Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schlechte Nachrichte­n

Pressefrei­heit Weltweit hat sich die Lage für Journalist­en verschlech­tert. Das liegt natürlich auch an Entwicklun­gen wie in der Türkei. Aber es sind nicht nur die üblichen Verdächtig­en, bei denen die Situation für Medien schwierig ist. Ein Überblick

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Zum Thema Pressefrei­heit gibt es überwiegen­d schlechte Nachrichte­n. Das ist nichts Besonderes. Aber die jüngsten Entwicklun­gen geben Organisati­onen wie Reporter ohne Grenzen, die in der vergangene­n Woche ihre Rangliste der Pressefrei­heit vorgestell­t hat, immer mehr Anlass zur Sorge: In fast zwei Dritteln der dort berücksich­tigten 180 Länder hat sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr noch einmal verschlech­tert. Beunruhige­nd auch: Es sind nicht nur die üblichen Verdächtig­en unter den Diktaturen, die Zensur üben und Journalist­en verfolgen.

Auch in demokratis­chen Staaten sprechen Politiker zunehmend abfällig über Journalist­en, versuchen Medien zu kontrollie­ren oder unliebsame Berichters­tattung zu unterdrück­en,

Auch in Deutschlan­d ist die Lage nicht ideal

als Beispiele nennt Christian Mihr, Geschäftsf­ührer von Reporter ohne Grenzen, etwa USA, Großbritan­nien, Polen und Ungarn. Und in Deutschlan­d? Auch hier ist nicht alles so, dass es nicht besser werden könnte. Im Gegenteil.

Reporter ohne Grenzen kritisiert, erneut seien Journalist­en erschrecke­nd vielen tätlichen Angriffen, Drohungen und Einschücht­erungsvers­uchen ausgesetzt gewesen. „Immer wieder geraten einzelne auch ins Visier von Polizei und Justiz oder Geheimdien­sten und müssen sich gegen Durchsuchu­ngen oder Ausforschu­ng zur Wehr setzen“, so Mihr. Unveränder­t auf Platz 16 ist Deutschlan­d von der Spitze der Rangliste, wo Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark und die Niederland­e zu finden sind, weit entfernt.

Und weil die Lage weltweit prekärer wird, sei das für Deutschlan­d eigentlich eine Verschlech­terung, sagte der Vorsitzend­e des Deutschen Journalist­en-verbands (DJV), Frank Überall. Dass Deutschlan­d nicht weiter nach vorne gerückt ist, liege nicht zuletzt an staatliche­n Repression­en. „Stichwort Vorratsdat­enspeicher­ung, Bnd-gesetz, Whistleblo­werschutz. Ich darf daran erinnern, dass im Koalitions­vertrag stand, dass man den Schutz von Whistleblo­wern verbessern wollte“, sagte Überall. „Das ist nicht eingelöst worden, und das wird die Große Koalition bis zur Bundestags­wahl wohl auch nicht mehr schaffen.“

Der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­ands Deutscher Zeitungsve­rleger (BDZV), Dietmar Wolff, warnt vor einer Erosion der Glaubwürdi­gkeit: Hinter der erschrecke­nden Zunahme von Fake News in den sozialen Medien genau wie hinter den „Lügenpress­e“-vorwürfen stünden gezielte Interessen, das Vertrauen der Bevölkerun­g in die Medien zu erschütter­n. Das geplante Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz, das zum Beispiel Facebook zwingen soll, strafbare Inhalte zu löschen, sei keine Hilfe dagegen.

Auch Stephan Scherzer, Hauptgesch­äftsführer des Verbands Deutscher Zeitschrif­tenverlege­r (VDZ), kritisiert­e, so gut das Gesetz vielleicht gemeint sei, so sicher werde es die Meinungs- und Pressefrei­heit schwächen. Der Staat dürfe Facebook nicht zum größten Zensor machen, warnte er. Stattdesse­n fordert der VDZ unter anderem, nicht nur rechtswidr­ige Veröffentl­ichungen zu bekämpfen, sondern auch zu verhindern, dass Quasi-monopolist­en wie Facebook nach eigenem Gutdünken bestimmte rechtmäßig­e Inhalte nicht veröffentl­ichten.

In vielen anderen Ländern wird die Pressefrei­heit sehr viel direkter unterdrück­t, wie in der Türkei. Gerade erst in der vergangene­n Woche wurde dem Raphael Geiger die Verlängeru­ng seiner Akkreditie­rung verweigert. Und türkische Journalist­en trifft es oft noch deutlich härter. „Ich fürchte, dass die Verhaftung­swellen, die

Rangliste der Pressefrei­heit

1 Norwegen 2 Schweden 3 Finnland 4 Dänemark 5 Niederland­e 6 Costa Rica 7 Schweiz 8 Jamaika 9 Belgien 10 Island 11 Österreich (...) 16 Deutschlan­d (...) 39 Frankreich 40 Großbritan­nien (...) 43 USA (...) 155 (...) 177 Syrien 178 Turkmenist­an 179 Eritrea 180 Nordkorea (Quelle: Reporter ohne Grenzen) Türkei es immer wieder gegeben hat, noch nicht zu Ende sind“, sagte DJVCHEF Frank Überall. „Ob sich das jetzt nach dem Referendum ändern wird, da bin ich äußerst pessimisti­sch.“In der Rangliste der Pressefrei­heit rutschte das Land noch einmal um vier Plätze auf Rang 155 ab. Nach Einschätzu­ng von Marie Lucas, Türkei-expertin bei Amnesty Internatio­nal in Deutschlan­d, werden in dem Land inzwischen „alle kritischen Stimmen in atemberaub­enden Tempo mundtot gemacht“. Das treffe alle, die sich exponiert kritisch gegen die Regierungs­politik äußern.

„Nicht nur Journalist­en, auch Menschenre­chtler und zum Beispiel Organisati­onen, die sich mit der Situation der Flüchtling­e beschäftig­en“, sagte Lucas. Allerdings habe

Nordkorea ist mittlerwei­le das Schlusslic­ht

sich die Lage in der Türkei schon lange vor dem Putschvers­uch verschlech­tert, betont Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen: „In den vergangene­n zwölf Jahren ist das Land um insgesamt 57 Plätze auf der Rangliste der Pressefrei­heit abgerutsch­t.“

Auch in anderen Ländern sieht es seit Jahren mit Blick auf die Pressefrei­heit gleichblei­bend finster aus. Eritrea und Nordkorea haben ganz am Ende der Rangliste lediglich die Plätze 179 und 180 getauscht – Nordkorea liegt nun ganz hinten. Syrien bleibt auf Rang 177, China auf 176. Ob sich daran bis zum nächsten Tag der Pressefrei­heit viel ändert, ist nicht sehr wahrschein­lich.

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