denn häufig sind Schmetterlinge auf bestimmte Lebensräume oder Pflanzen spezialisiert. Das große Problem ist aus Pfeuffers Sicht, wie Menschen mit der Natur umgehen, die ihre Heimat mit prägt.
Schreitet der Artenschwund insgesamt weiter so schnell fort wie bisher, befürchtet Pfeuffer eine ähnliche Entwicklung, wie sie die amerikanische Autorin Rachel Carson beschrieben hat. Ihr Buch „Der stumme Frühling“erschien 1962. Schon damals ging es um die Folgen einer intensiven Landwirtschaft und den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln.