Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zwei Jahre Haft nach tödlichem Autounfall

Prozess Ein junger Mann starb kurz vor der Hochzeit, als ein heute 63-Jähriger bei Pöttmes frontal in den Gegenverke­hr krachte. War es schon der dritte Unfall mit Todesfolge, an dem der Angeklagte beteiligt war?

- VON NICOLE SIMÜLLER

Aichach/pöttmes Zwei Marterl stehen schon an der Staatsstra­ße 2035 nahe dem Pöttmeser Ortsteil Gundelsdor­f. Bei früheren Autounfäll­en verloren hier zwei Menschen ihr Leben. Im Januar vergangene­n Jahres kam ein 31-Jähriger hinzu. Er starb, als ein entgegenko­mmender Autofahrer an einer Doppelkurv­e mit über 100 statt der erlaubten 80 Stundenkil­ometer überholte und frontal in seinen Audi krachte. Der junge Mann, der wenige Monate später heiraten wollte, war sofort tot. Der heute 63-jährige Unfallveru­rsacher und ein weiterer Autofahrer wurden schwer verletzt.

Gestern verurteilt­e das Schöffenge­richt Aichach unter Vorsitz von Richterin Eva-maria Kraus den 63-Jährigen nach zwei Verhandlun­gstagen zu zwei Jahren, zwei Monaten und einer Woche Haft. Nicht nur wegen des tödlichen Unfalls am 25. Januar, sondern auch wegen eines Zusammenst­oßes mit einem Rollerfahr­er zwölf Tage zuvor. Die Vorwürfe: fahrlässig­e Tötung, fahrlässig­e Körperverl­etzung und vorsätzlic­he Gefährdung des Straßenver­kehrs. Frühestens in drei Jahren und acht Monaten darf der Angeklagte seinen Führersche­in zurückbeko­mmen. Sein Verteidige­r kündigte allerdings an, dass sein Mandant wegen gesundheit­licher Probleme freiwillig auf seine Fahrerlaub­nis verzichten wolle.

Geradezu entsetzt unterstric­h die Richterin, dass er nur zwölf Tage nach dem Zusammenst­oß mit dem Rollerfahr­er mit völlig überhöhter Geschwindi­gkeit an der als gefährlich bekannten Stelle auf der Staatsstra­ße bei Gundelsdor­f überholte. Sie warf dem Angeklagte­n „absolut eigensinni­ges Verhalten“vor. Er habe sich „extrem riskant und verantwort­ungslos“verhalten.

Staatsanwa­lt Franz Wörz sowie Anja Seitz-dembinsky, die die Nebenklage vertrat, hatten zuvor eine Haftstrafe gefordert. An einem neurologis­chen Gutachten, wonach der Angeklagte just zum Unfallzeit­punkt kurz ohnmächtig gewesen sei, ließen sie kein gutes Haar. Es basiere lediglich auf den Aussagen des Angeklagte­n. „Keine wissenscha­ftliche Arbeit“, bemängelte Seitzdembi­nsky, „unbrauchba­r“, kritisiert­e Wörz. Richterin Kraus sah das ähnlich: „Wir haben erhebliche Zweifel an der Seriosität der Erstellung.“Zumal der vermeintli­che Blackout des Angeklagte­n in keinem Arztberich­t auftauche. Seine Fahrweise

Verteidige­r fordert Freispruch wegen Schuldunfä­higkeit

sei vielmehr die Ursache für den Unfall gewesen.

Das sah Verteidige­r Andreas Schröger anders: Das neurologis­che Gutachten ergebe „eindeutig“, dass der Angeklagte zum Unfallzeit­punkt einen Bewusstsei­nsverlust gehabt habe. Eine Schuld seines Mandanten sei reine Spekulatio­n. Zumal das Unfallguta­chten ergeben dass man die Doppelkurv­e auch mit Tempo 100 durchfahre­n könne. Das Überholman­över sei vorher abgeschlos­sen gewesen. Schröger forderte für seinen Mandanten eine Geldstrafe für den Zusammenst­oß mit dem Rollerfahr­er und Freispruch wegen Schuldunfä­higkeit für den tödlichen Unfall.

In den Augen des Staatsanwa­lts aber stand die Schuld des Angeklagte­n eindeutig fest. Er warf ihm „grob verkehrswi­driges und rücksichts­loses Verhalten“vor. 462 Meter vor der Unfallstel­le stünden Schilder, die auf die gefährlich­e Doppelkurv­e hinwiesen und das Tempo auf 80 Stundenkil­ometer beschränkt­en. Der Angeklagte habe, obwohl er als Ortskundig­er aus dem Raum Pöttmes die Strecke kenne, zwei Fahrzeuge überholt, die ohnehin schon etwas schneller fuhren als erlaubt. Wörz erinnerte an das Urteil des Landgerich­ts Berlin vom Februar,

Staatsanwa­lt erinnert an Mordurteil von Berlin

das die beiden „Ku’dammraser“zu lebensläng­lichen Gefängniss­trafen wegen Mordes verurteilt­e (wir berichtete­n). Wörz machte deutlich: „Wer durch verantwort­ungslose Raserei andere Leute tötet, muss ins Gefängnis.“

Die Vertreteri­n der Nebenklage verwies in ihrem Plädoyer auf Gerüchte, wonach dieser Unfall möglihabe, Archivfoto: Erich Echter cherweise der dritte mit tödlichem Ende sei, an dem der Angeklagte beteiligt war. Belege dafür gebe es allerdings im Verkehrs- und Bundeszent­ralregiste­r nicht mehr. Recherchen unserer Zeitung zufolge stand er zumindest 1981 nach einem Autounfall im Gemeindege­biet Ehekirchen (Kreis Neuburg-schrobenha­usen) wegen fahrlässig­er Tötung vor dem Landgerich­t Augsburg. Vor drei Jahren erhielt er laut Verkehrsze­ntralregis­ter ein einmonatig­es Fahrverbot, nachdem er außerorts mit 148 statt der erlaubten 120 Stundenkil­ometer unterwegs war. Während dieses Monats wurde er dennoch am Steuer erwischt und erhielt dafür eine Geldstrafe. Das gestrige Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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Bei einem Autounfall auf der Staatsstra­ße 2035 nahe dem Pöttmeser Ortsteil Gundelsdor­f starb am 25. Januar vergangene­n Jahres ein 31 Jähriger. Ein heute 63 Jähriger hat te in der entgegenge­setzten Richtung überholt und war dabei frontal in den Audi...

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