Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ausspähen geht viel zu leicht
Kommentar
durch den Us-geheimdienst erfahren. Die Enthüllungen des Nsa-mitarbeiters Edward Snowden in der sogenannten „Wikileaks-affäre“habe sie zum Anlass genommen, gegenüber dem damaligen Us-präsidenten Obama „diese Praktiken zu missbilligen“. In diesem Zusammenhang habe sie mehrfach den Satz gesagt, „dass Ausspähen unter Freunden gar nicht geht“. Davon will sie auch am Donnerstag nicht abrücken.
Immer wieder argumentiert die Kanzlerin, es gehe um das richtige Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Mit der Neufassung des Bndgesetzes habe die Bundesregierung hier wichtige Korrekturen vorgenommen. Auf mehrfache Nachfragen, warum es kein Abkommen mit den USA über einen Verzicht auf gegenseitiges Ausspähen gegeben habe, sagt Merkel, „dass sich beide Seiten nicht über die Kernsätze“eines solchen Abkommens verständigen konnten. Später betont sie, dass sie davon ausgehe, dass auch mit der neuen Us-regierung die „nachrichtendienstliche Zusammenarbeit“fortgesetzt werde.
Ob sie sich denn nie gefragt habe, woher denn die geheimen Informationen stammten, die ihr als Kanzlerin immer wieder vorgelegt worden sind, will SPD-MANN Christian Flisek wissen. Merkel: „Mit der Quel- lenfrage habe ich mich nicht beschäftigt.“Immer wieder zielen die Fragen im Untersuchungsausschuss darauf ab, wie viel die Kanzlerin zu welchem Zeitpunkt von welchen konkreten Ausspäh-aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes wusste. Stets antwortet Merkel nach dem selben Muster: „Davon hatte ich keine Kenntnis.“Oder: „Darüber
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Ausspähen unter Freunden, das geht sehr wohl. Zumindest technisch ist das gar kein Problem. Das Internet hat den Geheimdiensten dieser Welt ungeahnte Möglichkeiten der Datensammlung gegeben. Wer wissen will, was in einer fremden Regierung so läuft, muss heute keine Briefe mehr mit Dampf öffnen oder eine Abhör-wanze im Büro verstecken. Nachrichtendienste zapfen heute gleich die Knotenpunkte des weltumspannenden, grenzen- und schrankenlosen Datenverkehrs an. Genauso, wie mancher eifersüchtige Ehemann die E-mails seiner Frau mitliest oder heimlich die Liste ih- bin ich nicht informiert worden.“Das Argument, dass es wichtig sei, schon vor internationalen Verhandlungen die Positionen des Gegenübers zu kennen, das etwa amerikanische Politiker in der Diskussion bemüht hatten, hält Merkel für „absurd“. Sie sei in ihrer Arbeit als Regierungschefin stets gut ohne solche Informationen ausgekommen. rer Handy-gesprächspartner kontrolliert, ist auch unter politischen Verbündeten die Schnüffelei weit verbreitet.
Mit ihrem berühmten Satz, dass ausspähen unter Freunden gar nicht geht, meint Angela Merkel keineswegs die technische Seite. Sondern die moralische. Spionage unter befreundeten Mächten ist ihrer Meinung nach ein Unding und noch dazu überflüssig. Schließlich sei der Kalte Krieg ja vorbei.
Es ist richtig und wichtig, den technisch unendlichen Möglichkeiten, in die Privatsphäre der Bürger einzudringen, klare und enge rechtsstaatliche Grenzen zu setzen.
Für sie sei klar, dass sich ihr Satz über das Ausspähen unter Freunden auch auf befreundete Regierungen beziehe. Sofort, als sie von den Ausspähaktionen gegen Politiker aus verbündeten Nationen erfahren habe, habe sie die Anweisung gegeben, diese zu beenden. Ob sie sich bei den „Opfern“der Bnd-ausspähaktionen, darunter ehemalige Doch zu glauben, dass Verbündete sich künftig nicht mehr ausspionieren, wäre mehr als naiv. So wie bei den eifersüchtigen Ehepartnern ist die Frage nach Treue und Verlässlichkeit gerade bei politischen Verbündeten interessant. Den Feinden wird ohnehin alles zugetraut.
Wenn Deutschland auf das Schnüffeln bei Freunden künftig verzichtet, ist das eine feine Sache. Obwohl es manchmal schon interessant wäre, etwas genauer zu wissen, was so alles im Busch ist. Was etwa die Briten in Sachen Brexit im Schilde führen. Oder was der neue Chef im Weißen Haus gerade ausheckt... Us-außenminister wie Hillary Clinton und John Kerry, Frankreichs Präsident Hollande und Israels Regierungschef Netanjahu, entschuldigt habe, will die Linken-politikerin Renner wissen. Merkel antwortet mit einem knappen „Nein“. Das neue Bnd-gesetz werde eine klare Linie vorgeben. Grünen-politiker Christian Ströbele bohrt nach, warum die Regierung sich weigere, dem Ausschuss den wichtigsten Zeugen Edward Snowden zur Verfügung zu stellen. Merkel sagt, sie vertraue den Aussagen der zuständigen Behörden, dass für Snowden kein Asylgrund vorliege.
Nach rund drei Stunden beginnen sich die Fragen zu wiederholen, Angela Merkel wirkt noch frisch, aber zunehmend genervt. Wie eine routinierte Tennisspielerin schlecht platzierte Bälle schmettert sie Frage um Frage zurück. Und weist jeden Verdacht, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben, energisch von sich. Am Ende hat die Kanzlerin viele Zuhörer nur einmal überrascht: Als sie sich gleich zu Anfang dem Ausschuss mit ihrem Mädchennamen vorstellt: „Mein Name ist Angela Dorothea Kasner“. Später erklärt sie den Fauxpas mit ihrem zweiten Vornamen: „Weil ich das Dorothea gemeinhin nur mit meinem Mädchennamen verwende.“