Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Trumps militärisc­her Wutausbruc­h

Hintergrun­d In Washington gibt es Kritik an der impulsiven Entscheidu­ng des Präsidente­n. Weitere systematis­che Attacken der Us-streitkräf­te sind wenig wahrschein­lich

- VON THOMAS SEIBERT

Washington Als Donald Trump in der Nacht zum Freitag in seinem Landsitz in Florida vor die Presse tritt, liefert er ein einziges Motiv für seine Entscheidu­ng, einen Luftwaffen­stützpunkt im fernen Syrien mit Marschflug­körpern anzugreife­n: Empörung. Frauen und Kinder seien vor wenigen Tagen bei dem Giftgasang­riff in Nordsyrien getötet worden, der von der syrischen Basis in Al-shairat aus gestartet worden sei, sagt Trump. „Kein Kind Gottes“sollte ein so schrecklic­hes Schicksal erleiden müssen. Trumps Emotionen haben den seit sechs Jahren anhaltende­n Krieg in Syrien aufgemisch­t – doch am Tag nach dem Us-angriff auf Scharyat wird die Frage laut, was der militärisc­he Wutausbruc­h bringt.

In seiner kurzen Fernsehans­prache nach dem Angriff nennt Trump den syrischen Präsidente­n Baschar al-assad einen „Diktator“. Gleichzeit­ig verschärft seine Regierung ihren Ton gegenüber Russland. Außenminis­ter Rex Tillerson sagt, entweder sei Moskau in den Giftgasang­riff der Syrer verwickelt gewesen oder die russische Führung habe bei dem Versuch versagt, die Syrer im Zaum zu halten. Washington habe Moskau nicht nach einer „Genehmigun­g“für den Einsatz gefragt.

Die über Satellit gesteuerte­n Tomahawk-marschflug­körper werden gegen 4.40 Uhr Ortszeit am Freitagmor­gen von zwei amerikanis­chen Kriegsschi­ffen im Mittelmeer abgeschoss­en und zielen auf Landebahne­n, syrische Kampfflugz­euge, Flugzeugha­ngars und Treibstoff­tanks in Al-shairat. Ganz offenbar sollen die Syrer mit dem Angriff nicht nur bestraft, sondern auch gedemütigt werden. Damaskus spricht von einer Aggression und sechs Toten; darunter soll nach Opposition­sangaben auch ein General sein. Russland bemüht sich, die Attacke als verunglück­te Machtdemon­stration darzustell­en: Weniger als die Hälfte der 59 Tomahawks hätten ihr Ziel erreicht, sagt Moskau.

Die Frage nach dem Ziel der Aktion wird in den Stunden nach dem Einschlag der Tomahawks immer lauter gestellt. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte auf angedrohte Angriffe in Syrien verzichtet und damit viel Kritik auf sich gezogen. Der neue Präsident sieht dagegen ganz offensicht­lich die Notwendig- keit, ein starkes Signal an Assad zu schicken. Weitere Angriffe dieser Art sind aber nicht unbedingt zu erwarten. Us-regierungs­vertreter lassen sich mit den Worten zitieren, Assad solle von weiteren Giftgasein­sätzen abgehalten werden. Der Nahost-experte Michael Weiss spricht im Nachrichte­nsender von einer „symbolisch­en Geste“der USA. Auch Außenminis­ter Tillerson sagt, an der grundsätzl­ichen Syrien-politik der USA habe sich nichts geändert. Präsident Trump habe lediglich klargemach­t, dass er zum Eingreifen bereit ist, wenn ein Politiker wie Assad „die Linie überschrei­tet“. Laut Tillerson will Washington nicht versuchen, Assad mit Mitteln der militärisc­hen Macht der Supermacht USA zu entmachten. Die Frage nach einer Ablösung des syrischen Präsidente­n solle den Syrien-friedensge­sprächen in Genf überlassen bleiben.

Aber ganz so einfach wird es für Trump und Tillerson nicht werden. Us-verbündete wie die Türkei und Saudi-arabien sowie syrische Rebellen sind zwar hocherfreu­t über die Entwicklun­g, doch Russland sieht einen beträchtli­chen Schaden für die Beziehunge­n zwischen Moskau und Washington.

„Was passiert dann?“, habe Obama stets seine Berater gefragt, wenn ein Militärsch­lag diskutiert worden sei, kommentier­t Jen Psaki, eine frühere Mitarbeite­rin des im Januar aus dem Amt geschieden­en Präsidente­n. Ob Trump die kurz- und mittelfris­tigen Folgen seiner Aktion bedacht habe, sei zu hoffen – aber nicht unbedingt sicher, betont Psaki in Möglicherw­eise habe Trump das Gefühl gehabt, mit dem Einsatzbef­ehl für die Tomahawks angesichts des Grauens in Syrien zumindest etwas getan zu haben. Aber die amerikanis­che Öffentlich­keit warte immer noch auf eine Erklärung darüber, „auf was wir uns eingelasse­n haben“.

Die Tomahawks haben Assad nicht die militärisc­he Fähigkeit zu neuen Giftgasang­riffen genommen, weshalb sich die Frage erhebt, wo die Schwelle für erneute Us-luftschläg­e liegt. Unklar ist unter anderem, ob sich Trumps Wut nur auf einen Giftgasein­satz bezieht, andere schrecklic­hen Aspekte des an Grausamkei­ten reichen Syrien-krieges aber ignoriert. Die Zusammenar­beit mit Russland wird zunächst einmal deutlich schwierige­r.

 ?? Foto: afp ?? Schwere Beschädigu­ngen an den Bunkern für die syrischen Kampfjets zeigt diese aktuelle Aufnahme des Luftwaffen­stützpunkt­s der syrischen Armee in Al Shairat. Das US Militär hatte die Anlage mit 58 Marschflug­körpern attackiert.
Foto: afp Schwere Beschädigu­ngen an den Bunkern für die syrischen Kampfjets zeigt diese aktuelle Aufnahme des Luftwaffen­stützpunkt­s der syrischen Armee in Al Shairat. Das US Militär hatte die Anlage mit 58 Marschflug­körpern attackiert.

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