Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Für wen gibt es die Brille auf Rezept?
Gesundheit Brillenträger können sich freuen: Ab April zahlen Krankenkassen wieder Zuschüsse für Sehhilfen. Doch wer wirklich davon profitiert, ist streng geregelt
Augsburg Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein: Die Brille auf Rezept feiert ein Comeback. Die Krankenkassen müssen schon bald wieder Geld für Sehhilfen locker machen, wie der Bundestag jetzt im neuen Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung, kurz HHVG, beschlossen hat. Bei genauem Hinschauen wird aber schnell klar: Unterstützung von der Kasse gibt es nur für einen Bruchteil der Brillenträger in Deutschland.
Letzten Endes können nur die etwa 1,4 Millionen Menschen profitieren, die an starker Kurz- und Weitsichtigkeit ab sechs Dioptrien leiden, an Hornhautverkrümmung ab vier Dioptrien oder beidseitiger Blindheit der Stufe 1, wie der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) betont. Die rund 40 Millionen restlichen Brillenund Kontaktlinsenträger können sich höchstens über die Steuererklärung Geld zurückholen.
Für all die, die ohne Sehhilfe im Alltag kaum zurechtkommen, sei die ausgeweitete Kassen-bezuschussung jedoch eine Erleichterung, sagt Andreas Bethke, Geschäftsführer des Deutschen Blindenund Sehbehindertenverbandes (DBSV). Speziell gelte das für Sozialhilfeempfänger und Senioren mit knapper Rente. Das Gesetz muss am 10. März noch in den Bundesrat und tritt in Kraft, sobald es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird. Damit ist am 1. April zu rechnen.
Bis 2003 hatten noch alle gesetzlich Versicherten mit Sehschwäche Anspruch auf ein Brillen-rezept. Seither gilt jedoch für Erwachsene: Nur, wenn jemand mit Brille oder Kontaktlinsen maximal noch 30 Prozent Sehvermögen erreicht, dem zahlt die Kasse eine Brille. Dieser Kreis der Leistungsberechtigten wird nun im Wahljahr vom Gesetzgeber erweitert. Eine neue Brille gibt es immer dann, wenn sich die Sehstärke um 0,5 Dioptrien verändert hat. Für die Krankenkassen ist die Veränderung mit Zusatzkosten verbunden. „Bisher wurde der Zuschuss nur selten gezahlt, das wird bald deutlich häufiger der Fall sein“, sagt Michael Ihly, Sprecher der Techniker-krankenkasse.
Für die Patienten entscheidend ist vor allem, wie viel Geld es künftig gibt. Klar ist: Eine Brille oder Kontaktlinsen bekommen auch schwer Fehlsichtige auf keinen Fall komplett bezahlt. Das Brillengestell müssen sie ohnehin grundsätzlich selbst finanzieren. Was es gibt, sind Zuschüsse, die sich fürs Erste an den aktuell bestehenden Festbeträgen orientieren. Danach wird ein Glas für vier bis sechs Dioptrien mit zehn bis knapp über 112 Euro erläutert Experte Wandke vom Zentralverband Augenoptiker.
Wer sehr schlecht sieht, kommt mit den Festbeträgen aus dem Jahr 2008 nicht sehr weit. Im hohen Dioptrien-bereich summieren sich die
Brillenträger können sich Geld vom Finanzamt zurückholen
bezuschusst, Lars der Kosten pro Brillenglas schnell auf bis zu 350 Euro und mehr. Für Menschen, deren Augenlicht sich ständig verschlechtert, kann das immer wiederkehrende Ausgaben von 1000 Euro und mehr bedeuten.
Wer Einstärkengläser nimmt, kommt grundsätzlich billiger weg als mit Gleitsichtgläsern, die Sehschärfe im Nah- und Fernbereich ermöglichen. Extras wie Entspiegelung oder Tönung müssen sowieso aus der eigenen Tasche gezahlt werden. „Die Bürger sollten erst mal nicht allzu hohe Erwartungen an das neue Gesetz stellen“, rät Optiker Wandke.
Wer zum Kreis derer gehört, die von der Gesetzesänderung profitieren, kann ab April bei Bedarf erst einmal Folgendes tun: sich vom Arzt ein Brillen-rezept ausstellen lassen und es beim Optiker einlösen. Dieser rechnet dann bis zur Höhe des Festbetrags mit der Kasse ab. Bei Kontaktlinsen zahlen die Kassen ohnehin erst ab einer Dioptrie von + oder -8.
Wer kein Geld für eine private Zusatzversicherung ausgeben will, dem bleibt nur noch eins: die Chance nutzen, wenigstens mit der Steuererklärung Geld zurückzubekommen. Denn: Hohe Krankheitskosten, auch durch Brillen, Kontaktlinsen, Augen-lasern oder Zuzahlungen zur Operation des Grauen Stars, können die Steuerlast drücken. Je mehr Rechnungen zusammenkommen, je weniger Einkommen da ist und je größer die Kinderschar, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Fiskus an den Ausgaben beteiligt.
Einen zumutbaren Anteil müssen die Bürger zwar immer selbst stemmen – alles über das persönliche Limit hinaus drückt aber als außergewöhnliche Belastung die Steuerlast, wie Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler in Berlin erläutert. Auch eine selbst finanzierte optische Brille oder Kontaktlinsen ohne Rezept dürfen in die Steuererklärung hinein. „Dem Finanzamt genügt es, wenn man einmal beim Arzt war und dann nur noch zum Optiker geht“, so Klocke. Nicht akzeptiert wird dagegen die günstige Lesebrille aus dem Supermarkt.