Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Hambüchens Salto rückwärts
Wenn sich Eltern früher über ihre sporttreibenden Sprösslinge ausgetauscht haben, schlossen die Gespräche meist mit einem dahingeseufzten „Hauptsach’ weg von dr’ Stroaß“. Hinter dem Seufzer stand die Hoffnung, der Sport möge korrigieren, was die Alten versäumt haben, und die Sorge, auf der Straße drohe das Böse. Nicht gerade auf dem Mittelstreifen, aber an den Rändern, die Gaststätten, Spielhöllen und Sexshops säumten – all die Versuchungen, die junge Menschen vom rechten Weg abbringen können. Inzwischen haben die Straßen ihren Schrecken verloren, die Sexshops hat das Internet dahingerafft.
Trotzdem ist es wichtiger denn je, den Nachwuchs zum Sport zu bewegen. Heute heißt es: „Hautpsach’ raus aus ’m Zimmer“. Leibhaftige Menschen treffen und ganze Sätze sprechen. In besonders glücklichen Fällen findet einer draußen sogar ein richtiges Leben. Er muss ja nicht gleich Weltmeister werden wie Fabian Hambüchen, der Reck-künstler. Aber irgendwo ankommen, was ja auch heißt, lange einen Weg zu gehen. Der Sport schafft Ziele, strukturiert Zeit und Gedanken. Das ist für das Leben danach kein Nachteil.
Das Schwierige ist der Abstieg. Die meisten stürzen auf dem Rückweg ab. Fabian Hambüchen hat sich mit dem Olympiasieg 2016 in Rio vom internationalen Turnen verabschiedet. Und jetzt? Würde er gerne vom Rücktritt zurücktreten. Noch einmal Weltmeister werden 2019 in Stuttgart. Und danach wieder zurücktreten. Auch ein Weg, einen glänzenden Abgang zu vermasseln und Glaubwürdigkeit zu verlieren. Oder ist es Hambüchen zu ruhig geworden, sucht er PR. In der Tv-show „The story of my Life“beschwor er gestern die Liebe zu seiner Freundin Marcia Ev. Unglücklicherweise wurde die Sendung bereits 2016 aufgezeichnet. Im richtigen Leben sind die beiden schon lange kein Paar mehr. Vox hat trotzdem übertragen. Ein peinlicher Abgang für den Olympiasieger. Einen weiteren dieser Art sollte er sich ersparen.