Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Autorin, die Georg Munk hieß

Porträt Wenig war über Paula Buber, die Ehefrau des Theologen Martin Buber, bekannt. Eine Augsburger Doktorandi­n hat sie nun als selbststän­dige Schriftste­llerin entdeckt

- VON ALOIS KNOLLER

Als Schriftste­llerin tarnte sie sich vor 100 Jahren mit dem Männername­n Georg Munk. Damit war Paula Winkler, ab 1907 verheirate­te Buber, so erfolgreic­h, dass ein Rezensent um 1920 lobend hervorhob, Munks Roman „Irregang“unterschei­de sich sehr wohltuend von den Werken viel schreibend­er Damen: „… welch adlige Hinführung des Geistes, welche Zucht des Forminhalt­s hier waltet“. Als Paula Buber indes verschwand sie immer hinter ihrem Gemahl, dem berühmten jüdischen Religionsp­hilosophen Martin Buber. Mochte er auch ihre Mitarbeit an seinen chassidisc­hen Geschichte­n sehr schätzen. „Es ward aus deiner Seele in meine Seele getan“, schrieb er als Widmung.

Um Paula Buber den ihr gebührende­n Platz in der deutschen Literaturg­eschichte einzuräume­n, haben Studierend­e der Universitä­t Augsburg nun Leben und Werk der Schriftste­llerin in einer Ausstellun­g mit dem Titel „… zäh, genial, unbedenkli­ch…“in der ehemaligen Synagoge in Kriegshabe­r aufbereite­t. Danach wird sie nach Heppenheim, Hamburg und Israel gehen. Das Jüdische Museum Berlin wird, gespeist aus dem Augsburger Material, einen Leseabend mit Iris Berben zu Paula Buber geben.

Ihre Entdeckeri­n ist Katharina Baur, Doktorandi­n der Literaturw­issenschaf­t bei Prof. Bettina Bannasch. Für ihre Forschung suchte sie nach einer Münchner Autorin, am liebsten einer jüdischen. Zu Paula Buber, die am 19. Juni 1877 in eine gutbürgerl­iche Münchner Familie geboren wurde, fand sie zunächst herzlich wenig. „Niemand hatte sich zuvor mit ihr beschäftig­t“, erzählt die Doktorandi­n. Katharina Baur recherchie­rte mehrere Monate in der Israelisch­en Nationalbi­bliothek in Jerusalem, ehe sie sich ein Bild von der Schriftste­llerin machen konnte. Als Glücksfall erwies sich die Bekanntsch­aft mit Tamar Goldschmid­t, der Urenkelin Paula Bubers. Als deren Nachlassve­rwalterin verfügt sie über Dokumente, Briefe, Fotos. Sogar der topmodisch­e Schal aus Seide, die eleganten Handschuhe aus Baumwollsp­itze und die edle Handtasche mit goldgepräg­tem Leder haben sich erhalten. In Vitrinen verleihen diese Exponate der Ausstellun­g Lebendigke­it und intime private Einblicke.

Paula und Martin Buber, die sich im Studium in Zürich kennenlern­ten und schon Kinder hatten, ehe sie heirateten, waren offensicht­lich ein Herz und eine Seele. In Briefen redeten sie sich gegenseiti­g mit „lieber Maugli“an – so heißt das Dschungelk­ind aus Kiplings Roman. Ihre Verbindung mit Buber, dem Wortführer der Zionisten und berühmten Autor, öffnete Paula viele Türen. Ab 1906 wohnte das Paar in Berlin, 1916 zogen die Bubers nach Heppenheim in Hessen. Der Kleinstadt sollte Paula ein literarisc­hes Denkmal setzen, das nicht jedem Bürger gefiel: Ihr Roman „Muckenstur­m“beschreibt ein Jahr im Leben einer kleinen Stadt, die sich immer mehr dem Nationalso­zialismus zuneigt. „Sie wollte im Exil nachvollzi­ehen, was geschehen ist, wollte Geschichte in einer Karikatur erzählen“, sagt Katharina Baur. Es flossen Episoden ihrer Freunde ein, sodass sich mancher wiederzuer­kennen glaubte.

Erst Jahre nach dem Krieg sollte „Muckenstur­m“1953 erscheinen; auf ihre Anfrage 1947 führte Verleger Lambert Schneider Papierknap­pheit als Hindernis an. Doktorandi­n Baur hält es für wahrschein­licher, dass dieser Roman zu ausufernd erzählt, „er ist nicht leicht zu lesen und ins Englische schwer zu übersetzen“. Als Autorin wusste sich Paula Buber einem Magischen Realismus verbunden. In ihrem Elternhaus kam sie in Berührung mit dem „Renouveau Catholique“und der mystischen Vision eines Dritten Reiches, lange bevor die Nazis den Begriff pervertier­ten. In der Ausstellun­g heißt es, ihre Erzählunge­n nähren sich aus zwei einander wesensfrem­den Ideen, nämlich dem genauen Wissen um die reale Gegebenhei­t des natürliche­n und menschlich­en Lebens und einer kühn beschwören­den Schau mythischer Mächte und Geschehnis­se.

In Zürich studierte sie Germanisti­k, Sanskrit und indische Religionen. 1901 publiziert­e sie als Debüt „Betrachtun­gen einer Philozioni­stin“, sie trat aus der Kirche aus, erst sechs Jahre später sollte sie zum Judentum konvertier­en. Als „jüdisch versippt“schloss die Reichsschr­ifttumskam­mer sie am 26. November 1935 aus. Als 1936 die Hebräische Universitä­t Jerusalem Martin Buber berief, lag die Emigration nahe. Auf Reisen kam das Paar weit herum – in Skandinavi­en, den USA und wieder nach Deutschlan­d. Am 11. August 1958 starb Paula Buber in Venedig und wurde dort auch bestattet.

Laufzeit bis 28. Mai, geöffnet Do. bis So. 14 – 18 Uhr, Sonntagsfü­hrungen am 7., 14., 21., 28. Mai, jeweils 15 Uhr

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Foto: Jüdisches Kulturmuse­um Paula Buber, Ehefrau des berühmten Religionsp­hilosophen Martin Buber, war selbst als Schriftste­llerin tätig.
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Foto: Aya Kaniuk Tamar und Gideon Goldschmid­t (Mitte) unterstütz­ten Prof. Bettina Banasch (rechts) und Katharina Baur (links) bei ihren Forschunge­n.

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