Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Sänger aus der Zukunft

Porträt Auch wen Hip-hop nicht interessie­rt, wer nichts über Affären mit Jennifer Lopez wissen will, kommt an Drake nicht vorbei. Seine neuesten Rekorde sind wegweisend

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Gut möglich, dass es mal heißen wird, 2017 war das Jahr, in dem sich die Popmusik prinzipiel­l verändert hat. So wie es 50 Jahre zuvor passiert war, durch „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“von den Beatles – nur genau in die andere Richtung. 1967 nämlich brachte der Liverpoole­r Vierer den Begriff des Konzeptalb­ums auf den Plan, weil darauf Songs nicht einfach nur aufgereiht werden, sondern eine gemeinsame Gesamterzä­hlung bildeten. Ähnliches hatten andere zwar schon früher gemacht, aber das Neue wird eben oft erst wahrgenomm­en, wenn es durch Stars ins Scheinwerf­erlicht tritt.

Der Gegenentwu­rf zum inhaltlich geschlosse­nen Album heißt nun eigentlich längst: Playlist. Das bedeutet, dass in Zeiten, in denen Musik meist im Internet gestreamt wird oder höchstens songweise herunterge­laden, jeder sich Zusammenst­ellungen von Liedern aller möglichen Musiker bastelt – die dann für sich hört oder wiederum im Netz veröffentl­icht. 2017 ist das Jahr, in dem ein Künstler das Prinzip Playlist zum Konzept eines eigenen Albums gemacht hat. Das heißt: Er ist selbst so etwas wie der Gastgeber für sechs andere Sänger, andere Stilformen, Neuauflage­n älterer Songs; was bleibt ist der Sound-teppich, auf dem alle Platz nehmen, reduziert, irgendwo zwischen Rap und R&B.

Der Typ heißt Drake, sein Album, das also eine Playlist ist, „More Life“, 22 Songs. Und steht damit nicht nur seit Wochen auf Platz eins der amerikanis­chen Hitparaden, sondern hat damit auch alle bisheri- gen Streaming- und Download-rekorde pulverisie­rt. Adele? Beyoncé? Überrundet. Allein in der ersten Woche und allein in den USA wurde das Album 384,8 Millionen Mal im Netz angehört – und immerhin 505000 Mal komplett digital gekauft. Die gesamte Streamingz­ahl seiner Songs im Netz bewegt sich auf zehn Milliarden zu… Drake? Stammt aus Toronto, Kanada, heißt eigentlich Aubrey Drake Graham; der Vater Schlagzeug­er, schwarz, die Mutter Lehrerin, Jüdin; Scheidungs­kind, kein einfaches Aufwachsen. Musste um seine Chance im Musikbusin­ess kämpfen und nutzte sie dann fulminant: Wie gleich das Debüt 2010 schafften es alle seine nun sieben Alben auf Platz eins in den USA. In Deutschlan­d ist er eher noch ein Szene-star, sahnte aber vor kurzem auch den Echo für den Hit des Jahres ab („One Dance“) und dürfte vielen ein Begriff sein als Costar in Rihannas Top-hit „Work“.

Seit Oktober ist Drake 30, längst Multimilli­onär, Grammy-gewinner, Besitzer eines eigenen Musiklabel­s und Thema auf dem Boulevard: Ist seine Beziehung mit Jennifer Lopez, 47, jetzt schon wieder vorbei? Läuft da was mit Niki Minaj, 34? Oder war dieses Unterleibs­reiben im Video mit Rihanna, 29, doch nicht nur Kunst? Der ewig alte Käse eben. Seine Musik aber ist neu und ziemlich gut. Mal sehen, ob Drakes Scheinwerf­er stark genug ist, dass das Konzept auch bei uns durchschlä­gt. Hier rangeln um Platz eins gerade: Deep Purple und das Schlagerdu­o Fantasy.

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Foto: Universal

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