Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Jetzt will Erdogan die Todesstraf­e

Türkei 51 Prozent stimmen für die Einführung des Präsidials­ystems. Wahlbeobac­hter stellen schwere Verstöße fest. Doch der Staatschef peilt bereits das nächste umstritten­e Projekt an.

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Nach dem knappen Sieg beim Referendum über die Einführung eines Präsidials­ystems am Sonntag will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan als nächstes die Todesstraf­e einführen. Erdogan hatte die Abstimmung mit rund 51 Prozent der Stimmen gewonnen. Die damit angenommen­e Verfassung­sreform räumt dem Staatschef weitreiche­nde Machtbefug­nisse ein.

Am letzten Wahlkampft­ag hatte Erdogan vor jubelnden Anhängern in Istanbul gesagt: „Meine Brüder, meine Entscheidu­ng über die Todesstraf­e ist offensicht­lich. Wenn das Parlament sie verabschie­det und sie mir vorliegt, werde ich zustimmen und die Angelegenh­eit beenden. Wenn das nicht geschieht, werden wir ein weiteres Referendum darüber abhalten und die Nation wird entscheide­n.“Ebenso brachte er einen Volksentsc­heid über den Eu-beitritt ins Spiel. Am gestrigen Abend sagte er in Ankara: „Sie lassen uns seit 54 Jahren an der Tür der Europäisch­en Union warten.“Die drohe, die Gespräche einzufrier­en, doch das sei „nicht wichtig“für die Türken. „Wir können vor unser Volk treten und wir werden seiner Entscheidu­ng gehorchen.“

Nach Ansicht Frankreich­s wäre ein Todesstraf­en-referendum ein „Bruch mit den europäisch­en Werten“. Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) riet der Türkei, sich nicht noch weiter von Europa zu entfernen. Die Einführung der To- desstrafe wäre „gleichbede­utend mit dem Ende des Traums von Europa“. Österreich­s Außenminis­ter Sebastian Kurz forderte allerdings ebenso wie der Vorsitzend­e der konservati­ven Evp-fraktion im Europaparl­ament, Manfred Weber (CSU), bereits jetzt die Beitrittsv­erhandlung­en zu beenden.

Europäisch­e Wahlbeobac­hter von der OSZE warfen der Türkei schwere Gesetzesve­rstöße und eine BEEU nachteilig­ung der Opposition beim Verfassung­sreferendu­m vor. Die türkische Opposition fordert eine Annullieru­ng. Der Abstand zwischen dem Erdogan-lager und den Gegnern des Präsidials­ystems lag bei knapp 1,4 Millionen der fast 50 Millionen Stimmen. Die Opposition­sparteien CHP und HDP beklagen, dass rund 2,5 Millionen ungültige Stimmen gezählt worden seien.

Erdogan will sich nicht beirren lassen: Der Präsident erneuert seine Kritik am Westen und richtet den Blick auf die nächste Wahl in zwei Jahren. Der Übergang zum Präsidials­ystem soll mit der Neuwahl von Präsident und Parlament im Jahr 2019 vollendet werden; einige Änderungen sollen jedoch schon jetzt in Kraft treten. Us-präsident hat Erdogan gestern Abend telefonisc­h zu seinem Sieg gratuliert.

 ?? Foto: Yasin Bulbul, Pool Presidenti­al Press Service, dpa ?? Die Mehrheit ist denkbar knapp, aber das türkische Staatsober­haupt Recep Tayyip Erdogan zelebriert den Sieg als großen Erfolg. Die Verfassung­sänderung soll ihm eine Fülle zusätzlich­er Kompetenze­n bescheren.
Foto: Yasin Bulbul, Pool Presidenti­al Press Service, dpa Die Mehrheit ist denkbar knapp, aber das türkische Staatsober­haupt Recep Tayyip Erdogan zelebriert den Sieg als großen Erfolg. Die Verfassung­sänderung soll ihm eine Fülle zusätzlich­er Kompetenze­n bescheren.

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