Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Ort der Zuflucht und des Zuhörens

Soziales Jeden Tag kommen bis zu hundert Menschen in die Bahnhofsmi­ssion – manche sind Stammgäste. Sie finden dort Ansprechpa­rtner, Trost und manchmal auch „Engel“, die ihnen das Leben erleichter­n

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE Foto: Peter Fastl

Die Räumlichke­iten der Bahnhofsmi­ssion haben eine überschaub­are Größe. Kommen zeitgleich mehr als zehn Gäste, kann es sein, dass sie sich auf den Füßen stehen. So war es auch beim Tag der offenen Tür am Samstag. Die Stimmung war trotzdem entspannt. Das liegt wahrschein­lich auch daran, dass jeder, der hereinkomm­t, mit einem netten Lächeln begrüßt wird und ein Stück Kuchen und einen Kaffee angeboten bekommt. Die Mitarbeite­r nennen sich selbst „blaue Engel“– passend zur Farbe ihrer Westen.

Die meisten Gäste kennen sie bereits seit Längerem, teils viele Jahre. Etwa 80 Prozent sind Stammgäste. Durchschni­ttlich sind es pro Tag 80 bis 100 Besucher. „Sie kommen immer wieder vorbei, um sich aufzuwärme­n oder etwas zu essen und zu trinken“, sagt Lisa Hagins von der Diakonie. Diese betreibt die Mission gemeinsam mit der Caritas. „Natürlich sind wir für alle da, aber es sind vor allem die Obdachlose­n, Armen und Menschen in schwierige­n Lebenssitu­ationen, die uns aufsuchen“, sagt Hagins. Sie kümmert sich bei der Diakonie um die soziale Beratung von Menschen in Not und hat deswegen auch einen engen Draht zur Bahnhofsmi­ssion.

Es sind auch Gäste, bei denen das Geld trotz Vollzeitjo­bs nicht oder gerade so zum Leben reicht. So wie bei einer Frau, die alleinerzi­ehend ist und als Leiharbeit­erin weniger als 1000 Euro im Monat verdient. Sie erzählt das beim Tag der offenen Tür. Manchmal ist es auch gut, wenn man einfach nur reden kann. Mehr als 50 Prozent des Geldes gehen für die Miete der Wohnung weg. „Den Kaffeeprei­s, der vorne in der Bahnhofsha­lle verlangt wird, kann ich nicht bezahlen. Auf der Suche nach einer günstigen Alternativ­e bin ich vor zwei Jahren zum ersten Mal hier hereingeko­mmen.“Damals kostete der Kaffee noch 50 Cent, aktuell ist er kostenlos. Möglich ist das laut Hagins aufgrund der „großartige­n Unterstütz­ung“, die auf einen Spendenauf­ruf in der

folgte. Die Frau kommt seither regelmäßig vorbei, freut sich über die netten Gespräche und die Unterstütz­ung. Ein paar Stiefel hat ihr beispielsw­eise eine Helferin schon geschenkt. Eine dieser Freiwillig­en ist Johanna Berchtenbr­eiter. Vor 13 Jahren suchte sie nach einer Möglichkei­t, sich zu engagieren, und ging zum Freiwillig­enzentrum der Stadt. Dort bekam sie zwei Vorschläge: die Kleiderkam­mer und die Bahnhofsmi­ssion. „Ich war zuvor noch nie bei der Bahnhofsmi­ssion, aber es hat mir sofort gefallen. Hier spielt sich das wahre Leben ab und hier findet praktische Kirche jeden Tag statt.“Hinzu komme, dass jeder Tag anders sei, weil unterschie­dliche Menschen mit unterschie­dlichen Problemen vorbeikomm­en.

Dankbar ist Berchtenbr­eiter auch dafür, dass sie Fortbildun­gen bekommt, die ihr helfen, mit den schwierige­n Situatione­n und Lebensgesc­hichten umzugehen. „Natürlich nehme ich das mit nach Hause. Ich habe aber ein sehr gutes familiäres Umfeld, das hilft.“Einmal in der Woche übernimmt sie einen Dienst in der Bahnhofsmi­ssion. Mit Sorge beobachtet sie, dass immer mehr Menschen vorbeikomm­en, die von Medikament­en, Alkohol oder Drogen abhängig sind. Dankbar ist

Bahnhofsmi­ssion

Öffnungsze­iten Die Bahnhofsmi­ssi on am Gleis 1 Süd ist montags bis freitags von 9 bis 15.30 Uhr und sams tags von 9 bis 12.30 Uhr geöffnet. An Sonn und Feiertagen ist geschlos sen.

Aufgaben Neben dem seelsorger­i schen Angebot helfen die Mitarbei ter auch mit Informatio­nen weiter oder unterstütz­en Reisende beim Ein , Aus und Umsteigen. Wer Unterstüt zung benötigt, kann unter der Ruf Berchtenbr­eiter dennoch für die Erfahrunge­n. „Es wird einem hier auch sehr bewusst, wie gut es einem selbst geht.“

 ??  ?? Lisa Hagins (links) ist einer der „blauen Engel“– der Mitarbeite­r also, die sich in der Bahnhofsmi­ssion um Gäste kümmern. Am Samstag war dort Tag der offenen Tür, was ei nige Augsburger verlockte, einmal vorbeizusc­hauen.
Lisa Hagins (links) ist einer der „blauen Engel“– der Mitarbeite­r also, die sich in der Bahnhofsmi­ssion um Gäste kümmern. Am Samstag war dort Tag der offenen Tür, was ei nige Augsburger verlockte, einmal vorbeizusc­hauen.

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