Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
So macht Klettern Spaß
Ratgeber Als Kinder kraxeln Menschen Bäume hinauf, als Erwachsene hangeln sie sich an bunten Griffen Wände entlang. Klettern liegt als Freizeitsport im Trend. Was zu beachten ist
Womöglich erfreut sich das Sportklettern so großer Beliebtheit, weil Kindheitserinnerungen aufleben: Bäume erklommen hat jeder einmal, dieser Instinkt steckt im Menschen. Oliver Bader, Ausbilder am Augsburger Kletterzentrum des Deutschen Alpenvereins (DAV), erklärt, warum sich Klettern für Breitensportler eignet und worauf die Aktiven dabei achten sollten.
Was macht Klettern als Sportart interessant?
Der ursprüngliche Bergsport ist über das Indoorklettern in den vergangenen zwei Jahrzehnten verstärkt in die Breitensportebene eingedrungen. Dass Klettern fit macht, hätten längst klassische Fitnesssportler erkannt, erklärt Bader. Der gesamte Körper wird beansprucht, hinzu kommt das besondere Erlebnis der Höhe. „Das macht einen gewissen Kick aus“, beschreibt Bader.
Wie gesund ist Klettern?
„Sehr gesund“, betont Bader. Die komplette Skelettmuskulatur wird gefordert, alle Muskelgruppen werden angesprochen und lernen miteinander zu arbeiten. Vor allem für Menschen mit Rückenproblemen eigne sich das Klettern, so Bader.
Was ist der größte Fehler?
Der Muskeltonus gleicht sich schnell an, die Adaptation von Gelenken und Sehnen braucht länger. Wer die Sache zu ehrgeizig angeht und zu schnell zu viel Kraft aufbaut, um in den nächsten Schwierigkeitsgrad zu gelangen, riskiert Verletzungen. Bader stellt klar: „In diesem Bereich gibt es keine Überholspur.“
Stichwort Sicherheit. Wie ist Klettern? gefährlich
Prinzipiell sei Klettern eine sehr sichere Sportart, erklärt Bader. Beim Seilklettern ist ein Kurs zwingend nötig, um den Partner entsprechend absichern zu können. Das Hantieren mit Sicherungsmaterial erfordert Übung und Routine. Mit einem Einsteigerkurs hat sich das innerhalb von drei Abenden erledigt.
Welcher Kletterstil ist für Breitensportler geeignet?
Bouldern, das Klettern in niedriger Höhe ohne Seil, ist ein Ableger des Extremkletterns. Heute dient es als Einstieg: Weil es vereinfacht ist, keine Sicherheitsunterweisung nötig ist und Schwierigkeitsgrade für jedermann bietet. Bader gibt aber zu bedenken: „Wer nie gelernt hat, in die Knie zu gehen, abzufedern und abzurollen, kann sich verletzen.“
Wie sollte das Training aussehen?
Ausdauersportarten wie Laufen oder Radfahren regen den Stoffwechsel an, der Körper kann mehr Energie bereitstellen und erholt sich schneller von einer Belastung. In Kombination mit Klettern wird der Körper ganzheitlich trainiert. „Der Körper lernt Bewegungen und ist koordinativ gegenüber anderen Sportarten wesentlich stärker gefordert“, sagt Bader. Bouldern fördert die Maximalkraft, Seilklettern stärkt die Ausdauer.
Wie oft sollte man trainieren?
Parameter ist der eigene Körper, der Müdigkeit und Schmerz erkennt. Man merke schnell, wenn man zu viel mache, bestätigt Bader. Der Trainingsumfang richtet sich nach dem Anspruch: Wer seine Leistung steigern will, muss Reize setzen. Fachliteratur und ein Trainer helfen dabei.
Wann sollte man nicht trainieren?
Wer eine muskuläre Ermüdung verspürt und Schmerzen in Gelenken oder Sehnen hat, sollte mit dem Training aussetzen und regenerieren. Ebenso macht Training bei einem Infekt keinen Sinn, weil der Körper geschwächt ist. „Wer schmerzfrei ist und sich frisch fühlt, kann angreifen“, sagt Bader.
Was ist bei der Ausrüstung wichtig?
Wer nicht weiß, ob ihm Klettern Spaß macht, sollte sich die Ausrüstung im Rahmen eines Schnuppertrainings ausleihen. Priorität haben die Schuhe, die entscheidend für die Fußtechnik und das Gelingen sind. Bader vergleicht sie mit dem „Füllfederhalter in der ersten Klasse“. Zwischen 80 und 130 Euro kosten gute Schuhe. Beim Seilklettern kommen ein Gurt (50 bis 100 Euro), ein Sicherheitsgerät (60 bis 80 Euro) und ein 30-Meter-seil (60 Euro) hinzu.
Wie verhält es sich mit Höhenangst?
Höhenangst ist eine Krankheit, die selten vorkommt. Bader spricht stattdessen davon, dass Menschen „Respekt vor der Höhe“oder ein „Angstbild“hätten. Der Experte stellt fest, dieser Angstzustand löse sich manchmal innerhalb von zwei Stunden in Luft auf. Bedenken gibt es manchmal, dass das Seil nicht hält. Sich reinfallen zu lassen kostet Überwindung. „Diese Scheinwelten kann man nacheinander abschießen“, sagt Bader.
Spielt Ernährung eine Rolle?
Gegenüber Ausdauersportarten werden weniger Kalorien verbrannt. Eine Rolle spielt die Relativkraft: verfügbare Kraft im Verhältnis zum eigenen Körpergewicht. Wer weniger wiegt, hat einen Vorteil. Bader hat festgestellt: „Wer langfristig klettern will, ernährt sich bewusster und gesünder.“
Naturfelsen haben ihren Reiz. Wo sollte man klettern? Im Freien oder in der Halle?
Prinzipiell können Freizeitsportler auch ins freie Gelände gehen. In Kletterführern finden sie geeignete Routen für jedermann mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Fakt ist: Am Naturfelsen ist mehr Wissen in puncto Sicherung erforderlich. Bei Alpenvereinen und Bergschulen gibt es Kurse für drinnen und draußen. Sinn macht, zunächst mit erfahrenen Sportlern mitzugehen.
Ist Klettern eine Frage des Alters?
Grundsätzlich eignet sich Klettern für die ganze Familie. Kinder sollten allerdings erst mit sechs Jahren anfangen. Vorher macht es keinen Sinn, in extremen Fällen nimmt die Entwicklung des Körpers im Wachstum Schaden.
Oliver Bader, 47, betreibt seit 1998 das DAV Kletterzentrum in Augsburg. Frü her hat er das Klettern als Leis tungssportler im Freien betrie ben, danach gab er Erfahrungen und Wissen an Nachwuchstalente weiter. Bader ist verheiratet und hat zwei Kinder.