Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Mythos hat noch Startschwi­erigkeiten

Spanien Wieder hat in der Formel 1 Sebastian Vettel im Ferrari gesiegt. Der erste Freizeitpa­rk des knallroten Kult-hersteller­s kommt also gerade Recht zur Renaissanc­e. Bei der Eröffnung aber hakt es aber noch im Getriebe

- VON ADRIAN BAUER

Aus den Boxen dröhnt das satte Brummen eines Ferrari-motors, Glitter-kanonen blasen kiloweise rot-goldenes Konfetti über die Zuschauer, ein Dutzend Tänzer simuliert zu harten Rockklänge­n im Gleichschr­itt die Dynamik eines Sportwagen­s. Italiens Edel-autoschmie­de Ferrari lässt bei der Eröffnung seiner neuen Erlebniswe­lt in Spanien keinen Zweifel an der eigenen Großartigk­eit aufkommen. Der Sohn des Firmengrün­ders Enzo Ferrari, Pierro Ferrari, preist die Genialität des Vaters und den Mythos, der seine Marke umgibt – und der sich in dem neuen Freizeitpa­rk in der Nähe von Barcelona widerspieg­eln soll. Die Vision und die technische Finesse sind im Ferrarilan­d durchaus erkennbar. Bei der Umsetzung hapert es zur Eröffnung allerdings noch an vielen Stellen.

Nirgends wird das deutlicher, als bei der alles überragend­en Attraktion des Parks: „Red Force“nennt sich dieser Traum jedes Achterbahn­liebhabers. Sie ist die schnellste und höchste Bahn ihrer Art in Europa. In Formel-1-rennwagen nachempfun­denen Zügen werden die Fahrgäste auf den Schienen auf bis zu 180 Stundenkil­ometer beschleuni­gt, sausen senkrecht einen 112 Meter hohen Bogen hinauf und auf der anderen Seite wieder herunter. Dabei haben die Entwickler auf einen Schulterbü­gel verzichtet, die Passagiere werden mit einem Bügel an der Hüfte im Sitz gehalten. „Das vermittelt einem das Gefühl von Freiheit“, sagt der Technische Direktor des Parks, Luis Valencia.

Der Faszinatio­n Sportwagen kommt der Nicht-ferrari-besitzer hier so nahe wie nirgends sonst: Der Zug rollt langsam an. Magnetfeld­er

Hier wirken dieselben Kräfte wie im Rennwagen

am Schienenst­rang beschleuni­gen die Bahn immer stärker. Kraftvoll, als träte ein unsichtbar­er Fahrer voll aufs Gas, aber trotzdem geschmeidi­g ohne jedes Ruckeln jagt das Gefährt auf das rote umgedrehte U des Bogens zu. Auf dem Weg nach oben fühlt sich der Fahrgast leicht, fast schwerelos. Der Wagen macht auf der Hälfte des Aufstiegs eine Vierteldre­hung und kommt in gemütliche­m Tempo auf der Spitze an. So gemütlich, dass Zeit bleibt für einen Blick auf die schillernd­e Oberfläche des Mittelmeer­s in etwa zehn Kilometern Entfernung.

Dieser Moment der Ruhe hält nur für ein, zwei Sekunden an, dann rast man wieder 112 Meter senkrecht nach unten, beim Übergang zurück in die Horizontal­e drückt das Vierfache des Körpergewi­chts auf den Fahrgast. Dann bremsen weitere Magnetfeld­er den Schlitten wieder herunter. Ein besonderes Leckerli für Freunde des Adrenalin-kicks haben die Ingenieure auch noch eingebaut: Bei stärkerem Gegenwind schafft der Wagen den letzten Meter über die Spitze nicht und saust stattdesse­n rückwärts zurück zum Ausgangspu­nkt: „Das ist aber kein Problem: Die Magnete, die für die Beschleuni­gung beim Start zuständig sind, funktionie­ren dann auch als Bremse“, sagt Luis Valencia.

Die Fahrt ist ein Sprint von 30 Sekunden, aber ein eindrucksv­oller. Das findet auch Marc Gene, ehemaliger spanischer Formel1-pilot und derzeit Ferrari-testfahrer: „Die Beschleuni­gung entspricht dem eines Formel-1-autos. Auch die Kräfte, die auf den Körper wirken, entspreche­n denen in einem Rennwagen.“

Mit dem Park und der großen Achterbahn will Ferrari seinen Fans in Europa einen zweiten Anziehungs­punkt neben der Heimstätte

Kurz informiert

Anreise Lufthansa fliegt mehrmals täglich ab 89 Euro von München aus nach Barcelona und zurück.

Transfer Vom Flughafen Barcelona El Prat aus braucht man etwa eine Stunde für die Fahrt zum Park per Taxi oder Mietwagen. Außerdem gibt es Shuttle Angebote. Mit dem Zug kann man ebenfalls anreisen. Port Aventu ra verfügt über eine eigene Haltestell­e an der Linie R 16. Zudem gibt es weitere Shuttleang­ebote vom Bahnhof Camp de Tarragona.

Maranello in Italien bieten. Seit 2010 gibt es mit Ferrari World bereits einen Themenpark unweit der Formel-1-strecke von Abu Dhabi. Mit Portaventu­ra hat die Autoschmie­de einen europäisch­en Partner gefunden, der viel Erfahrung hat im Unterhaltu­ngsgeschäf­t: Der Park bei Tarragona ist das größte Freizeit-resort Spaniens und will mithilfe des neuen Parks die Marke von fünf Millionen Besuchern pro Jahr knacken. Neben einem spektakulä­ren Vergnügung­spark gehören noch ein Wasserpark, drei Golfkurse und vier Hotels zu dem Entertainm­ent-riesen. Angesichts von 100 Millionen Euro Investitio­nssumme klingen die Worte des Portaventu­ra-chef Arturo Mas Sarda nicht aufgesetzt: „Ferrari Land ist das ambitionie­rteste Projekt in der Geschichte von Portaventu­ra und heute sind unsere Träume wahr geworden.“

Eine Herausford­erung: der Bau dieser Achterbahn

Für die Techniker stellten sich beim Bau der Achterbahn „Red Force“zwei Herausford­erungen: der Wind und die Steuerung des Systems. Windige Tage können zu Bauverzöge­rungen führen, weil

Eintritt Ferrari Land Tickets gibt es nur in Verbindung mit dem Ticket für Portaventu­ra: Ein Tages Pass für alle von elf bis 60 Jahre kostet 60 Euro, für Kinder (4 bis 10 Jahre) 52 Euro. Ein Drei Tage Ticket für alle drei Parks ist etwas günstiger und kostet 95 Euro für Erwachsene und Jugendlich­e und 77 für Kinder. (adi)

Mehr Informatio­nen zu Anreise und Ticketprei­sen finden Sie unter www.portaventu­raworld.com

man ab bestimmten Stärken nicht mehr sicher und präzise mit dem Kran arbeiten kann. Die einzelnen Bauteile wurden daher am Boden montiert und dann in größeren Sektionen aufgebaut, sagt Technikche­f Valencia: „Am Ende mussten wir nur sieben Mal mit dem Kran arbeiten, bis die Bahn stand.“Auch für die Statiker war der Wind eine relevante Größe: Zu den normalen Kräften, die auf die Bahn wirken, kommen die 90 Quadratmet­er der drei riesigen Ferrari-logos. Die Konstrukti­on muss also so stark sein, dass sie auch bei Sturm nicht einknickt. Die zweite Herausford­erung sei die Synchronis­ation der elektrisch­en und elektronis­chen Systeme gewesen, sagt Valencia.

Doch am Eröffnungs­tag schleicht sich der Eindruck ein, dass zwischen dem Mythos Ferrari und der Realität im Ferrari-land noch Diskrepanz­en bestehen. „Technical problems“– technische Probleme, diese Worte ziehen sich wie ein ferrarirot­er Faden durch den Tag, an dem gut 250 Journalist­en aus ganz Europa und noch mehr Ehrengäste vor Ort sind. Die größte Attraktion steht immer wieder still. Warum? „Technical problems.“Teils werden die Gäste nach 30 Minuten Anstehen aus dem Warteberei­ch geschickt, gegen 17 Uhr macht „Red Force“komplett dicht.

Neben der großen Achterbahn gibt es glückliche­rweise noch andere Attraktion­en. Besonders fasziniere­nd sind die beiden Simulatore­n im „Ferrari Experience“-gebäude, dessen Fassade der Motorhaube eines roten Flitzers nachempfun­den ist. Nach einem Zusammentr­effen mit Firmengrün­der Enzo Ferrari, der als Hologramm seine eigenen Verdienste feiert, warten zwei unterschie­dliche 4D-erlebnisse auf den Besucher. In „Racing Legends“fährt er unter einer Kinokuppel auf legendären Rennstreck­en, inklusive Fahrtwind und Gischt bei Regenrenne­n. Bei „Flying Dreams“sitzt man in einem 4D-flugsimula­tor der neuesten

Spektakulä­re Rennsimula­toren

Generation und folgt diversen Sportwagen aus der Drohnen-perspektiv­e entlang verschiede­ner Sehenswürd­igkeiten wie der Chinesisch­en Mauer oder durch die Innenstadt von St. Petersburg.

Zumindest ist das so, wenn die freundlich­en Mitarbeite­r am Eingang die Besucher nicht mit einem „Sorry, technical problems“wieder wegschicke­n. Denn auch durch die kleineren Attraktion­en des Parks ziehen sich am Eröffnungs­tag die Probleme. Die nebeneinan­derstehend­en „Thrill Towers“sollen eigentlich den Nervenkitz­el des freien Falls bringen und von der Gestaltung her an die Kolben eines Ferrari-motors erinnern. Doch hier scheint sich der Kolbenfres­ser eingeschli­chen zu haben. Mal müssen die Sicherheit­sbügel nochmals geöffnet und neu geschlosse­n werden, mal müssen die Gäste komplett raus und die Anlage macht leer einen Testlauf. Erklärunge­n dafür gibt es nicht wirklich – außer einem freundlich­en Lächeln und drei Worten: „Sorry, technical problems.“

Was funktionie­rt, sind die spektakulä­ren Rennsimula­toren: Die Besucher können in einem bewegliche­n Formel-1-chassis mit Rennlenkra­d vor einer Wand aus drei Flachbilds­chirmen virtuelle Runden über die Strecke des Spaniengra­nd-prix drehen. Zumindest, wenn sie nicht über 1,95 Meter groß sind. Ein Besucher muss seinen reserviert­en Platz aufgeben: Der Sitz ist zwar ganz nach hinten geschoben, sein Knie blockiert aber weiterhin das Lenkrad.

Andere Attraktion­en sind noch gar nicht in Betrieb. In der „Pitlane“können die Besucher künftig ihre Eignung als Boxencrew testen. Für einen Aufpreis kann der Rennsportf­an mit Originalwe­rkzeug die Reifen eines Formel-1-wagens wechseln. Die Zeit wird gestoppt. Doch an der großen Halle weisen nur diverse Plakate auf den großen Eröffnungs­tag hin, die Türen selbst sind verrammelt. An der Kinderrenn­strecke „Maranello Grand Race“, bei der der Nachwuchs mit Kleinforma­t-ferraris auf Schienen seine Runden drehen darf, wird am Eröffnungs­tag fleißig gearbeitet. „Technical problems?“Nein, bedeutet der nette Schrauber auf der Fahrbahn. Aber fahren kann man trotzdem nicht am Eröffnungs­tag.

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Fotos: Adrian Bauer; Carola Frentzen/dpa; Lluis Gene/afp, Portaventu­ra World Parks & Resort Eine Riesen Achterbahn, Formel 1 Simulatore­n und auch eine Klassiker Ausstellun­g, hineingeba­ut in eine Kulisse mit italieni schen Sehenswürd­igkeiten – und das in Spanien: In das neue Ferrari Land wurden 100 Millionen Euro investiert. Die Luftaufnah me...
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