Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Bayerische Geldfresser
Mängelliste Der Jahresbericht des Obersten Rechnungshofs ist eine Art Finanzzeugnis für Staatsregierung und Behörden. Was dieses Mal alles kritisiert wird
München Eine Rampe für Behinderte, die zu steil ist. Ein „Haus der Berge“, das zu teuer ist. Und fragwürdige Soforthilfen für Landwirte nach einem Tornado im Raum Affing. Der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) hat in seinem Jahresbericht der Staatsregierung und den Behörden wieder genau auf die Finger gesehen und zahlreiche Unstimmigkeiten entdeckt.
Unter anderem übten die Rechnungsprüfer Kritik an der Praxis der Wirtschaftsförderung. So seien die vom Wirtschaftsministerium verantworteten Förderprogramme für Unternehmen und Existenzgründer trotz einer üppigen Mittelausstattung mit 654 Millionen Euro im überprüften Jahr 2013 unübersichtlich, wenig zielgerichtet und kaum kontrolliert. 2013 gab es zwar 152 einzelne Förderprogramme oder Projekte, aber nur bei weniger als einem Prozent gab es konkrete Zielvorgaben. Bei stolzen 78 Prozent gab es überhaupt keine Erfolgskontrolle. Um dem Grundsatz des sparsamen und effektiven Einsatzes staatlicher Mittel gerecht zu werden, seien Erfolgskontrollen aber unerlässlich, sagt der ORH. Freie Wähler und Grüne im Landtag forderten von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), umgehend für Transparenz zu sorgen: „Wir müssen die Black Box Wirtschaftsförderung endlich knacken“, sagte der Fw-landtagsabgeordnete Thorsten Glauber.
Erneut scharfe Kritik äußerte der ORH auch am Steuervollzug und an
Millionenverluste für den Fiskus im Freistaat
der Finanzverwaltung: So seien etwa bei der Zerlegung der Körperschaftsteuer von Unternehmen, die Betriebsstätten in mehreren Bundesländern haben, Millionenverluste für den bayerischen Fiskus entstanden. Auch die Berechnung der Versorgungsbezüge für pensionierte Beamte sei oft fehlerhaft: Von 3800 überprüften Berechnungen seien stolze 18,6 Prozent nicht richtig gewesen – was ohne die ORH-KONtrolle zu Fehlzahlungen in Höhe von 15 Millionen Euro geführt hätte, kritisieren die Rechnungsprüfer.
Diese Kritik an der Finanzverwaltung sei die sechste in Folge für den seit 2011 verantwortlichen Finanzminister Markus Söder (CSU), sagte der Spd-finanzexperte Harald Güller. Es sei bezeichnend, dass acht der 17 Rügen des Rechnungshofs Söders Ministerium betreffen. Die Kritik des ORH habe hier zudem immer die gleichen Ursachen, so Güller: „Zu wenig Personal, Defizite in der Organisation und unzureichende Schulungen.“Söder verwies auf das grundsätzliche Lob des Rechnungshofs an seiner Haushaltspolitik, reagierte auf die Kritik aber schmallippig: „Die weiteren Anregungen des ORH werden aufgegriffen und berücksichtigt“, teilte er mit.
Auch einige Einzelfälle von staatlicher Geldverschwendung deckten die Kontrolleure auf: So wurde an einem Münchner S-bahnhof eine Rampe gebaut, die für Behinderte zu steil ist. Mit großer Kreativität habe das Umweltministerium den fixen Kostendeckel für das „Haus der Berge“in Berchtesgaden um- gangen. Und nach dem Wirbelsturm in Affing im Landkreis AichachFriedberg im Jahr 2015 erklärte das Landwirtschaftsministerium sehr wohl versicherbare Schäden für „nicht versicherbar“, um eine zusätzliche staatliche Soforthilfe zu ermöglichen. Der Staat sollte aber „Schäden nicht ausgleichen, wenn Unternehmer es versäumt haben, versicherbare Risiken über den Versicherungsmarkt abzusichern“, finden die Rechnungsprüfer.
Im Klartext: Der ORH kritisiert, dass das Agrarministerium die eigenen Richtlinien außer Kraft gesetzt hat, um ein eigenes und zusätzliches Soforthilfsprogramm für Landwirte umzusetzen. Dabei wurden allerdings nur zwei niedrige vierstellige Beträge ausgezahlt, bestätigt Konrad Hörl, stellvertretender Leiter des Augsburger Landwirtschaftsamtes. Dem Rechnungshof aber geht es um Grundsätzliches: Das Landwirtschaftsministerium habe mit seinem Sonderprogramm diejenigen Unternehmer benachteiligt, die „eigenverantwortlich Risikovorsorge betreiben“und Prämien zahlen.