Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Soll jetzt das ganze Schulsystem auf den Prüfstand?
Bildung In der CSU regt sich neuer Widerstand gegen „einseitige Reform des Gymnasiums“
München Die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium bereitet der Csu-staatsregierung offenbar noch weitaus mehr Probleme als bisher bekannt. Zwar sagte Kultusminister Ludwig Spaenle gestern auf Nachfrage unserer Zeitung: „Wir sind auf alles vorbereitet und können, wenn es so weit ist, einen fertigen Gesetzentwurf auf den Tisch legen.“Eine Prognose, welches Ergebnis die für den Abend mit Ministerpräsident Horst Seehofer geplante Besprechung in der Staatskanzlei bringen könnte, wagte er aber nicht. Der Grund sind nach Recherchen unserer Zeitung neue Bedenken in der Landtags-csu, eine teure Gymnasialreform könnte zulasten anderer Schularten gehen.
Der vom Kultusministerium moderierte „Dialogprozess“über die Zukunft des Gymnasiums in Bayern zieht sich nun, wie mehrfach berichtet, schon seit Monaten hin. Nach den Erfahrungen an 47 Pilotschulen, wo Schüler und Eltern zwischen acht und neun Jahren wählen konnten und zwei Drittel sich für eine neunjährige Gymnasialzeit entschieden, deutete alles auf eine Rückkehr zu einem „G 9 mit Überholspur“hin. Damit sollten alle Wünsche befriedigt werden: Neun Jahre für die Mehrheit der Schüler, acht Jahre für alle, die schneller zum Abitur kommen wollen. Das sollte weder an den Kosten für geschätzt 1000 zusätzliche Lehrer noch an den Kosten für den Aus- und Neubau von Gymnasien scheitern.
Seehofer allerdings forderte darüber hinaus eine Prognose über die Folgen einer Gymnasialreform für die anderen Schularten. Dabei ging es zunächst um die Frage, ob eine Rückkehr zu einem runderneuerten G9 die ohnehin schon starke Sogwirkung zum Gymnasium noch verstärkt und anderen Schularten, insbesondere den Realschulen, weitere Schüler entzieht. Nun ist noch ein weiteres Problem aufgetaucht. Wenn der Staat jetzt noch einmal zusätzliches Geld ins Gymnasium pumpt, so sagen die Kritiker einer „einseitigen Reform“, dann werde das in den anderen Schularten zu einem „Aufschrei“führen. Gerade an Grund- und Förderschulen, so heißt es in Teilen der Csu-landtagsfraktion, fehle es aktuell an allen Ecken und Enden. Wenn überhaupt, dann müsse eine Rückkehr zum G9 mit einer „großen Schuloffensive“einhergehen, die allen zugutekomme.
Als Kronzeugin gilt den Kritikern in der CSU vor allem die Präsidentin des Lehrerverbandes BLLV, Simone Fleischmann. Sie hatte eine längere Gymnasialzeit in Verbindung mit pädagogischen Verbesserungen befürwortet, aber ausdrücklich davor gewarnt, die eine Schulart gegen die andere auszuspielen. „Dem Ministerpräsidenten muss jede Schulart gleich viel wert sein“, bekräftigte Fleischmann gestern noch einmal im Gespräch mit unserer Zeitung.
Seehofer soll, wie es heißt, diese Bedenken sehr ernst nehmen. Dennoch drängt er auf eine schnelle Entscheidung. Das Spitzentreffen gestern Abend sagte er trotz einer handfesten Erkältung nicht ab. Ob es eine Entscheidung gab, stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest. »Kommentar