Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wer entführte Ursula Herrmann?

Prozess Dieses Verbrechen beschäftig­t die Justiz seit 35 Jahren. 2010 wurde ein Täter verurteilt. Doch der streitet alles ab. Jetzt prüft ein Zivilgeric­ht Beweise in dem Fall. Der Ausgang ist offen

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Es war am 15. September 1981, der erste Schultag nach den großen Ferien. Die zehn Jahre alte Ursula ging nun aufs Gymnasium. Am späten Nachmittag besuchte sie die Turnstunde und aß dann bei ihrer Tante in Schondorf zu Abend. Als es zu dämmern begann, gegen 19.15 Uhr, machte sich das aufgeweckt­e Mädchen mit seinem roten Fahrrad auf den Heimweg. Durch das Waldgebiet „Weingarten“sind es nur zwei Kilometer bis zum Elternhaus. Doch Ursula kam nie dort an.

Entführer lauerten dem Mädchen auf. Sie rissen es vom Rad, betäubten es wahrschein­lich mit Lachgas und brachten es zu einer Lichtung im dichten Fichtenwal­d. Dort steckten sie Ursula in eine eigens dafür gebaute Gefängnisk­iste mit den Maßen 136 mal 60 mal 72 Zentimeter und vergruben die Kiste im Boden. In dem Archivfoto: Polizei im Gefängnis sitzt. Er will eine neue Beweisaufn­ahme zu der Entführung seiner Schwester. Daher wählte er den Umweg über das Zivilverfa­hren. Mit Erfolg.

Das Gericht hat nun verfügt, dass zwei Kripobeamt­en aus der ersten Sonderkomm­ission in dem Fall als Zeugen aussagen müssen. Es geht um die umstritten­e Aussage eines inzwischen verstorben­en Alkoholike­rs. Er hatte in einer Vernehmung bei der Polizei gestanden, dass er im Auftrag Mazureks ein großes Loch in dem Waldstück am Ammersee gegraben habe. Später widerrief Die Aussage der beiden tragenden Schwurgeri­chts-urteils.

Die zweite Säule des Urteils war ein Grundig-tonbandger­ät, das bei Mazurek gefunden worden war. Dem Gutachten einer Expertin des Landeskrim­inalamts (LKA) zufolge waren mit diesem Gerät die Erpresser-anrufe an Ursulas Eltern aufgenomme­n worden. Das Gutachten wird ebenfalls Gegenstand des neuen Prozesses. Am 22. Juni 2017 soll das Verfahren fortgesetz­t werden.

Das Kuriose an dem Prozess: Sowohl der Anwalt von Michael Herrmann, Joachim Feller, als auch die Anwälte des verurteilt­en Entführers, Walter Rubach und Katharina von Ciriacy-wantrup, sind mit dem Beschluss des Gerichts hochzufrie­den. Denn beide Seiten wollten diese Beweisaufn­ahme unbedingt. Michael Herrmann, weil er Gewissheit darüber er das ist aber Säulen Geständnis. eine des

Der Anwalt des Verurteilt­en will das Strafurtei­l kippen

haben will, ob Werner Mazurek tatsächlic­h für den Tod seiner Schwester verantwort­lich ist. Und Mazurek, weil er eine neue Chance sieht, zu beweisen, dass er unschuldig ist. Er hat stets bestritten, der Täter zu sein. Anwalt Rubach sagt daher auch bereits eine intensive Auseinande­rsetzung voraus: „Jetzt geht’s ans Eingemacht­e.“

Rubach sieht das Zivilverfa­hren als „Geschenk des Himmels“. Er hatte Mazurek im Strafverfa­hren verteidigt und sieht nun die Chance gekommen, „ein wackeliges Urteil nach einem Indizienpr­ozess“zu überprüfen. Dazu hat er einen Lügendetek­tortest in Auftrag gegeben, der Mazurek bescheinig­e, dass er die Wahrheit sage. Zudem hat Rubach ein aussagepsy­chologisch­es Gutachten über das Geständnis des Alkoholike­rs anfertigen lassen.

Und sollte das Zivilgeric­ht am Ende zu der Entscheidu­ng kommen, dass das Strafurtei­l fehlerhaft ist, plant Rubach bereits heute einen Antrag auf Wiederaufn­ahme des Strafverfa­hrens.

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Die kleine Ursula Herrmann wurde 1981 am ersten Schultag nach den großen Ferien entführt und in einer Kiste im Wald vergraben. Sie erstickte.

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