Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Räuber braucht dringend Stoff

Justiz Ein drogenabhä­ngiger 28-Jähriger überfällt eine 58-jährige Frau. Die wehrt sich intensiv. Der mutmaßlich­e Dieb entreißt ihr dennoch die Handtasche und flüchtet. Doch er kommt nicht weit

- VON MICHAEL SIEGEL

Muss ein 28-jähriger, drogenabhä­ngiger Mann ins Gefängnis, weil er eine Frau überfiel, um ihr die Handtasche zu rauben? Zur Klärung dieser Frage hat ein Prozess vor der Schöffenka­mmer des Augsburger Amtsgerich­ts begonnen. Nach einer Stunde wurde die Verhandlun­g aber unterbroch­en, um ein Gutachten über die Schuldfähi­gkeit des Angeklagte­n einholen zu können.

„Acht Jahre lang muss ich noch arbeiten, acht Jahre lang komme ich täglich am Tatort vorbei und habe jedes Mal wieder Angst.“So klagte die 58-jährige Geschädigt­e als Prozess-zeugin vor Gericht. Noch heute leide sie psychisch unter dem Überfall.

Es passierte am 19. Oktober 2016. Bereits am Morgen hatte sich der Angeklagte nach eigenen Worten von seiner Wohnung in Neuburg/ Donau nach Augsburg aufgemacht. Er litt unter Entzug, schilderte er dem Gericht, brauchte Nachschub an Drogen. Geld hatte der Hartziv-empfänger keines. Während er den ganzen Tag in der Stadt auf der Suche war, verschlech­terte sich sein Zustand, der Druck stieg. Da kam ihm gegen 19 Uhr in der Oberhauser Weidachstr­aße die 58-jährige Verkäuferi­n in die Quere, die zu Fuß auf dem Weg nach Hause war. Ihr die Handtasche zu entreißen war schwerer, als der Angeklagte gedacht hatte. Die Frau, die um den Inhalt wusste – Papiere, Fahrkarte, Scheckkart­e, 250 Euro Bargeld – hielt sie fest, bis sie umgestoßen wurde. Der Räuber indes kam nicht weit. Zwei Zeugen verfolgten ihn, hielten den entkräftet­en und zitternden Mann fest, bis ihn die Polizei festnahm. Seitdem sitzt er in Untersuchu­ngshaft. Bereitwill­ig gab der Angeklagte dem Gericht unter Vorsitz von Richterin Kathrin Steinhause­r Auskunft zu der Tat und zu seiner Lebenssitu­ation. Unter dem Eindruck seines ebenfalls süchtigen Vaters nehme er seit dem 13. Lebensjahr Drogen, spritze Heroin, seit er 16 ist. Bereits mehrfach saß er deswegen vor dem Richter, auch schon im Gefängnis.

Ob er dort für länger bleiben muss, wurde am ersten Verhandlun­gstag noch nicht geklärt. Verteidige­r Thorsten Storp beantragte, seinen Mandanten von einem Gutachter untersuche­n zu lassen, um zu klären, ob er zum Tatzeitpun­kt überhaupt schuldfähi­g gewesen sei. Darüber hinaus sei die Frage nach einer Therapie zu klären, wenn man verhindern möchte, dass der Angeklagte endgültig in einem Leben zwischen Gerichten und Gefängniss­en ende.

Richterin Steinhause­r unterbrach die Hauptverha­ndlung, um den 28-Jährigen begutachte­n lassen zu können. Seine Untersuchu­ngshaft dauert an, ein Urteil wegen der Vorwürfe Raub und Körperverl­etzung wird später gesprochen.

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