Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum das Augsburger Huhn ein Pechvogel ist

Natur Im Jahr 1870 schuf ein Haunstette­r eine ganz besondere Hühnerrass­e mit Krone. Heute sind die Tiere sehr selten und gefährdet. Doch Anton Schneider und seine Kollegen wollen sie retten

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Kennen Sie eigentlich das Augsburger Huhn? Falls nicht: Kein Wunder, es ist so selten, dass es fast so schwer zu finden ist, wie der Osterhase. Von der Popularitä­t des eierverste­ckenden Vierbeiner­s ist das Augsburger Huhn weit entfernt. Dabei hätte der gefiederte Freund eine größere Bekannthei­t wohlverdie­nt. Schließlic­h verkörpert das Federvieh aus Augsburg die einzige in Bayern erzüchtete Hühnerrass­e.

Die Mama des Augsburger Urhuhns war eine rassige Südländeri­n aus Livorno – das Lamotta-huhn. Der Papa war ein Franzose namens La Flèche. Verkuppelt wurden die beiden bereits 1870 durch den Züchter Julius Meyer aus Haunstette­n. Weil das Lamotta empfindlic­h auf das schwäbisch­e Klima reagierte, kreuzte er es mit dem für seine Robustheit und Fleischqua­lität bekannten La Flèche. Als Kind dieser Liebe entstand das Augsburger Huhn. Besonderes Kennzeiche­n: ein markanter, an eine Krone erinnernde­r Kamm. Seinerzeit genoss das Augsburger Huhn deutschlan­dweit einen erstklassi­gen Ruf. Als „Zwiehuhn“(Zweinutzun­gshuhn) erfüllte es gleich zwei Aufgaben, diente als Eierliefer­ant und als Braten gleicherma­ßen.

Heute dagegen kräht kaum mehr ein Hahn nach dem Huhn. In der Roten Liste der Gesellscha­ft zur Erhaltung alter und gefährdete­r Haustierra­ssen e. V. wird der gekrönte Vogel als extrem gefährdet eingestuft. Einer der Gründe ist, dass der charakteri­stische Kronenkamm sich ursprüngli­ch nicht so vererbte wie gewünscht, weshalb 1905 die Verbreitun­g der Rasse durch Zuchtstati­onen für eine Weile verboten wurde. Kaum hatte sich das Augsburger Huhn durch die Zuwendung einiger engagierte­r Züchter einigermaß­en erholt, hatte erneut jemand ein Hühnchen mit ihm zu rupfen: Mit der Schnellleb­igkeit, welche die Industrial­isierung der Landwirtsc­haft mit sich brachte, kam das gemütliche Augsburger Huhn im Gegensatz zum modernen Turbo-huhn nicht zurecht. Der Augsburger gilt zudem als nicht käfigfähig, was ihn für die Massentier­haltung uninteress­ant macht. Dem ehemaligen Automechan­iker Anton Schneider aus Friedberg-rederzhaus­en ist das egal.

Der 71-Jährige ist der erste Vorsitzend­e des Sondervere­ins der Züchter des Augsburger Huhnes und der Zwerg-augsburger. Der Rentner hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Augsburger Huhn als gackerndes Kulturgut zu erhalten. In Schneiders Garten leben derzeit zehn Augsburger Hühner und ein Hahn, sowie etwa 50 Küken. Zwischen 160 und 180 Eier im Jahr produziert das Augsburger Rassegeflü­gel. Die Eier sind lediglich für den Eigenverbr­auch für die Familie und

Er bringt es nicht übers Herz, Tiere zu schlachten

Bekannte bestimmt. Bei Anton Schneider und seinen Kollegen leben die Augsburger Hühner, wie es ihnen gefällt. Und das bis zum Rentenalte­r: „Ich bringe es nicht übers Herz, Hühner, die für die Zucht nicht wertvoll sind, zu schlachten“, verrät Anton Schneider.

Die prächtigst­en seiner Hühner nehmen an Schönheits­wettbewerb­en teil. Die heißen zwar nicht Germany’s Next Top Chicken, doch geht es auch bei den jungen Hühnern um Äußerlichk­eiten. Vor allem die Krone der Schöpfung wird bewertet: Nur wenn die beiden Kammhälfte­n möglichst gleich aussehen und hinten geschlosse­n wirken, gibt es gute Noten von den Preisricht­ern. Mittlerwei­le ist es zwar gelungen, reinerbige Augsburger Hühner zu züchten, doch von 40 Eiern entstehen mit viel Glück vielleicht zehn Kronenkämm­e, von denen wiederum nicht alle ausstellun­gsfähig sind.

Um die inneren Werte des Augsburger Huhns geht es dagegen der Slow-food-bewegung. Die hiesige Slowfood-dependance Convivium Augsburg bemüht sich in Zusammenar­beit mit dem Holler-hof in Augsburg darum, das schwäbisch­e Schnabelti­er als Fleischspe­zialität zu verbreiten. „Das Augsburger Huhn ist anspruchsv­oller in der Haltung und der Zubereitun­g als ein modernes Turbo-huhn“, weiß Marianne Wager von Convivium Augsburg. Zum Glück für den Augsburger, denn so kann er sich bei den wenigen Züchtern, die ihn weiterhin wertschätz­en, fühlen wie der Hahn im Korb.

„Meine Hühner haben Gras und Auslauf, deswegen schmecken die Eier auch besser als aus dem Supermarkt“, ist Anton Schneider überzeugt. „Das Augsburger Huhn liebt die Freiheit“, weiß Schneider. „Die brauchen Auslauf, die möchten sausen.“Neben ihrer Freiheit genießen Schneiders wilde Hühner auch das Vertrauen ihres Züchters. Er muss seine Vögel nicht einsperren, ist der Züchter überzeugt: „Die haben hier alles, was sie brauchen, die haben keinen Grund, wegzuflieg­en.“So ist das Wichtigste, was uns das Augsburger Huhn zu Ostern schenken kann weder Fleisch noch Ei, sondern eine Erkenntnis: Liebe und Freiheit müssen sich nicht zwingend widersprec­hen.

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Fotos: Michael Eichhamer Im Garten von Anton Schneider leben zehn Augsburger Hühner und auch ein Hahn ist dabei. NEUSÄSS/AUGSBURG
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Anton Schneider zeigt eines der aktuell 50 Küken. FRIEDBERG

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