Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
China nimmt an Airbus Maß
Technologie Europäer und Amerikaner bekommen Konkurrenz aus dem asiatischen Land. Doch das dauert noch einige Jahre
Shanghai China kann Raumschiffe ins All schießen, ist Marktführer bei Elektroautos und hat das Land in Rekordzeit mit einem dichten Netz von Hochgeschwindigkeitszügen überzogen. Nur beim Bau von Passagierflugzeugen tat sich die nach technischem Fortschritt lechzende Volksrepublik bislang schwer.
Doch auch das ändert sich. Nach mehrjähriger Verzögerung hob mit der C919 am Freitag in Shanghai die große Hoffnung des chinesischen Flugzeugprogramms zu ihrem Jungfernflug ab. Nachdem der staatliche Hersteller Comac im vergangenen Jahr mit dem kleinen Regionaljet ARJ-21 loslegte, folgt mit der C919 nun der erste große Mittelstreckenflieger aus chinesischer Fertigung. Die Maschine soll mit ihren 168 Sitzen und einer Reichweite von 4075 Kilometern mit Boeings 737 und dem Airbus A320 konkurrieren, zwei der meistverkauften Flugzeuge der Welt. Mindestens zwei bis drei Jahre wird Comac laut Kennern noch testen müssen, bevor sie bereit ist für den Massenmarkt. Erst dann kann die Aufholjagd Fahrt aufnehmen.
Bis 2024, so sagt es die Internationale Luftfahrtorganisation IATA vorher, wird China zum größten Passagiermarkt der Welt aufsteigen. Mehr als 6000 neue Flugzeuge im Wert von rund einer Billion Euro dürften chinesische Airlines in den nächsten zwei Jahrzehnten ordern. Ein riesiges Geschäft also, das Peking nicht länger allein dem europäisch-amerikanischen Duo überlassen will. „Natürlich ist es unser Ziel, ein dritter großer Spieler auf dem Markt zu werden“, sagt Yang Shao, der Chinas bekannteste Schule für Luftfahrttechnik in Beihang leitet. Die C919 sei allerdings nur „der erste Schritt“.
Bis China auf Augenhöhe mit den Wettbewerbern fliegen kann, ist es auch nach Ansicht anderer Luftfahrtexperten noch ein weiter Weg. Wegen Verzögerungen bei der Entwicklung, die ursprünglich schon 2016 abgeschlossen sein sollte, werde Comac der Konkurrenz zur Markteinführung der C919 „um Jahre hinterherhinken“, glaubt der Flugzeugexperte und Autor Derek Levine. Comac werde seine Maschinen dank massiver staatlicher Hilfe zwar günstig anbieten können. Vor allem ein höherer Kerosinverbrauch würde den Kostenvorteil für Fluglinien aber schnell wieder aufzehren.
Selbst Chinas Staatsmedien blieben am Freitag zurückhaltend in ihrer Bewertung. In den kommenden Jahrzehnten würden chinesische Flieger zwar sicher zu einer „starken Alternative“werden. Kurzfristig sei es jedoch „unrealistisch“, dass die Vorherrschaft von Airbus und Boeing gebrochen wird, schrieb die staatliche Nachrichtenagentur
Comac solle vielmehr wie bisher auf Kooperationen mit den westlichen Herstellern setzen. Schließlich war das auch bisher das Erfolgsrezept. Peking hatte Airbus und Boeing bereits vor Jahren verpflichtet, gemeinsam mit Comac Endmontage-fabriken zur Auslieferung ihrer Flugzeuge in China zu betreiben.