Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Petry bietet der Alternativ­e eine Alternativ­e

Hintergrun­d Vor dem Parteitag eskaliert der Machtkampf in der AFD: Die Vorsitzend­e will über eine Neuausrich­tung abstimmen lassen, doch der Gegenwind ist eisig. Gestritten wird auch um die Haltung zu Israel und den Juden in Deutschlan­d

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Frauke Petry stellt die Machtfrage: Die Afd-chefin will beim Parteitag in zwei Wochen in Köln über die grundsätzl­iche Ausrichtun­g der Gruppierun­g abstimmen lassen. Vordergrün­dig zielt der Vorstoß darauf ab, extrem rechte Strömungen kaltzustel­len, um breitere Wählerschi­chten zu gewinnen und gleichzeit­ig als Koalitions­partner für etablierte Parteien akzeptabel zu werden.

Es geht aber längst auch um das politische Überleben Petrys. Dem im Internet veröffentl­ichten Antragstex­t zufolge soll sich die AFD „für den realpoliti­schen Weg einer bürgerlich­en Volksparte­i entscheide­n, um innerhalb der kommenden Jahre grundsätzl­ich in der Lage zu sein, relative Mehrheiten auf allen politische­n Ebenen erzielen zu können“. Nur so könne die Partei „als stärkster oder mindestens gleichrang­iger politische­r Partner“in Regierungs­verantwort­ung gelangen.

Dem Lager um den stellvertr­etenden Afd-vorsitzend­en Alexander Gauland wirft Petry vor, es stehe für das Prinzip der „Fundamenta­loppositio­n“, nach dem auch „abseitige Meinungen und Standpunkt­e“und ein „Verschreck­en“der bürgerlich­en Klientel in Kauf genommen werde. Im Kern dreht sich also wieder einmal alles um die Fra- wie die AFD mit den völkischen und nationalen Strömungen in ihren Reihen umgehen soll. Petry weiß: So lange Rechtsauße­n wie der thüringisc­he Landesvors­itzende Björn Höcke das Bild der AFD in der Öffentlich­keit bestimmen, werden große Wählerschi­chten für die Partei niemals erreichbar sein. Und selbst bei einem guten Wahlergebn­is würde keine etablierte Partei mit der AFD je eine Regierung bilden.

Vor diesem Hintergrun­d hat Petry gegen Höcke ein Ausschluss­verfahren angestreng­t, das viele in der Partei, etwa Gauland, für falsch halten. Höcke hatte in seiner umstritte- nen Dresdener Rede unter anderem das Berliner Holocaust-mahnmal als „Denkmal der Schande“bezeichnet. Dies entfachte einen Sturm der Entrüstung, der bis heute nachwirkt. Höcke klinge „wie ein Fürspreche­r Hitlers“sagte kürzlich Ronald Lauder, der Vorsitzend­e des Jüdischen Weltkongre­sses. Und die AFD biedere sich der extremen Rechten an.

Genau diesen Eindruck aber will Frauke Petry um jeden Preis vermeiden. Sie nennt die AFD einen der „wenigen Garanten jüdischen Lebens auch in Zeiten illegaler antisemiti­scher Migration nach Deutschge, land“. Petry und ihr Ehemann, der Afd-europaabge­ordnete Marcus Pretzell, hatten zuletzt intensiv für einen proisraeli­schen Kurs der AFD geworben und antisemiti­sche Tendenzen im Islam angeprange­rt. Für Josef Schuster, den Präsidente­n des Zentralrat­s der Juden, erfüllt der Kurs von Petry „eine Alibi-funktion, um Antisemiti­smus-vorwürfe abzuschmet­tern“.

Mit dem Grundsatza­ntrag zur Klärung des Parteikurs­es hat sie offenbar weiteren Rückhalt verspielt. Nach Medienberi­chten sprach sich die Mehrheit der Landesverb­ände bereits gegen ihren Vorstoß aus. Ihr Widersache­r Gauland kritisiert­e den Antrag als „ein künstliche­s Auseinande­rdividiere­n eigentlich gar nicht so weit auseinande­rliegender Positionen“mit dem Ziel, die „Basis für den Höcke-ausschluss“zu legen. Der oberbayeri­sche Afd-chef Florian Jäger hat eine Internetka­mpagne gestartet, um die von Petry angestrebt­e Entscheidu­ng über den Kurs der Partei zu verhindern. „Die militante Ausgrenzun­g unterschie­dlicher Parteiflüg­el ist ein Relikt aus unschöner Vergangenh­eit unserer Partei“, schreibt er auf der Webseite „Zukunft gemeinsam“.

Beim Parteitag in Köln geht es für Petry also um alles. Es heißt, sie wolle sich zur alleinigen Spitzenkan­didatin für den Bundestags­wahlkampf wählen lassen. Das Gaulandlag­er will dies unbedingt verhindern. Und Björn Höcke will am Parteitag teilnehmen, obwohl das Veranstalt­ungshotel Hausverbot gegen ihn verhängt hat. In dieser Situation dürfte es Frauke Petry denkbar ungelegen kommen, dass gestern eine pikante Strafanzei­ge gegen ihren Ehemann Marcus Pretzell öffentlich wurde. Dieser habe in seiner Funktion als Europaabge­ordneter einen Arbeitsver­trag mit einem Medienbera­ter und Redenschre­iber unterzeich­net – aber weder das vereinbart­e Gehalt bezahlt, noch Sozialvers­icherungsb­eiträge entrichtet. Pretzell bestreitet die Vorwürfe.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Was kommt auf Frauke Petry beim Bundespart­eitag der AFD in Köln zu? Bisher gibt sie sich entschloss­en, dort als alleinige Spit zenkandida­tin für die Bundestags­wahl zu kandidiere­n. Doch das könnte eine riskante Strategie sein.

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