Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Folgt jetzt der Atomtest?

Nordkorea Das Scheitern des Raketentes­ts ist peinlich für Kim Jong Un. Wie der Diktator nun demonstrie­ren will, dass er sich von Us-präsident Trump nicht einschücht­ern lässt

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Seoul/pjöngjang Auf den großen Knall verzichtet­e Kim Jong Un am „Tag der Sonne“zunächst. Statt den befürchtet­en Atomtest vorzunehme­n, forderte der Machthaber aber nur einen Tag später am Sonntag den amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump mit einem neuen Raketentes­t heraus. Der Test geriet zwar zur kleinen Blamage für Kim, da die Rakete „fast sofort nach dem Start“explodiert­e, wie das Us-militär berichtete. Gleichwohl zeigte die Führung in Pjöngjang damit, dass sie trotz des stärker werdenden Drucks aus Washington im Streit um ihr Raketen- und Atomprogra­mm nicht einlenken wird.

Us-vizepräsid­ent Mike Pence, der nur kurz nach dem Test in Südkorea eintraf, sprach von einer neuen „Provokatio­n“. Die Zeit der Geduld mit Nordkorea sei vorbei. Der misslungen­e Raketensta­rt schwächte aber die Botschaft der großen Militärpar­ade, mit der sich Nordkorea als Nation mit gefährlich­en Raketen darstellen wollte. Zwei Stunden marschiert­en am 105. Geburtstag von Staatsgrün­der Kim Il Sung tausende Soldaten auf, rollten Raketen und Abschussra­mpen vorbei, während Kim Jong Un die Parade demonstrat­iv gelassen von einem Podium abnahm.

Wie unangenehm der Fehlschlag am folgenden Tag war, zeigt sich darin, dass Nordkoreas Staatsmedi­en den Raketentes­t bislang verschwieg­en haben. Auch wenn westliche Experten in der Explosion der Rakete den bestmöglic­hen Ausgang sahen, warnte Asien-fachmann Gordon Chang, dass ein blamierter Kim Jong Un jetzt nur noch mehr Raketen testen und schneller einen neuen Atomtest unternehme­n dürfte. Am gestrigen Abend kündigte Nordkoreas Vizeaußenm­inister Han Song-ryol tatsächlic­h gegenüber der an: „Wir werden weitere Raketentes­ts durchführe­n - auf wöchentlic­her, monatliche­r und jährlicher Basis.“Sollte Amerika militärisc­h intervenie­ren, werde ein „totaler Krieg“ausbrechen, warnte er. Ein mögliches Datum: Am 25. April feiert Nordkorea den 85. Gründungst­ag der Volksarmee. Experten spekuliere­n darüber, ob der gescheiter­te Raketensta­rt möglicherw­eise auf Sabotage elektronis­cher Kampfeinhe­iten des Us-militärs zurückgefü­hrt werden könne.

Solch ein Programm hatte der frühere Us-präsident Barack Obama 2014 auf den Weg gebracht. Tatsächlic­h haben seitdem die Fehlzündun­gen bei Raketentes­ts deutlich zugenommen. Dennoch lässt sich nicht belegen, ob der Fehlstart an technische­n Unzulängli­chkeiten gelegen hat oder schlicht Pech war. Zuletzt hatten Spekulatio­nen über einen eventuelle­n Militärsch­lag der USA oder sogar einen Präventivs­chlag gegen einen erwarteten Atomversuc­h die Stimmung angeheizt. Die Botschaft von Trump, dass „alle Optionen auf dem Tisch liegen“, verstärkt auch der Marineverb­and um den Flugzeugtr­äger

Der Vizeaußenm­inister droht USA mit dem „totalen Krieg“

„USS Carl Vinson“, den die USA gerade nahe der koreanisch­en Halbinsel in Position bringen. „Trump bricht mit vielen traditione­llen Regeln und scheint aus einem Bauchgefüh­l heraus zu handeln“, sagt Nordkorea-expertin Jean Chung vom Wilson Center: „Ich halte seine Unberechen­barkeit für einen Teil seiner Strategie gegenüber China und Nordkorea.“

So droht Trump damit, dass die USA das Problem Nordkorea notfalls auch ohne China – dem einstigen Verbündete­n Pjöngjangs – lösen werden. Nur Taktik? „Us-präsident Trump hat im Moment keinen Plan, außer den Verbündete­n in der Region zu versichern, dass die USA sie verteidige­n wollen“, sagt der Experte Chang. Trump warte ab, um zu sehen, „ob Xi Jinping auf seiner Seite steht“. Wenn ihn Chinas Staats- und Parteichef enttäusche­n und die Schrauben gegenüber Nordkorea nicht anziehen sollte, könnten die USA Sanktionen gegen chinesisch­e Unternehme­n und Banken verhängen, die Geschäfte mit Nordkorea machen. „Es bleiben nicht mehr viele Sanktionen, also, wie kann China noch mehr Druck machen?“, sagt der chinesisch­e Politikpro­fessor Jin Qiangyi von der Yanbian Universitä­t nahe Chinas Grenze zu Nordkorea. Die Öllieferun­gen zu kappen, bliebe wohl als letzter Schritt, vielleicht nach einem Atomtest zu ergreifen.

Die Lage habe sich zwar jetzt verschärft, so der Professor, aber noch keinen kritischen Punkt erreicht: „Die Möglichkei­t eines Krieges ist nicht sehr hoch.“Auch die Südkoreane­r, die schon Jahrzehnte mit der Bedrohung leben, reagieren derzeit noch scheinbar gelassen auf die Verschärfu­ng des Konflikts. Am Tag des Raketentes­ts bildete nicht Nordkorea das dominieren­de Gesprächst­hema auf sozialen Netzwerken, sondern das Konzert der britischen Rockband „Coldplay“.

 ?? Foto: Handout Staatsfern­sehen, dpa ?? Keiner weiß, ob die Waffen, die am Samstag bei der Militärpar­ade zu Ehren von Nordkoreas Staatsgrün­der Kim Il Sung in der Hauptstadt Pjöngjang gezeigt wurden, bereits einsatzfäh­ig sind. Als sicher gilt aber: Nordkorea arbeitet daran, atomar bestückbar­e...
Foto: Handout Staatsfern­sehen, dpa Keiner weiß, ob die Waffen, die am Samstag bei der Militärpar­ade zu Ehren von Nordkoreas Staatsgrün­der Kim Il Sung in der Hauptstadt Pjöngjang gezeigt wurden, bereits einsatzfäh­ig sind. Als sicher gilt aber: Nordkorea arbeitet daran, atomar bestückbar­e...

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