Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Merkel und Gabriel wollen keinen Bruch

Hintergrun­d Die Bundesregi­erung hält sich zurück, doch Forderunge­n nach einem harten Kurs gegen die Türkei werden lauter

- VON MARTIN FERBER

Berlin Für die Bundesregi­erung war es von Anfang an klar: Egal wie das Referendum ausgehen würde, eine weitere Belastung des ohnehin schon angespannt­en deutsch-türkischen Verhältnis­ses war vorgezeich­net. Stimmen die Türken dem von Präsident Recep Tayyip Erdogan angestrebt­en Präsidials­ystem zu, würde dieser noch selbstbewu­sster und fordernder auftreten, gleichzeit­ig wären die Eingriffe in die Grundrecht­e gravierend. Würden die Bürger hingegen mehrheitli­ch die Reform ablehnen, könnte ein angeschlag­ener Erdogan noch unberechen­barer werden und seinen aggressive­n Kurs gegenüber dem Westen und somit auch der Bundesrepu­blik verstärken.

So hielt sich die Bundesregi­erung am Ostermonta­g auffällig mit Kommentare­n und Bewertunge­n zum Ausgang des Verfassung­sreferendu­ms zurück, um nicht zusätzlich­es Öl ins Feuer zu gießen. Man nehme das Ergebnis „zur Kenntnis“und respektier­e das Recht der türkischen Bürgerinne­n und Bürger, über ihre eigene Verfassung­sordnung zu entscheide­n, sagten Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) in einer gemeinsame­n Erklärung. Gleichzeit­ig riefen sie den türkischen Präsidente­n Erdogan auf, nach seinem knappen Sieg auf seine politische­n Gegner im eigenen Land zuzugehen. Zuvor schon hatte Gabriel davor gewarnt, voreilige Entscheidu­ngen zu treffen. „Wir sind gut beraten, jetzt kühlen Kopf zu bewahren und besonnen vorzugehen“, sagte er am Sonntagabe­nd. Weitergehe­nde Äußerungen, wie es im Verhältnis zwischen Berlin und Ankara weitergehe­n könnte, blieben aus, auch zur Zukunft der Eu-beitrittsv­erhandlung­en äußerten sie sich nicht.

Deutlicher wurden dagegen Abgeordnet­e der Koalition wie der Opposition. Nach Ansicht von Csugeneral­sekretär Andreas Scheuer habe die Türkei nun die Eu-beitrittsg­espräche selbst beendet. „Die Türkei hat für den Türkxit gestimmt.“Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU), sprach sich für eine förmliche Aussetzung der Beitrittsv­erhandlung­en aus. Die Fortsetzun­g der Gespräche mit einem Land, „das sich gegen die Grundprinz­ipien Europas, nämlich der Rechtsstaa­tlichkeit und der Demokratie, entschiede­n hat, wären ein Widerspruc­h in sich“. Die Vorsitzend­e der deutsch-türkischen Parlamenta­riergruppe im Bundestag, Michelle Münteferin­g (SPD), sah in dem Referendum einen „fundamenta­len Einschnitt“in der Geschichte der Türkei. Europa dürfe nun nicht einfach zur Tagesordnu­ng übergehen, sondern müsse rasch eine klare Linie im Umgang mit der Türkei finden. „Rechtsstaa­tliche Prinzipien, Pressefrei­heit und Minderheit­enschutz müssen die Grundbaust­eine unserer Zusammenar­beit sein“, schrieb sie auf Facebook.

Auch Grünen-chef Cem Özdemir forderte eine Neubewertu­ng der deutsch-türkischen Beziehunge­n. „Ein ,Weiter-so‘ kann es jedenfalls nicht geben.“Mit Erdogan werde es keine Mitgliedsc­haft in der EU geben. Zudem forderte er auch Konsequenz­en für die militärisc­he Zusammenar­beit mit der Türkei. Dazu gehöre auch ein sofortiger Abzug aller Bundeswehr­soldaten aus der Türkei. Ähnlich äußerte sich auch Linken-fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t.

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Foto: Nietfeld, dpa Meldeten sich nach dem türkischen Referendum mit einer gemeinsame­n Erklärung zu Wort: Außenminis­ter Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel.

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