Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ausspähen geht viel zu leicht

Kommentar

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

durch den Us-geheimdien­st erfahren. Die Enthüllung­en des Nsa-mitarbeite­rs Edward Snowden in der sogenannte­n „Wikileaks-affäre“habe sie zum Anlass genommen, gegenüber dem damaligen Us-präsidente­n Obama „diese Praktiken zu missbillig­en“. In diesem Zusammenha­ng habe sie mehrfach den Satz gesagt, „dass Ausspähen unter Freunden gar nicht geht“. Davon will sie auch am Donnerstag nicht abrücken.

Immer wieder argumentie­rt die Kanzlerin, es gehe um das richtige Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Mit der Neufassung des Bndgesetze­s habe die Bundesregi­erung hier wichtige Korrekture­n vorgenomme­n. Auf mehrfache Nachfragen, warum es kein Abkommen mit den USA über einen Verzicht auf gegenseiti­ges Ausspähen gegeben habe, sagt Merkel, „dass sich beide Seiten nicht über die Kernsätze“eines solchen Abkommens verständig­en konnten. Später betont sie, dass sie davon ausgehe, dass auch mit der neuen Us-regierung die „nachrichte­ndienstlic­he Zusammenar­beit“fortgesetz­t werde.

Ob sie sich denn nie gefragt habe, woher denn die geheimen Informatio­nen stammten, die ihr als Kanzlerin immer wieder vorgelegt worden sind, will SPD-MANN Christian Flisek wissen. Merkel: „Mit der Quel- lenfrage habe ich mich nicht beschäftig­t.“Immer wieder zielen die Fragen im Untersuchu­ngsausschu­ss darauf ab, wie viel die Kanzlerin zu welchem Zeitpunkt von welchen konkreten Ausspäh-aktivitäte­n des Bundesnach­richtendie­nstes wusste. Stets antwortet Merkel nach dem selben Muster: „Davon hatte ich keine Kenntnis.“Oder: „Darüber

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Ausspähen unter Freunden, das geht sehr wohl. Zumindest technisch ist das gar kein Problem. Das Internet hat den Geheimdien­sten dieser Welt ungeahnte Möglichkei­ten der Datensamml­ung gegeben. Wer wissen will, was in einer fremden Regierung so läuft, muss heute keine Briefe mehr mit Dampf öffnen oder eine Abhör-wanze im Büro verstecken. Nachrichte­ndienste zapfen heute gleich die Knotenpunk­te des weltumspan­nenden, grenzen- und schrankenl­osen Datenverke­hrs an. Genauso, wie mancher eifersücht­ige Ehemann die E-mails seiner Frau mitliest oder heimlich die Liste ih- bin ich nicht informiert worden.“Das Argument, dass es wichtig sei, schon vor internatio­nalen Verhandlun­gen die Positionen des Gegenübers zu kennen, das etwa amerikanis­che Politiker in der Diskussion bemüht hatten, hält Merkel für „absurd“. Sie sei in ihrer Arbeit als Regierungs­chefin stets gut ohne solche Informatio­nen ausgekomme­n. rer Handy-gesprächsp­artner kontrollie­rt, ist auch unter politische­n Verbündete­n die Schnüffele­i weit verbreitet.

Mit ihrem berühmten Satz, dass ausspähen unter Freunden gar nicht geht, meint Angela Merkel keineswegs die technische Seite. Sondern die moralische. Spionage unter befreundet­en Mächten ist ihrer Meinung nach ein Unding und noch dazu überflüssi­g. Schließlic­h sei der Kalte Krieg ja vorbei.

Es ist richtig und wichtig, den technisch unendliche­n Möglichkei­ten, in die Privatsphä­re der Bürger einzudring­en, klare und enge rechtsstaa­tliche Grenzen zu setzen.

Für sie sei klar, dass sich ihr Satz über das Ausspähen unter Freunden auch auf befreundet­e Regierunge­n beziehe. Sofort, als sie von den Ausspähakt­ionen gegen Politiker aus verbündete­n Nationen erfahren habe, habe sie die Anweisung gegeben, diese zu beenden. Ob sie sich bei den „Opfern“der Bnd-ausspähakt­ionen, darunter ehemalige Doch zu glauben, dass Verbündete sich künftig nicht mehr ausspionie­ren, wäre mehr als naiv. So wie bei den eifersücht­igen Ehepartner­n ist die Frage nach Treue und Verlässlic­hkeit gerade bei politische­n Verbündete­n interessan­t. Den Feinden wird ohnehin alles zugetraut.

Wenn Deutschlan­d auf das Schnüffeln bei Freunden künftig verzichtet, ist das eine feine Sache. Obwohl es manchmal schon interessan­t wäre, etwas genauer zu wissen, was so alles im Busch ist. Was etwa die Briten in Sachen Brexit im Schilde führen. Oder was der neue Chef im Weißen Haus gerade ausheckt... Us-außenminis­ter wie Hillary Clinton und John Kerry, Frankreich­s Präsident Hollande und Israels Regierungs­chef Netanjahu, entschuldi­gt habe, will die Linken-politikeri­n Renner wissen. Merkel antwortet mit einem knappen „Nein“. Das neue Bnd-gesetz werde eine klare Linie vorgeben. Grünen-politiker Christian Ströbele bohrt nach, warum die Regierung sich weigere, dem Ausschuss den wichtigste­n Zeugen Edward Snowden zur Verfügung zu stellen. Merkel sagt, sie vertraue den Aussagen der zuständige­n Behörden, dass für Snowden kein Asylgrund vorliege.

Nach rund drei Stunden beginnen sich die Fragen zu wiederhole­n, Angela Merkel wirkt noch frisch, aber zunehmend genervt. Wie eine routiniert­e Tennisspie­lerin schlecht platzierte Bälle schmettert sie Frage um Frage zurück. Und weist jeden Verdacht, die Öffentlich­keit getäuscht zu haben, energisch von sich. Am Ende hat die Kanzlerin viele Zuhörer nur einmal überrascht: Als sie sich gleich zu Anfang dem Ausschuss mit ihrem Mädchennam­en vorstellt: „Mein Name ist Angela Dorothea Kasner“. Später erklärt sie den Fauxpas mit ihrem zweiten Vornamen: „Weil ich das Dorothea gemeinhin nur mit meinem Mädchennam­en verwende.“

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Im stühlereic­hen „Zeugenstan­d“des Untersuchu­ngsausschu­sses: Ohne hilfreiche Mitarbeite­r an ihrer Seite stellt sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel den Fragen der Bundes tagsabgeor­dneten zur Nachrichte­ndienstaff­äre.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Im stühlereic­hen „Zeugenstan­d“des Untersuchu­ngsausschu­sses: Ohne hilfreiche Mitarbeite­r an ihrer Seite stellt sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel den Fragen der Bundes tagsabgeor­dneten zur Nachrichte­ndienstaff­äre.

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