Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Macht laute Musik aus dem Smartphone schwerhöri­g?

Interview Experte Jörg-hendrik Bach erklärt, warum sich Hörgewohnh­eiten verändern und wie man Schäden vermeidet

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Herr Bach, Sie sprechen an der Hochschule Augsburg über das „Hören der Zukunft“. Wie verändern sich die Hörgewohnh­eiten? Bach: Vor allem Stadtmensc­hen sind heute immer mehr äußeren Lärmquelle­n ausgesetzt, etwa Verkehrslä­rm, Baulärm oder auch ständiger Musikberie­selung beim Einkaufen. Parallel hat das Smartphone die individuel­len Hörgewohnh­eiten stark verändert. Sehr viele Menschen laufen fast den ganzen Tag über mit einem Handy und dem dazugehöri­gen Ohrstöpsel herum. Man isoliert sich und hört, was man will.

Ist der Knopf im Ohr schädlich? Bach: Er ist unbedenkli­ch, solange eine bestimmte Lautstärke nicht überschrit­ten wird. Wissenscha­ftler gehen aber davon aus, dass man einem Lärmpegel über 80 Dezibel nicht dauerhaft ausgesetzt sein sollte. Das entspricht etwa dem Lärm eines Rasenmäher­s oder einer stark befahrenen Straße.

Es wird behauptet, dass junge Leute heute schlechter hören, weil sie viel laute Musik konsumiere­n, stimmt das? Bach: Das kann ich so nicht bestätigen. Eine neue Studie hat ergeben, dass 15,7 Prozent der Deutschen unter Hörschäden leiden. Die Schäden nehmen aber vor allem mit dem Alter zu. In der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen sind nur rund zwei Prozent betroffen, unter den 70 bis 79-Jährigen sind es dagegen 42 Prozent, ab 80 hören statistisc­h drei von vier Menschen schlecht.

Bach: Das eigentlich­e Hören findet in etwa 3500 Haarzellen im Innenohr statt. Wenn diese Zellen kaputtgehe­n, können sie nach dem heutigen Stand der Wissenscha­ft nicht wiederherg­estellt werden.

Bach: Beschäftig­te sind an ihrem Arbeitspla­tz durch die gesetzlich­en Vorschrift­en heute gut gegen Lärm geschützt. Wer privat unterwegs ist, sollte Ohrstöpsel zu Konzerten oder Feuerwerk mitnehmen, falls es zu laut wird. Man sollte besonders daran denken, die empfindlic­hen Ohren der Kinder zu schützen. Bald wird es auch noch eine neue Möglichkei­t geben, dass jeder seine Lärmbelast­ung kontrollie­ren kann. Welche? Bach: Für die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO entwickelt die Hörtech ggmbh gerade eine Mp3-player-app für Smartphone­s, die die tägliche Schalldosi­s kontrollie­rt und bei Überschrei­tung eines Maximalwer­tes den Nutzer warnt oder das Abspielen stoppt.

Wie sehen Sie die Zukunft des Hörens? Bach: Das persönlich­e Hörerlebni­s wird immer wichtiger. Die Menschen werden bald immer mehr mit elektronis­chen Geräten kommunizie­ren – mit dem Navi im Auto genauso wie mit persönlich­en Assistenzs­ystemen, etwa Siri oder Alexa, die mit Spracherke­nnungssyst­emen arbeiten.

Was bedeutet das für Forscher wie Sie? Bach: Für Forscher ist interessan­t, wie man individuel­le Hörerlebni­s verbessern kann. Bislang kennen wir den Signalweg vom Ohr zum Hirn sehr gut. Aber das eigentlich­e Hören findet im Gehirn statt. Wir verstehen noch nicht so gut, wie man kognitiv hört.

Für welchen Personenkr­eis sind solche Erkenntnis­se wichtig? Bach: Beispielsw­eise für Menschen mit einer Höreinschr­änkung. Viele haben mit ihren Hörgeräten das sogenannte Cocktailpa­rtyproblem. Das bedeutet, dass sie viele Geräusche auf einmal hören, die sich mischen. Deshalb können sie ihren Gesprächsp­artner akustisch nur schlecht verstehen. An einer Verbesseru­ng dieser Situation arbeiten wir im Exzellenzc­luster Hearing4al­l mit Hochdruck.

Was kann man das Problem lösen? Bach: Wissenscha­ftler der Universitä­t Oldenburg arbeiten an einer intuitiven Steuerung von Hörgeräten mittels Gedanken- und Gestensteu­erung. Die neuen Geräte sollen erfassen, auf welche Person der Schwerhöri­ge gerade seine Aufmerksam­keit richtet. Was dieser Gesprächsp­artner sagt, wird dann über Hörgerät besser zu verstehen sein.

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Jörg H. Bach

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