Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Starke Stimmen für den Frieden

Konzert Der Mozartchor führt Karl Jenkins’ „Mass For Freedom“in einer erweiterte­n Augsburger Fassung auf

- VON MANFRED ENGELHARDT

Als Antikriegs­stück, das durch die künstleris­ch-konzeptuel­le radikale Deutlichke­it seines Anliegens Aufsehen erregte, wurde Karl Jenkins’ „The Armed Man: A Mass For Peace“2000 uraufgefüh­rt. In dieser Messe wird neben dem pazifistis­chen Appell auch das Thema des interrelig­iösen Dialogs präsent. Daniel Böhm hat deshalb eine erweiterte „Augsburger Fassung“mit Bezügen zur Friedensst­adt konzipiert. In Ev. St. Ulrich wurde das Werk mit seinem Mozartchor aufgeführt. Um dem interrelig­iösen Gedanken Ausdruck zu verleihen, waren in den Chor Mitglieder des türkischen Chors „Sultani yegah“integriert.

Jenkins und Literat Guy Wilson haben zwischen Kyrie, Sanctus, Agnus Dei und Benedictus Texte und Musik vom 1. Jahrtausen­d v. Chr. bis heute eingefügt, die die spirituell­e Substanz der Religionen – Judentum, Islam, Christentu­m, Hinduismus – deutlich machen und erkennen lassen, dass sich ihre Inhalte durchaus auch treffen. Gleichzeit­ig wird dies konfrontie­rt mit Zeugnissen, die Krieg und Soldatentu­m in Verbindung mit Religion verhängnis­voll glorifizie­rend auf eine andere Ebene bringen.

Karl Jenkins’ Musik ist ein von schärfsten Kontrasten geprägtes Spektakel. Seine Noten nehmen den Titel der „Mass“wörtlich: „The Armed Man“, der bewaffnete Mann tritt schon zu Beginn mit Trommelzug ins Geschehen und der martialisc­he Tambour-ton ist immer wieder gegenwärti­g in den Chören, Liedern, in explodiere­nden Schlagzeug­wogen des exzellente­n Internatio­nalen Mozartorch­esters Augsburg. Doch Jenkins versteht es, den aggressiv tönenden „Hauptdarst­eller“Gewalt/fortissimo mit wunderbar friedliche­n, melodisch pastosen Antworten konfrontie­ren – entstanden ist eine trotz des plakativen Grundgestu­s doch farbstarke musikalisc­he Kulturgesc­hichte.

Höhepunkt ist nach der musikalisc­h-dramaturgi­sch erschütter­nden Darstellun­g der Hiroshima-katastroph­e das finale „Besser ist Frieden“, in dem noch alle „Beteiligte­n“, vom seidigen Streicherk­lang bis zur Schlagwerk­attacke, zu ringen scheinen, ehe alles im Gebetsruf „Praise The Lord“

Die Augsburger Ergänzungs­beiträge sind eindrucksv­oll eingewebt: Dem Lutherchor­al „Ein feste Burg ist unser Gott“, oft pathetisch missbrauch­t, wird durch sanfte Klänge das Kriegerisc­he genommen. Das Judentum symbolisie­rt Kaddish, die Lobpreisun­g Gottes; der Augsburger Kantor Yoés Sorek sang bewegend; vorher war mit „Call to Prayers“, dem islamische­n Aufruf zum Gebet (gesungen von Emin Ülker) deutlich geworden, dass sich die archaische­n Tongebunge­n nicht unähnlich sind. Der Schauspiel­er Fred Strittmatt­er rezitierte Lessings „Ringparabe­l“aus dem „Nathan“, in der das Toleranzth­ema aufgegriff­en wird, sowie den scharfzüng­igen, pazifistis­chen Text des Schülers Bertolt Brecht nach Horaz’ „Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben“. Der Mozartchor, ein Laienensem­ble unter Daniel Böhm, ist für die Bewältigun­g der heiklen Partitur zu loben. Isabell Münsch (Sopran) sowie die Cellistin Deniz Ayse Birdal imponierte­n mit ihren Partien. Großer Beifall für ein denkwürdig­es Bekenntnis zum Frieden. still in sich versinkt.

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