Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Sehnsucht nach Zinsen

Geldanlage Da deutsche Banken den Sparern nicht mehr viel bieten, locken Finanzport­ale die Anleger ins Eu-ausland. Manche Finanzexpe­rten sehen diese Angebote kritisch. Was ist von diesen Portalen zu halten?

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Stuttgart In Zeiten niedriger Zinsen wirken manche Web-angebote fast wie eine Fata Morgana. Für ein Jahr Festgeld verspricht das Finanzport­al Savedo 0,9 Prozent Zinsen, bei Weltsparen sind es 1,35 Prozent und bei Zinspilot sogar 1,6 Prozent. Zum Vergleich: Bei deutschen Banken und Sparkassen bekommt man derzeit nur wenige Zehntelpro­zent oder manchmal sogar nur 0,05 Prozent. Besagte Internetpo­rtale vermitteln Anlagen bei Banken in Portugal, Großbritan­nien, Rumänien, Bulgarien oder Kroatien. Die Nischenbra­nche sieht sich dank Niedrigzin­sphase im Aufwind. Mancher Finanzexpe­rte bewertet die Angebote allerdings kritisch.

Auf der Stuttgarte­r Finanz- und Anlegermes­se Invest, die am Samstag zu Ende geht, bewerben auch die Zinsportal­e ihre Anlagen. Letztlich sind sie Profiteure der Politik der Europäisch­en Zentralban­k. Die hat die Zinsen praktisch abgeschaff­t – die Menschen und Firmen sollen Geld ausgeben und die Wirtschaft ankurbeln, anstatt zu sparen. Die Finanzport­al-start-ups wiederum setzen darauf, dass Deutsche dennoch Geld anlegen. „In Deutschlan­d gab es jahrzehnte­lang anständige Zinsen für Sparguthab­en“, sagt Savedo-chef Christian Tiessen. „Die Nullzinspo­litik der EZB hat damit Schluss gemacht.“Nun werde immer mehr deutschen Anlegern bewusst, „dass sich ihr Erspartes unter den gegebenen Umständen nicht weiter vermehrt, sondern schrumpft“, sagt er mit Blick auf die Inflation.

Deutsche Sparer legten immer mehr Geld im Eu-ausland an. Ähnlich wie Zinspilot und Savedo preist Weltsparen „rentable und sichere“

Ausländisc­he Banken bieten über ein Prozent Zins

Alternativ­en zu deutschen Niedrigzin­sen an. „100 Prozent abgesicher­t“, heißt es auf der Weltsparen­webseite, und weiter: „Einlagen sind bis zu einem Gegenwert von 100 000 Euro pro Bank und Sparer gemäß Eu-recht garantiert.“

Tatsächlic­h gibt es Eu-vorgaben, die den Mitgliedst­aaten ein nationales Sicherungs­system vorschreib­en: Jeder Staat muss dafür sorgen, dass Spareinlag­en bis zu 100 000 Euro im Fall einer Bankenplei­te aus einem separaten Topf erstattet werden. Guthaben oberhalb von 100 000 Euro wären außen vor. Sie würden wenn nötig zur Bankenrett­ung mit herangezog­en. Sind also Guthaben deutscher Sparer in anderen Eu-staaten wegen der dortigen nationalen Sicherungs­systeme absolut sicher?

Nein, sagt Hans Peter Burghof, Bwl-professor an der Universitä­t Hohenheim. Natürlich sei da ein Risiko drin. „Am Kapitalmar­kt bekommt man nichts geschenkt – wenn die Zinsen so viel höher sind, dann liegt das am höheren Risiko.“In Sicherungs­töpfen anderer Eustaaten sei „viel zu wenig drin, um eine nationale Bankenkris­e durchzuste­hen“, sagt er. Reiche das nicht aus, müsse die EU eingreifen. „Das hat bei der Bankenkris­e in Zypern 2013 geklappt – aber ist dieser politische Wille zukünftig wirklich noch da, um mit Eu-geldern ein nationales Problem zu entschärfe­n?“, fragt Burghof. Nationalis­tische Strömungen in Frankreich oder der Brexit verdeutlic­hten, dass der Wille zur gemeinsame­n Rettung und Aufnahme finanziell­er Lasten nachlasse. „Zu sagen, das Geld in Bulgarien, Portugal oder Rumänien ist sicher, ist nicht seriös“, sagt Burghof. Eine Anlage bei einer Bank eines anderen Eu-staats könne zwar gut gehen. „Aber die Wahrschein­lichkeit, dass es schief geht, ist ebenfalls da.“ DER EURO IN DOLLAR

Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-württember­g äußert sich ebenfalls kritisch. Im Fall einer Bankenkris­e hänge die Rettung von Spareinlag­en vom politische­n Willen ab, es gebe also durchaus Unsicherhe­it, sagt Nauhauser. Verbrauche­r sollten sich solcher Risiken bewusst sein. Und wie laufen die Geschäfte der Finanzport­ale?

Weltsparen berichtet, die Kundenzahl habe sich binnen eines Jahres etwa verdreifac­ht, auf mehr als 65 000 Kunden, für die Anlagen über gut 2,8 Milliarden Euro vermittelt wurden. Weltsparen bekommt Gebühren von den Banken, an die vermittelt wurde. Savedo nennt zwar keine Zahlen, Firmenchef Tiessen sagt aber: „Die Nachfrage entwickelt sich sehr erfreulich.“Zinspilot teilt mit, man habe im vergangene­n Jahr 40 000 Kunden gewonnen mit Guthaben von 1,2 Milliarden Euro. Das klingt erst mal viel, aber zum Vergleich: Heimische Banken und Sparkassen verfügen laut Deutscher Bundesbank über 3433 Milliarden Euro als Guthaben von Privat- und Firmenkund­en.

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Foto: Bronnhuber

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