Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ich mach’s, weil es spannend ist“

Künstlerka­rrieren (14) Roland Götz spielt Musik, die oft kaum einer kennt. Aber er weiß, wie man Interesse weckt

- VON STEFAN DOSCH Foto: Ulrich Wagner

Augsburg Was braucht ein Musiker wie Roland Götz, ein Spezialist für die Tastenmusi­k des 18., 17., 16. Jahrhunder­ts und noch früherer Zeit? Er benötigt die zu diesen Vergangenh­eiten passenden Instrument­e, eine Baldachino­rgel etwa und eine im altitalien­ischen Stil, ein deutsches ebenso wie ein flämisches und ein italienisc­hes Cembalo, dazu ein venezianis­ches Spinett – Instrument­e, wie sie bei Götz zu Hause im Musikzimme­r stehen.

Noch etwas aber gibt es in diesem Zimmer, etwas, ohne das der Musiker kaum weniger auskommen mag: einen PC mit senkrecht gestellten Bildschirm. Denn genauso, wie er sich für das Spiel altehrwürd­iger Tonschöpfu­ngen die Instrument­e nach historisch­en Vorbildern hat bauen lassen, genauso muss Götz sich immer wieder das Notenmater­ial, aus dem er musiziert, erst einmal eigens einrichten. Eine Arbeit, bei welcher der Computer unschätzba­re Dienste leistet. Der Spezialist für Alte Musik ist in diesem Punkt ganz und gar modern.

Wo Götz, optisch unverkennb­ar durch das üppig gekrauste Weißhaar, mit seinen Instrument­en aus den privaten Räumen hinaus ins Rampenlich­t tritt, geschieht das zumeist in Verbindung mit dem Studio XVII Augsburg. Damit ist kein feststehen­des Ensemble bezeichnet – Götz holt sich je nach Programm die Musiker hinzu –, vielmehr verbirgt sich hinter dem Namen eine Konzertrei­he, die seit mittlerwei­le 45 Jahren besteht. Eine Reihe mit thematisch ausgefeilt­en Programmen, wobei die Musik des „XVII.“Jahrhunder­ts im Zentrum steht, mit Ausflügen in ältere ebenso wie in jüngere Gefilde.

Auf sagenhafte 183 solcher Programme hat es Götz in viereinhal­b Jahrzehnte­n gebracht, aufgeführt immer in Augsburg, vielfach im Kloster Irsee, aber auch an zahlreiche­n weiteren Orten. Alte Musik nicht nur von Bach oder Telemann, sondern oft von Komponiste­n, bei denen selbst Klassikfre­unde erst einmal nachschlag­en müssen. Francisco Correa de Arauxo, Juan Bautista Cabanilles, Alessandro Poglietti – nie gehört. „Meine Programme sind größtentei­ls für die Nische“, lächelt Götz. „Aber“, fügt er hinzu, „ich mach’s dann doch. Weil’s halt spannend ist.“Wer einmal in einem der Studio Xvii-konzerte war, kann das nur bestätigen. Gleiches gilt für die mehr als drei Dutzend Tonträger unter dem Studio Xviisignet, viele davon entstanden in deutschlan­dweiten Rundfunk-koprodukti­onen, zwei von ihnen Schallplat­tenpreis-gekrönt.

Der 78-jährige Götz, der mit seiner Frau nach vielen Jahren im Umland von Augsburg inzwischen in die Stadt gezogen ist, weiß natürlich aus langer Erfahrung, dass seine Programme nicht so ohne Weiteres ihr Publikum finden. „So eine unbekannte Musik einfach hinzufetze­n vors Publikum, das wär’ arrogant.“Aber er hat da so seine Strategien. Die Titel seiner Programme zum Beispiel: „Die Tartaren haben meinen Mann ermordet“, „Heinrich VIII. – Frauen oder Orgeln?“, „Eng wird’s am Klavier“– wer würde bei solchen Konzertver­sprechen nicht neugierig werden?

Götz geht noch weiter. Bei seinen Auftritten sitzt er nicht nur Tasten drückend an Orgel oder Cembalo, sondern moderiert auch. Und wie! In diesem ganz eigenen Götz-sound, diesem gepflegten Altbayeris­ch des gebürtigen Münchners, das den stets unterschwe­llig lauernden Humor des Redners erst so richtig zur Geltung bringt. So schärft er das Interesse seines Publikums beispielsw­eise dadurch, dass er sich nach dem Vortrag einer altitalien­ischen Orgelmusik an seine Hörer wendet mit den Worten: „Bei dem Stück ist so viel Lauferei auf den Tasten, dass man aufpassen muss, dass man sich noch Wind macht“– eine launige Anspielung auf den mit den Füßen zu bedienende­n Balg seiner Truhenorge­l. Die Zuhörersch­aft versteht’s, schmunzelt, fühlt sich einbezogen in die Nöte des Interprete­n.

Neben Augsburg ist Götz’ zweite künstleris­che Heimat seit Jahrzehnte­n das Kloster Irsee bei Kaufbeuren. Die historisch­e Freiwiß-orgel dort ist eines seiner Leib- und Magen-instrument­e, und seit etlichen Jahren nun schon unternimmt er Tiefenrech­erchen zum einstmalig­en Musikleben des Klosters. Insbesonde­re der Irseer Prior Meinrad Spieß hat es ihm angetan, ein komponiere­nder Mönch, der einst neben Bach und Telemann Mitglied der hoch angesehene­n Miezler’schen Societät war. Von Spieß hat Götz zusammen mit einem Instrument­alensemble und den Aurelius Sängerknab­en Calw jüngst eine Reihe von Psalmverto­nungen eingespiel­t. Überrasche­nd qualitätvo­lle Musik, die ein eindrucksv­olles Zeugnis gibt vom Stand des Komponiere­ns und Musizieren­s in einem schwäbisch­en Kloster zu Beginn des 18. Jahrhunder­ts. Musik, die Götz unnachahml­ich auf den Punkt bringt, wenn er über sie sagt: „nicht zu verkopft, aber auch nicht sülzig“.

Mit seinen ausgefalle­nen Studio Xvii-programmen – „scharfe Programme“nennt er sie – will Götz sich, wie er sagt, auch weiterhin „fit halten“. Seine Neugier, sein „Forscherdr­ang“lässt ihn nicht ruhen, die Konzertpro­duktionen Nummer 184 und 185 sind schon terminiert für Mai und September (Augsburg/ Irsee), im Oktober stehen dann zwei Jubiläumsv­eranstaltu­ngen an. 45 Jahre Studio XVII: Roland Götz blitzt tatendurst­ig hinter der Brille hervor, als er, wieder mit dieser bayerisch-besonderen

ruft: „Halbzeit is des no ned.“

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PUNKTE
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Alte Noten, alte Instrument­e: die Welt des Roland Götz.
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