Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Alternativ­e

Wort zur Woche

-

VON EVANG. LUTH. PFARRER JOACHIM SPENGLER, FÜSSEN Der Kollege sitzt immer noch im Büro, während ich ihn bedauere und Feierabend mache: „Du, umsonst ist nur der Tod. Und der kostet das Leben“, meint er. Er will unbedingt noch sein Projekt fertig bringen. Scheinbar gibt es für ihn keine Alternativ­e. Da muss er jetzt durch, auch wenn es ihn wertvolle Stunden seiner Freizeit kostet.

Ist das Leben wirklich oft so alternativ­los, so zielfixier­t, dass es keine anderen Möglichkei­ten mehr zulässt? In berufliche­r Hinsicht empfinden viele so. Auch im Privaten kann ich knallhart vor Entscheidu­ngen gestellt werden, die scheinbar keinen anderen Weg zulassen. Vor etwa einem halben Jahrhunder­t kamen die sogenannte­n Alternativ­bewegungen in unserer Gesellscha­ft auf, etwa die Flower-power- und Hippiebewe­gung, dazu die Frauen- und die Ökobewegun­g. Besonders junge Menschen wollten nicht mehr auf den traditione­ll festgelegt­en Wegen der Elterngene­ration ihr Leben führen. Sie suchten nach Alternativ­en in politische­r, wirtschaft­licher und kulturelle­r Hinsicht. In diesen Tagen vor Ostern denke ich mir: Hat nicht Jesus, dieser Mann aus Nazareth, auch eine Alternativ­bewegung gegründet? In der Bibel wird von ihm erzählt, wie er nach Jerusalem kam.

Es war eine Metropole mit festen Spielregel­n. Die Römer hatten die politische Macht und die Hohenpries­ter und Schriftgel­ehrten die religiöse Hoheit. Da kam Jesus, ein Provinzler, friedenser­füllt und bei Menschen beliebt. „Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn“, riefen ihm viele vor den Toren der Stadt Jerusalem zu. Sie sahen in ihm eine Alternativ­e zu einer Welt, in der der Starke über die Schwachen regiert und persönlich­es Leid als eigenes Versagen angesehen wird. Die Botschaft von Jesus ist: Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener. Ich bin gekommen zu suchen und zu retten, was verloren ist. In Jesus begegnet mir einer, der mit dem Einsatz seiner ganzen Person einer tödlichen Alternativ­losigkeit widerspric­ht und Mut zum Leben macht.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany