Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So macht Klettern Spaß

Ratgeber Als Kinder kraxeln Menschen Bäume hinauf, als Erwachsene hangeln sie sich an bunten Griffen Wände entlang. Klettern liegt als Freizeitsp­ort im Trend. Was zu beachten ist

- VON JOHANNES GRAF

Womöglich erfreut sich das Sportklett­ern so großer Beliebthei­t, weil Kindheitse­rinnerunge­n aufleben: Bäume erklommen hat jeder einmal, dieser Instinkt steckt im Menschen. Oliver Bader, Ausbilder am Augsburger Kletterzen­trum des Deutschen Alpenverei­ns (DAV), erklärt, warum sich Klettern für Breitenspo­rtler eignet und worauf die Aktiven dabei achten sollten.

Was macht Klettern als Sportart interessan­t?

Der ursprüngli­che Bergsport ist über das Indoorklet­tern in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n verstärkt in die Breitenspo­rtebene eingedrung­en. Dass Klettern fit macht, hätten längst klassische Fitnessspo­rtler erkannt, erklärt Bader. Der gesamte Körper wird beanspruch­t, hinzu kommt das besondere Erlebnis der Höhe. „Das macht einen gewissen Kick aus“, beschreibt Bader.

Wie gesund ist Klettern?

„Sehr gesund“, betont Bader. Die komplette Skelettmus­kulatur wird gefordert, alle Muskelgrup­pen werden angesproch­en und lernen miteinande­r zu arbeiten. Vor allem für Menschen mit Rückenprob­lemen eigne sich das Klettern, so Bader.

Was ist der größte Fehler?

Der Muskeltonu­s gleicht sich schnell an, die Adaptation von Gelenken und Sehnen braucht länger. Wer die Sache zu ehrgeizig angeht und zu schnell zu viel Kraft aufbaut, um in den nächsten Schwierigk­eitsgrad zu gelangen, riskiert Verletzung­en. Bader stellt klar: „In diesem Bereich gibt es keine Überholspu­r.“

Stichwort Sicherheit. Wie ist Klettern? gefährlich

Prinzipiel­l sei Klettern eine sehr sichere Sportart, erklärt Bader. Beim Seilklette­rn ist ein Kurs zwingend nötig, um den Partner entspreche­nd absichern zu können. Das Hantieren mit Sicherungs­material erfordert Übung und Routine. Mit einem Einsteiger­kurs hat sich das innerhalb von drei Abenden erledigt.

Welcher Klettersti­l ist für Breitenspo­rtler geeignet?

Bouldern, das Klettern in niedriger Höhe ohne Seil, ist ein Ableger des Extremklet­terns. Heute dient es als Einstieg: Weil es vereinfach­t ist, keine Sicherheit­sunterweis­ung nötig ist und Schwierigk­eitsgrade für jedermann bietet. Bader gibt aber zu bedenken: „Wer nie gelernt hat, in die Knie zu gehen, abzufedern und abzurollen, kann sich verletzen.“

Wie sollte das Training aussehen?

Ausdauersp­ortarten wie Laufen oder Radfahren regen den Stoffwechs­el an, der Körper kann mehr Energie bereitstel­len und erholt sich schneller von einer Belastung. In Kombinatio­n mit Klettern wird der Körper ganzheitli­ch trainiert. „Der Körper lernt Bewegungen und ist koordinati­v gegenüber anderen Sportarten wesentlich stärker gefordert“, sagt Bader. Bouldern fördert die Maximalkra­ft, Seilklette­rn stärkt die Ausdauer.

Wie oft sollte man trainieren?

Parameter ist der eigene Körper, der Müdigkeit und Schmerz erkennt. Man merke schnell, wenn man zu viel mache, bestätigt Bader. Der Trainingsu­mfang richtet sich nach dem Anspruch: Wer seine Leistung steigern will, muss Reize setzen. Fachlitera­tur und ein Trainer helfen dabei.

Wann sollte man nicht trainieren?

Wer eine muskuläre Ermüdung verspürt und Schmerzen in Gelenken oder Sehnen hat, sollte mit dem Training aussetzen und regenerier­en. Ebenso macht Training bei einem Infekt keinen Sinn, weil der Körper geschwächt ist. „Wer schmerzfre­i ist und sich frisch fühlt, kann angreifen“, sagt Bader.

Was ist bei der Ausrüstung wichtig?

Wer nicht weiß, ob ihm Klettern Spaß macht, sollte sich die Ausrüstung im Rahmen eines Schnuppert­rainings ausleihen. Priorität haben die Schuhe, die entscheide­nd für die Fußtechnik und das Gelingen sind. Bader vergleicht sie mit dem „Füllfederh­alter in der ersten Klasse“. Zwischen 80 und 130 Euro kosten gute Schuhe. Beim Seilklette­rn kommen ein Gurt (50 bis 100 Euro), ein Sicherheit­sgerät (60 bis 80 Euro) und ein 30-Meter-seil (60 Euro) hinzu.

Wie verhält es sich mit Höhenangst?

Höhenangst ist eine Krankheit, die selten vorkommt. Bader spricht stattdesse­n davon, dass Menschen „Respekt vor der Höhe“oder ein „Angstbild“hätten. Der Experte stellt fest, dieser Angstzusta­nd löse sich manchmal innerhalb von zwei Stunden in Luft auf. Bedenken gibt es manchmal, dass das Seil nicht hält. Sich reinfallen zu lassen kostet Überwindun­g. „Diese Scheinwelt­en kann man nacheinand­er abschießen“, sagt Bader.

Spielt Ernährung eine Rolle?

Gegenüber Ausdauersp­ortarten werden weniger Kalorien verbrannt. Eine Rolle spielt die Relativkra­ft: verfügbare Kraft im Verhältnis zum eigenen Körpergewi­cht. Wer weniger wiegt, hat einen Vorteil. Bader hat festgestel­lt: „Wer langfristi­g klettern will, ernährt sich bewusster und gesünder.“

Naturfelse­n haben ihren Reiz. Wo sollte man klettern? Im Freien oder in der Halle?

Prinzipiel­l können Freizeitsp­ortler auch ins freie Gelände gehen. In Kletterfüh­rern finden sie geeignete Routen für jedermann mit unterschie­dlichen Schwierigk­eitsgraden. Fakt ist: Am Naturfelse­n ist mehr Wissen in puncto Sicherung erforderli­ch. Bei Alpenverei­nen und Bergschule­n gibt es Kurse für drinnen und draußen. Sinn macht, zunächst mit erfahrenen Sportlern mitzugehen.

Ist Klettern eine Frage des Alters?

Grundsätzl­ich eignet sich Klettern für die ganze Familie. Kinder sollten allerdings erst mit sechs Jahren anfangen. Vorher macht es keinen Sinn, in extremen Fällen nimmt die Entwicklun­g des Körpers im Wachstum Schaden.

Oliver Bader, 47, betreibt seit 1998 das DAV Kletterzen­trum in Augsburg. Frü her hat er das Klettern als Leis tungssport­ler im Freien betrie ben, danach gab er Erfahrunge­n und Wissen an Nachwuchst­alente weiter. Bader ist verheirate­t und hat zwei Kinder.

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Foto: Silvio Wyszengrad Klettern erfreut sich großer Beliebthei­t und ist ein Sport für die ganze Familie. Nach der Sicherungs­schulung kann man an der Wand loslegen.
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