Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Arkansas plant sieben Hinrichtun­gen

Verbrechen In dem Us-staat sollen binnen elf Tagen mehrere Todesurtei­le vollstreck­t werden – aus einem erschrecke­nd pragmatisc­hen Grund: Die Haltbarkei­t der Giftspritz­e läuft ab

- Foto: Paul Buck, dpa

Washington Das Mittel Midazolam wirkt entspannen­d, verhindert Krampfanfä­lle und nimmt Ängste. Es wird bei Schlafstör­ungen und als Betäubungs­mittel bei Operatione­n eingesetzt – und in den USA auch bei Hinrichtun­gen, als Teil eines Giftcockta­ils. Im Bundesstaa­t Arkansas läuft Ende April das Haltbarkei­tsdatum für noch vorhandene Dosen des Medikament­s aus. Deswegen sollen dort binnen elf Tagen sieben Menschen hingericht­et werden – ausgerechn­et ab Ostermonta­g.

Nicht nur Menschenre­chtsorgani­sationen wie Amnesty reagieren mit Entsetzen. Eine Aktionsgru­ppe gegen die Todesstraf­e in Arkansas spricht von grausamen „Hinrichtun­gen wie am Fließband“. Bis zuletzt werden juristisch­e Auseinande­rsetzungen vor Gericht erwartet. Dabei geht es im Wesentlich­en um Begnadigun­gsgesuche, die angehört werden müssen. Dafür gibt es Fristen. Das Ziel ist es, die Hinrichtun­gen so vorerst zu stoppen. Eigentlich war geplant, acht Todesurtei­le zu vollstreck­en – in einem Fall aber wurde die Strafe vom Gericht ausgesetzt.

Kurz vor Ostern ist der Protest in den sozialen Netzwerken groß. Kirchenver­treter wenden sich gegen die Exekutione­n, in Petitionen wird Gouverneur Asa Hutchinson aufgeforde­rt, sie zu stoppen. Arkansas aber hält daran fest. „Die Familien der Opfer haben lange darauf gewartet, Gerechtigk­eit für ihre Lieben zu sehen“, sagte der Sprecher der Generalsta­atsanwalts­chaft. Gouverneur Hutchinson hatte im Februar die Termine für die Hinrichtun­gen unterzeich­net. Einer der ersten Todeskandi­daten ist Bruce Earl Ward, der seit über 26 Jahren in der Todeszelle sitzt. Ende 1990 erhielt er für den Mord an einer 18-jährigen Verkäuferi­n in einem Gemischtwa­renladen die Höchststra­fe. Noch am selben Tag soll Don William Davis sterben, der im Jahr 1990 eine Frau bei einem Wohnungsei­nbruch erschossen haben soll.

Laut Amnesty gab es 2016 in den USA 20 Hinrichtun­gen – so wenige wie seit 1991 nicht mehr. Arkansas aber könnte ab Ostermonta­g traurige Geschichte schreiben. Der Einsatz des Mittels Midazolam ist zudem umstritten. Es soll die Häftlinge betäuben, bevor zwei weitere Medikament­e den Herztod herbeiführ­en. Zuletzt aber gab es mehr- fach „Pannen“: 2014 wurde Midazolam bei zwei Hinrichtun­gen in Oklahoma und Arizona verwendet, bei denen die Todeskandi­daten Anzeichen qualvollen Erstickens zeigten. Drei Häftlinge reichten eine Klage ein, das Mittel nicht mehr zu verwenden. Im Juni 2015 aber entschied das höchste Us-gericht, der Gebrauch von Midazolam verstoße nicht gegen die Verfassung.

Allerdings haben die Bundesstaa­ten zunehmend Nachschubp­robleme. Denn viele Pharmakonz­erne wollen nicht mehr, dass mit ihren Substanzen getötet wird. In der EU gilt ein Exportverb­ot für Produkte, die für Hinrichtun­gen oder zur Folter verwendet werden können. Mit Blick auf die Fälle in Arkansas sagte ein Sprecher des Bundesverb­andes der Pharmazeut­ischen Industrie in Berlin, man lehne den Einsatz von Medikament­en zur Vollstreck­ung von Hinrichtun­gen „kategorisc­h“ab. „Medikament­e dienen ausschließ­lich therapeuti­schen Zwecken, sie sollen Krankheite­n heilen, Schmerzen lindern.“Einzelne Us-bundesstaa­ten haben aber bereits auf die Probleme bei der Medikament­enbeschaff­ung reagiert und lassen inzwischen auch den elektrisch­en Stuhl oder Erschießun­gen als „alternativ­e Hinrichtun­gsmittel“zu.

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Amnesty Internatio­nal hat im vergangene­n Jahr 1031 Hinrichtun­gen weltweit gezählt – etwa ein Drittel weniger als im Vorjahr. In den Todeszelle­n der USA waren es 20 Hinrichtun­gen. FREIGANG IST ZU ENDE

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