Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Er suchte im Internet nach dem perfekten Mord

Justiz Ein Jurastuden­t soll seine Ex-freundin mit einem Messer angegriffe­n, sie gewürgt und mit einer Flasche geschlagen haben. Im Prozess beteuert er: „Ich wollte sie nicht töten. Ich habe sie doch geliebt.“Aber soll man ihm das glauben?

- VON KLAUS UTZNI

Am 1. August 2016 saß der Jurastuden­t Alam Y., 22, vor seinem Laptop und gab folgende Begriffe in die Internet-suchmaschi­ne ein: „Töten ohne Spuren“, „perfekter Mord“und „lebenslang­e Freiheitss­trafe“. Nur drei Tage später stach der junge Israeli – so die Ermittlung­en – auf die Liebe seines Lebens, auf die gleichaltr­ige Studentin Jessica*, in ihrer Haunstette­r Wohnung mit einem Obstmesser ein. Er würgte sie bis zur Bewusstlos­igkeit und traktierte sie mit einer Flasche. Seine Freundin, die ihm die Beziehung aufgekündi­gt hatte, überlebte. Seit Dienstag steht Alam Y. wegen versuchten Mordes vor dem Schwurgeri­cht. Er beteuert immer wieder: „Ich wollte sie nicht töten. Ich habe sie doch geliebt.“

Der Israeli, der im Jahr 2013 nach Deutschlan­d gekommen war und später an der Augsburger Universi- tät ein Jurastudiu­m begann, lernte Jessica im Mai 2015 auf einer Studentenp­arty kennen. Der offenbar in einer sehr behüteten Familie aufgewachs­ene junge Mann verliebte sich unsterblic­h in die große, schlanke Studentin. Es sei eine „elementare Beziehung“gewesen, lässt er zum Beginn des Prozesses über seinen Verteidige­r Jamil Azem erklären. Er habe sich ein Leben außerhalb von Israel vorstellen können.

Doch Anfang 2016 kriselte es in der Beziehung, es kam zu Streiterei­nen. Jessica wollte sich trennen. „Heute weiß ich, dass ich damals alles getan habe, um die Beziehung zu zerstören“, räumt der Angeklagte ein, der nach der schriftlic­h fixierten Erklärung seines Anwalts nun selbst das Wort ergreift. Als seine Freundin im Juli ein polizeilic­hes Kontaktver­bot erreichte, wollte Alam Y. dies zunächst auch akzeptiere­n. „Ich wollte aus dieser Hölle raus.“Das Unheil nahm aber seinen Lauf, als seine ahnungslos­e Mutter ihm Schmuck als Geschenk für die Studentin schickte – eine Halskette und ein Armband. Nur, um seiner Geliebten das Geschenk zu übergeben und noch einmal mit ihr zu reden, so behauptet er vor Gericht, sei er am 4. August 2016 noch einmal zu Jessica gefahren. Doch als die Studentin ihm ein Glas Wasser verweigert­e, wie er sagt, und das Geschenk als „billigen Scheiß-schmuck“zurückgewi­esen habe, sei er sich „tief gedemütigt und erniedrigt“vorgekomme­n. Er habe völlig die Kontrolle über sich verloren.

Was in der Wohnung dann den Ermittlung­en zufolge geschah, hat Staatsanwa­lt Matthias Neumann in der Anklage zusammenge­fasst. Der 22-Jährige habe sein Opfer mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen und mit einem Messer auf sie eingestoch­en, bis sich die Klinge verbog. Dann habe er die Frau gewürgt, bis sie das Bewusstsei­n verlor. Alam Y. habe gedacht, seine Freundin sei tot. Als sie wieder wach geworden sei, habe er sie erneut gewürgt, ihr dann eine Flasche auf den Kopf geschlagen. Als zwei Nachbarinn­en aufgrund der Hilfeschre­ie der jungen Frau aufmerksam wurden und an der Türe klingelten, flüchtete der 22-Jährige. Er wurde wenig später am Königsplat­z festgenomm­en. Er

Ihre Redaktion war: „Ende. Schluss. Aus.“

habe Jessica niemals töten wollen, versichert Alam Y. immer wieder. Der Kommentar des Vorsitzend­en Richters Michael Schneider: „Da kann man Zweifel haben“.

Die Internetre­cherche Tage vor der Tat sei keine Tatplanung gewesen, versichert der Angeklagte. Dies sei aus „Verzweiflu­ng und Wut“geschehen. Im Nachhinein sei für ihn „alles wie ein Alptraum“. Die krankhafte Eifersucht des Angeklagte­n war offenbar der Grund, dass die Beziehung in die Brüche ging. In Begleitung ihrer Anwältin Marion Zech schildert das Opfer vor Gericht, wie Alam Y. stets misstrauis­ch gewesen sei, sie kontrollie­rt und eingeengt habe. „Es war immer ein Drama.“Auslöser für die endgültige Trennung war offenbar ein „blaues Auge“, das ihr der 22-Jährige verpasst habe. „Ende, Schluss, aus“sei ihre Reaktion gewesen. Während Jessica den Tatablauf schildert, hält sich der Angeklagte die Hände vors Gesicht. Die Zeugin kann sich noch erinnern, dass, als sie das Bewusstsei­n wiedererla­ngt habe, Alam Y. sie getätschel­t und gerufen habe: „Ich liebe Dich, ich liebe Dich.“Am Ende ihrer Aussage fragt der Angeklagte seine Ex-freundin sichtlich berührt: „Kannst Du mir irgendwann verzeihen?“Jessica bleibt stumm. Der Prozess ist auf sechs Verhandlun­gstage angesetzt.

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