Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum man das Wohnzimmer einer Stadt pflegen muss Debatte
Die Augsburger verbringen ihre Zeit gerne auf Plätzen: sitzend, liegend, stehend. Das ist wunderbar. Damit das auf Dauer so bleibt, sind wir alle gefragt
Freiheit, einfach so in der Stadt zu sein. Und wenn wir uns schon gerne als nördlichste Stadt Italiens rühmen: Auch dort setzt man sich schon einfach auf den Platz. Etwa in Siena. Die Menschen auf dem Rathausplatz machen ihn zum Wohnzimmer. Mehr noch: Wenn dort an schönen Tagen unzählige Gruppen das Flair der Stadt genießen, machen sie den Platz zu einem Wohlfühl-raum. Sie verdrängen die Probleme ganz einfach.
Auch sie gibt es. Menschen, die den Platz tageweise in Beschlag nehmen, zu viel Alkohol trinken, aggressiv werden und/oder zu laute Musik hören. Der Rathausplatz und andere Plätze gehören ihnen auch, keine Frage. Jeder hat die Freiheit, dort zu sein. Doch die persönliche Freiheit endet eben dort, wo dadurch andere Menschen beeinträchtigt werden. Daher ist es richtig, dass die Stadt einen genauen Blick auf die Plätze wirft und eingreifen will. Jedes Wohnzimmer braucht Pflege, denn sonst verkommt es.
Heute geben an schönen Tagen die friedlich Genießenden den Ton rausforderungen größer als am Rathausplatz. Die Mittel sind ähnlich.
Ordnungsdienst und Polizei können helfen. Sobald es zu Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten kommt, müssen sie eingreifen. Sie können auch Gruppen, die Ärger machen oder auf andere unangenehm wirken, vertreiben. Doch eine Lösung ist das nicht – der nächste Platz wartet. Es braucht auch Sozialarbeit. Streetworker, die mit Jugendlichen, Süchtigen oder Trinkern reden. Ideen, wie man junge Menschen aus der Langeweile holen kann. Wer eine Aufgabe hat, wird seine Tage nicht mit Bier auf einem Platz verbringen. Gefragt sind aber auch langfristige Ideen.
Wie sollen unsere Plätze aussehen? Welches Leben wünschen wir uns dort? Was bieten wird dort an? Wie können wir die Menschen anlocken, die für eine gute Atmosphäre sorgen, und zugleich auch Räume für Menschen schaffen, die Probleme haben? Ein wichtiger Baustein ist es, Plätze zu „bespielen“. Wie das funktionieren kann, hat sich am Helmut-haller-platz in Oberhausen gezeigt. Der „Sommer am Kiez“lockte viele Besucher an und der Platz sorgte ganz anders für Schlagzeilen. Für den Königsplatz gibt es die Idee eines Open-air-kinos. Ja, bitte. Ordnungsreferent Dirk Wurm könnte sich vorstellen, temporäre künstlerische Sitzgelegenheiten auf die Plätze zu bringen. Auch gerne. Alles, was die Augsburger auf die Plätze lockt, ist gut. Die Mehrheit prägt die Stimmung dort. Stadt und die Polizei sind gefragt, um die Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn man sich wohl und sicher fühlt wie in einem Wohnzimmer, ist jeder Einzelne gefragt: Wir entscheiden, wie das Leben im Wohnzimmer aussieht.