Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sondermüll­deponie: Jetzt ist Schluss

Entsorgung Rund 2,3 Millionen Kubikmeter giftiger Abfall sind im Aichacher Stadtteil Gallenbach verfüllt. Die rund 40-jährige Geschichte des „Monte Mannert“wurde begleitet von Protesten, Skandalen und Klagen Kommentar

- VON CLAUDIA BAMMER VON CLAUDIA BAMMER bac@augsburger allgemeine.de

Aichach Gallenbach Das Ende war angekündig­t: Anfang 2017 sollte die Sondermüll­deponie Gallenbach verfüllt sein. Jetzt ist dort Schluss, bestätigt Karl-heinz Meyer, Pressespre­cher der Regierung von Schwaben, auf Anfrage unserer Zeitung. Eine Nachricht, die im Wittelsbac­her Land Freude auslöst, hat es doch in früheren Jahren Klagen und Proteste im müllbewegt­en Landkreis gegeben. Nun steht für giftigen Müll auch aus dem Raum Augsburg die Sonderabfa­lldeponie Raindorf bei Fürth zur Verfügung.

Angefangen hatte alles mit Hausmüll: Als „Müllzar“Paul Mannert im September 1972 mit der Einlagerun­g in den Gallenbach­er Berg an der B300 in Sichtweite der Autobahn anfing, waren die oberbayeri­schen und schwäbisch­en Landkreise (damals Aichach, Friedberg, Augsburg und Starnberg) und die Bürgermeis­ter dankbar. Er löste das Problem der vielen wilden und kommunalen Müllkippen. Der Sondermüll war ein eigenes Kapitel: Der Landkreis und die damals noch selbststän­dige Gemeinde Gallenbach (heute Stadt Aichach) konnten nicht verhindern, dass Mannert 1974 den südlichen Teil seiner Deponie an die halbstaatl­iche Gesellscha­ft für Sonderabfa­llentsorgu­ng Bayern (GSB) abtrat und der erste Planfestst­ellungsbes­chluss erging.

Der damalige Umweltstaa­tssekretär Alfred Dick sprach bei der Eröffnung von maximal 15 Jahren Laufzeit und 1,4 Millionen Kubikmeter Sondermüll. Das wäre vor 28 Jahren gewesen. 1976 kam ans Licht, dass die GSB 2500 Giftmüllfä­sser nach Gallenbach gebracht hat. Die Polizei sicherte ihren Abtranspor­t ab. 1982 stieg eine Chorgaswol­ke auf, 1984 wurde dioxinhalt­iger Filterstau­b aus einer Müllverbre­nnungsanla­ge in Hessen angeliefer­t. Dioxin hatte sich kurz zuvor durch einen verheerend­en Chemieunfa­ll im italienisc­hen Seveso ins kollektive Gedächtnis gebrannt.

In Dasing gründete sich eine Bürgerinit­iative, die Strafantra­g stellte, ebenso Aichachs damaliger Bürgermeis­ter Alfred Riepl. Auch gegen die Hausmüllde­ponie formierte sich in den 1980er Jahren massiver Protest: Gestank, Krähen-schwärme und Arsen im Grundwasse­r unterhalb des „Monte Mannert“brachte Bürger und Kommunalpo­litik auf die Barrikaden. 1985 demonstrie­rten 4000 Menschen vor der Regierung von Schwaben. 1992 war die Hausmüllde­ponie voll: 2,5 Millionen Kubikmeter – ein Volumen wie die Münchner Allianz-arena.

Die Sondermüll­halde sorgte weiter für Aufregung. 1986 hatte das Landesamt für Umweltschu­tz begonnen, die Deponie zu vermessen. Das Ergebnis lag erst 16 Jahre später vor: In den 1990er Jahren wurden demnach rund 400 000 Kubikmeter zu viel deponiert. Die GSB wollte die illegale Erhöhung im Nachhinein legalisier­en und gleichzeit­ig eine Erweiterun­g genehmigt bekommen. Gegen den Planfestst­ellungsbes­chluss klagten der Landkreis Aichach-friedberg, die Stadt Aichach, die Gemeinde Dasing und der Affinger Marian Freiherr von Gravenreut­h. Sie einigten sich schließlic­h mit dem Freistaat – inzwischen Deponiebet­reiber – auf einen Vergleich. Festgelegt wurden die maximale Müllberghö­he (512 Meter) und ein Ende der Verfüllung spätestens 2019. 2010 wurde bei gleichblei­bender Anlieferun­g mit einem Ende 2013 gerechnet, 2012 ein „Messfehler“bekannt: Es war noch Platz für 200 000 Kubikmeter. Aber jetzt ist das Ende erreicht. 2,3 Millionen Kubikmeter Sondermüll sind dort nun laut GSB verfüllt.

Etwa 80 Prozent des Areals ist bereits rekultivie­rt. Noch in diesem Jahr sollen die Arbeiten am zuletzt verfüllten Teil beginnen und 2018 abgeschlos­sen werden. Etwa 2,3 Meter dick wird die Oberfläche­nabdichtun­g. Das „Ende von Gallenbach“bedeutet das aber noch lange nicht: Die Nachsorge wird mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Grund- und Sickerwass­er muss untersucht, Deponiegas behandelt werden. Weil aggressive­s Sickerwass­er laut Behörden natürlich vorkommend­es Arsen aus dem Boden löst, muss wie seit Jahrzehnte­n bei der benachbart­en Hausmüllde­ponie das Grundwasse­r extra aufbereite­t werden. Der Plan sieht für die Nachsorge einen Zeitrahmen von 30 Jahren vor. Die Regierung rechnet laut Meyer aber damit, dass es deutlich länger dauert. Die Kosten trägt der Betreiber, also der Freistaat.

Anders bei der Hausmüllde­ponie, für die nach dem Konkurs Mannerts Mitte der 1990er Jahre die Regierung zuständig ist: Die Nachsorge zahlen die Kreise Aichach-friedberg, Augsburg und Starnberg zu etwa zwei Dritteln, ein Drittel trägt der Freistaat. Sie endet wohl 2044.

Hoffnungen auf eine „Besteigung“brauchen sich Freizeitsp­ortler aber nicht zu machen: Eine Öffnung zur Naherholun­g wie beim Augsburger Müllberg in Gersthofen ist nicht geplant. »Kommentar Sondermüll­deponie »

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Foto: Erich Echter Die Sondermüll­deponie Gallenbach (vorderer Teil) ist voll: Noch in diesem Jahr soll die Rekultivie­rung des letzten Abschnitts beginnen. Im Hintergrun­d ist die Hausmüllde ponie zu sehen, auf der bereits Bäume wachsen. Am unteren Rand der Deponie führt die B300 vorbei.

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