Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Ich mach’s, weil es spannend ist“
Künstlerkarrieren (14) Roland Götz spielt Musik, die oft kaum einer kennt. Aber er weiß, wie man Interesse weckt
Augsburg Was braucht ein Musiker wie Roland Götz, ein Spezialist für die Tastenmusik des 18., 17., 16. Jahrhunderts und noch früherer Zeit? Er benötigt die zu diesen Vergangenheiten passenden Instrumente, eine Baldachinorgel etwa und eine im altitalienischen Stil, ein deutsches ebenso wie ein flämisches und ein italienisches Cembalo, dazu ein venezianisches Spinett – Instrumente, wie sie bei Götz zu Hause im Musikzimmer stehen.
Noch etwas aber gibt es in diesem Zimmer, etwas, ohne das der Musiker kaum weniger auskommen mag: einen PC mit senkrecht gestellten Bildschirm. Denn genauso, wie er sich für das Spiel altehrwürdiger Tonschöpfungen die Instrumente nach historischen Vorbildern hat bauen lassen, genauso muss Götz sich immer wieder das Notenmaterial, aus dem er musiziert, erst einmal eigens einrichten. Eine Arbeit, bei welcher der Computer unschätzbare Dienste leistet. Der Spezialist für Alte Musik ist in diesem Punkt ganz und gar modern.
Wo Götz, optisch unverkennbar durch das üppig gekrauste Weißhaar, mit seinen Instrumenten aus den privaten Räumen hinaus ins Rampenlicht tritt, geschieht das zumeist in Verbindung mit dem Studio XVII Augsburg. Damit ist kein feststehendes Ensemble bezeichnet – Götz holt sich je nach Programm die Musiker hinzu –, vielmehr verbirgt sich hinter dem Namen eine Konzertreihe, die seit mittlerweile 45 Jahren besteht. Eine Reihe mit thematisch ausgefeilten Programmen, wobei die Musik des „XVII.“Jahrhunderts im Zentrum steht, mit Ausflügen in ältere ebenso wie in jüngere Gefilde.
Auf sagenhafte 183 solcher Programme hat es Götz in viereinhalb Jahrzehnten gebracht, aufgeführt immer in Augsburg, vielfach im Kloster Irsee, aber auch an zahlreichen weiteren Orten. Alte Musik nicht nur von Bach oder Telemann, sondern oft von Komponisten, bei denen selbst Klassikfreunde erst einmal nachschlagen müssen. Francisco Correa de Arauxo, Juan Bautista Cabanilles, Alessandro Poglietti – nie gehört. „Meine Programme sind größtenteils für die Nische“, lächelt Götz. „Aber“, fügt er hinzu, „ich mach’s dann doch. Weil’s halt spannend ist.“Wer einmal in einem der Studio Xvii-konzerte war, kann das nur bestätigen. Gleiches gilt für die mehr als drei Dutzend Tonträger unter dem Studio Xviisignet, viele davon entstanden in deutschlandweiten Rundfunk-koproduktionen, zwei von ihnen Schallplattenpreis-gekrönt.
Der 78-jährige Götz, der mit seiner Frau nach vielen Jahren im Umland von Augsburg inzwischen in die Stadt gezogen ist, weiß natürlich aus langer Erfahrung, dass seine Programme nicht so ohne Weiteres ihr Publikum finden. „So eine unbekannte Musik einfach hinzufetzen vors Publikum, das wär’ arrogant.“Aber er hat da so seine Strategien. Die Titel seiner Programme zum Beispiel: „Die Tartaren haben meinen Mann ermordet“, „Heinrich VIII. – Frauen oder Orgeln?“, „Eng wird’s am Klavier“– wer würde bei solchen Konzertversprechen nicht neugierig werden?
Götz geht noch weiter. Bei seinen Auftritten sitzt er nicht nur Tasten drückend an Orgel oder Cembalo, sondern moderiert auch. Und wie! In diesem ganz eigenen Götz-sound, diesem gepflegten Altbayerisch des gebürtigen Münchners, das den stets unterschwellig lauernden Humor des Redners erst so richtig zur Geltung bringt. So schärft er das Interesse seines Publikums beispielsweise dadurch, dass er sich nach dem Vortrag einer altitalienischen Orgelmusik an seine Hörer wendet mit den Worten: „Bei dem Stück ist so viel Lauferei auf den Tasten, dass man aufpassen muss, dass man sich noch Wind macht“– eine launige Anspielung auf den mit den Füßen zu bedienenden Balg seiner Truhenorgel. Die Zuhörerschaft versteht’s, schmunzelt, fühlt sich einbezogen in die Nöte des Interpreten.
Neben Augsburg ist Götz’ zweite künstlerische Heimat seit Jahrzehnten das Kloster Irsee bei Kaufbeuren. Die historische Freiwiß-orgel dort ist eines seiner Leib- und Magen-instrumente, und seit etlichen Jahren nun schon unternimmt er Tiefenrecherchen zum einstmaligen Musikleben des Klosters. Insbesondere der Irseer Prior Meinrad Spieß hat es ihm angetan, ein komponierender Mönch, der einst neben Bach und Telemann Mitglied der hoch angesehenen Miezler’schen Societät war. Von Spieß hat Götz zusammen mit einem Instrumentalensemble und den Aurelius Sängerknaben Calw jüngst eine Reihe von Psalmvertonungen eingespielt. Überraschend qualitätvolle Musik, die ein eindrucksvolles Zeugnis gibt vom Stand des Komponierens und Musizierens in einem schwäbischen Kloster zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Musik, die Götz unnachahmlich auf den Punkt bringt, wenn er über sie sagt: „nicht zu verkopft, aber auch nicht sülzig“.
Mit seinen ausgefallenen Studio Xvii-programmen – „scharfe Programme“nennt er sie – will Götz sich, wie er sagt, auch weiterhin „fit halten“. Seine Neugier, sein „Forscherdrang“lässt ihn nicht ruhen, die Konzertproduktionen Nummer 184 und 185 sind schon terminiert für Mai und September (Augsburg/ Irsee), im Oktober stehen dann zwei Jubiläumsveranstaltungen an. 45 Jahre Studio XVII: Roland Götz blitzt tatendurstig hinter der Brille hervor, als er, wieder mit dieser bayerisch-besonderen
ruft: „Halbzeit is des no ned.“
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