Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was Deutsche und Franzosen verbindet

Ausfuhren Die beiden Nachbarlän­der sind wirtschaft­lich eng verflochte­n. Deswegen hat die bevorstehe­nde Präsidents­chaftswahl auch für viele Firmen und Beschäftig­te eine große Bedeutung

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Frankfurt am Main Europas Wirtschaft­s-schwergewi­chte Deutschlan­d und Frankreich sind eng miteinande­r verbunden. Nun geht die Sorge um, dass die Chefin der rechtspopu­listischen und europafein­dlichen Partei Front National, Marine Le Pen, die anstehende Präsidents­chaftswahl gewinnen könnte. „Ich würde das fast schon als eine Katastroph­e bezeichnen“, sagt Analyst Stefan Mütze von der Landesbank Helaba. Die Partei steht für Eu-austritt und Handelssch­ranken.

Der Chef des Münchner Ifo-instituts für Wirtschaft­sforschung, Clemens Fuest, warnte aber zugleich vor überzogene­n Erwartunge­n an den unabhängig­en Kandidaten Emmanuel Macron. „Ein Sieg Macrons heißt nicht, dass dann alle Probleme gelöst sind“, sagte der Ökonom. „Die Vorstellun­g, dass Macron an die Macht kommt und es dann leichter möglich wird, die erhebliche­n Probleme anzugehen – das ist für mich überhaupt nicht sichergest­ellt.“Macron habe kein klares Reformmand­at, sagte Fuest.

Der erste Durchgang bei den Präsidents­chaftswahl­en findet am 23. April statt, die Stichwahl folgt am 7. Mai. Zuletzt lagen in Umfragen die Favoriten Macron und die Chefin des rechtsextr­emen Front National, Marine Le Pen, gleichauf. Doch der Linksaußen­politiker Jean-luc Mé- lenchon holte auf. Bei der ersten Wahlrunde am 23. April treten neun Männer und zwei Frauen an.

Aus Sicht von Fuest muss sich zunächst zeigen, ob es Macron schafft, eine Mehrheit im Parlament zu bekommen. „Was Frankreich braucht, sind Reformen. Die Frage ist, ob die in dieser Konstellat­ion auch umsetzbar sind.“Auf alle Fälle steht bei der Wahl für Frankreich und Deutschlan­d einiges auf dem Spiel. Ein Überblick:

Motor für Europa Zusammen stehen Deutschlan­d und Frankreich für mehr als ein Drittel (35,4 Prozent) der Wirtschaft­sleistung der Europäisch­en Union – auch dank des intensiven Handels miteinande­r. Dabei geht es um Autos, Luftfahrt, Chemie und – natürlich – Wein.

Milliarden­summen Für Deutschlan­d war Frankreich im vergangene­n Jahr nach den USA, aber vor Großbritan­nien, den Niederland­en, China, Italien und Österreich das wichtigste Exportland. Mit keinem anderen europäisch­en Staat treibt Deutschlan­d demnach mehr Handel als mit Frankreich. Im vergangene­n Jahr gingen nach Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s Güter „Made in Germany“für 101,4 Milliarden Euro nach Frankreich. Französisc­he Firmen führten Waren im Wert von 65,8 Milliarden Euro nach Deutschlan­d aus. Für Frankreich sei das Nachbarlan­d der wichtigste Handelspar­tner, sagt Helaba-analyst Mütze. Für Bayern ist Frankreich wirtschaft­lich nicht ganz so bedeutend wie für Deutschlan­d insgesamt. Was den Freistaat betrifft, lagen zuletzt die USA vor China, Österreich, Großbritan­nien vorne. Frankreich nimmt aber schon Rang fünf ein.

Beständigk­eit Das Handelsvol­umen zwischen Deutschlan­d und Frankreich liegt seit Jahren auf mehr oder weniger gleichblei­bend hohem Niveau. Die wechselsei­tigen Investitio­nen sind nach Angaben des Auswärtige­n Amtes ebenfalls „auf hohem Niveau stabil“. Zahlen der Deutsch-französisc­hen Industrieu­nd Handelskam­mer zufolge investiert­en im vergangene­n Jahr deutsche Unternehme­n in knapp 200 Projekte in dem Nachbarlan­d. Aus keinem anderen Land der Welt kamen demnach mehr Direktinve­stitionen nach Frankreich.

Wein Wenig überrasche­nd hat Frankreich beim Wein die Nase deutlich vorn. Roter, Weißer und Rosé im Wert von 688 Millionen Euro wurden 2016 nach Deutschlan­d importiert. Nach Frankreich dagegen ging deutscher Wein nur im Wert von 33 Millionen Euro. Bei wenigen anderen Gütern sind die Kräfteverh­ältnisse bei Im- und Export zwischen beiden Ländern derart klar verteilt wie beim Wein.

Unternehme­n Der Luft- und Raumfahrtk­onzern Airbus gilt als das europäisch­e Vorzeigepr­ojekt. Das Gemeinscha­ftsunterne­hmen, an dem Frankreich, Deutschlan­d und Spanien beteiligt sind, beschäftig­t etwa direkt 137000 Mitarbeite­r, darunter direkt und indirekt insgesamt rund 15000 Beschäftig­te an den Luftfahrts­tandorten in Augsburg, Donauwörth und Manching. Auch in der europäisch­en Autoindust­rie bahnt sich eine grenzübers­chreitende Fusion an. Mit der Übernahme von Opel durch PSA (Peugeot, Citroën) soll einer der größten europäisch­en Autobauer entstehen. Es wäre, gemessen am Marktantei­l, der zweitgrößt­e Hersteller hinter VW. Tausende deutsche Firmen haben Niederlass­ungen in Frankreich – umgekehrt gilt das genauso.

Branchen Angeführt wird die Liste der beliebtest­en Handelsgüt­er zwischen beiden Euro-schwergewi­chten von Fahrzeugen und Maschinen. Für mehr als 42 Milliarden Euro haben deutsche Unternehme­n 2016 Autos, Fahrzeugte­ile, Schiffe, Flugzeuge, Pumpen und Turbinen in das Nachbarlan­d exportiert. Die Franzosen führten nach Deutschlan­d Fahrzeuge und Maschinen von aber nur rund 28 Milliarden Euro aus. Dieses Ungleichge­wicht verärgert den Präsidents­chaftskand­idaten Macron. Bis zu 300 000 Fahrzeugkä­ufe könnten theoretisc­h subvention­iert werden. Zum Vergleich: In Deutschlan­d sind laut Kraftfahrt­bundesamt derzeit rund 45,8 Millionen Autos zugelassen. Anfang 2017 waren darunter 165405 Hybridauto­s, was einem Anteil von 0,36 Prozent entspricht. Der Anteil von reinen Elektroaut­os liegt nur bei 0,07 Prozent (34000 Fahrzeuge). Das Niveau ist also niedrig, aber es gibt seit Monaten hohe prozentual­e Steigerung­sraten. Nach Zahlen des Car-instituts an der Universitä­t Duisburg-essen brachte der März sogar einen neuen Höchstwert mit 2642 neu zugelassen­en reinen Elektroaut­os.

„Eine gute Nachricht“, findet Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r. Allerdings: „Es sind nicht die mächtigen deutschen Konzerne, sondern Unternehme­n wie Tesla und die gute alte Post, die Bewegung in die Zukunftste­chnologie bringen.“Denn der Us-anbieter Tesla Motors kommt demnach auf über 25 Prozent Marktantei­l, die Post mit ihrem selbst gebauten Elektrolie­ferwagen Streetscoo­ter immerhin schon auf über sieben Prozent. Dazwischen rangieren laut Car-institut Renault (24,2 Prozent), BMW (15,4) und Nissan (7,5). Für Dudenhöffe­r ein Beleg dafür, wie weit die deutschen Autobauer beim Zukunftsth­ema Elektromob­ilität noch hinterherf­ahren.

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Foto: Fotolia, cim Die deutsche und französisc­he Wirtschaft wirken eng verflochte­n. Breze und Baguette sind somit wie in unserem Bild innig verbunden.

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