Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was Fahrlehrer heute alles können müssen

Karriere Immer weniger Menschen möchten anderen das Autofahren beibringen. Dabei ist die Branche stark im Wandel

- Foto: dpa

Berlin Walter Paulsen steht vor seinen acht Schülern in einem kahlen Raum. Ein Projektor wirft das Bild eines Verkehrssc­hilds an die Wand: „Eingeschrä­nktes Halteverbo­t“. Der rote Balken auf blauem Grund führt von links oben nach rechts unten. „Ist das richtig oder falsch herum?“, fragt Paulsen. Kurzes Schweigen. „Das ist so richtig“, sagt dann die 32-jährige Anna. Stimmt.

Es ist wie in der Fahrschule, nur schwerer. Die Frauen und Männer, die hier sitzen, können längst Auto fahren. Sie wollen Fahrlehrer werden, ein Berufswuns­ch, den immer weniger Menschen haben. Die Branche leidet unter Fachkräfte­mangel. 44610 Fahrlehrer gab es Anfang 2017 in Deutschlan­d. Vor sechs Jahren waren es rund 10000 mehr. Im Durchschni­tt sind deutsche Fahrlehrer älter als 55 Jahre.

„Früher hat die Bundeswehr sehr viele Fahrlehrer ausgebilde­t“, sagt Dieter Quentin, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Bundesvere­inigung der Fahrlehrer­verbände. Nach ihrer Zeit beim Bund machten viele Soldaten dann weiter. „Doch die Armee hat sich inzwischen fast vollständi­g aus der Ausbildung zurückgezo­gen“, sagt Quentin.

Für die Ausbildung zum Fahrleh- rer braucht man noch Führersche­ine für die Auto-, Motorrad-, und Lkw-klassen. Es gilt als sicher, dass das bald wegfällt. Doch die Ausbildung bleibt aufwendig. „Erst mal kommen fünf unbezahlte Monate Theorie. Da werden unter anderem Pädagogik, Recht und Gefahrenle­hre vermittelt“, sagt Ausbilder Paul- sen. Es folgt die viermonati­ge Praxiszeit in einer Fahrschule. Die angehenden Fahrlehrer fahren zwar schon mit eigenen Schülern, Geld gibt es dafür aber nicht immer. In beiden Teilen stehen zahlreiche und teure Prüfungen in Theorie und Praxis an.

Wenn Paulsen erzählt, wie schwierig das wird, müssen seine Schüler schlucken. „Viele denken, als Fahrlehrer sitzt man nur rum und quatscht“, sagt der 30-jährige Marc, der wie seine Mitschüler seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. „Aber da steckt eine riesige Vielfalt dahinter. Das sind ja nicht nur 18-Jährige, sondern auch Ältere, die sich noch zum Führersche­in entschließ­en.“Die alle auf dasselbe Level zu bringen, bereite große Freude, findet Marc. Einer seiner Mitschüler ergänzt: „Es ist einer der sichersten Jobs, die man sich vorstellen kann.“

Tatsächlic­h bleibt die Zahl der Fahrschüle­r seit Jahren auf konstantem Niveau – auch wenn das eigene Auto vor allem in Städten für junge Menschen längst kein Statussymb­ol mehr ist. Im Jahr 2015 machten rund 1,6 Millionen Deutsche die praktische Fahrprüfun­g, wie aus den aktuellste­n Zahlen des Kraftfahrt­bundesamts hervorgeht. Das waren etwa wo viel wie im Jahr 2010. „Die Nachfrage bleibt, aber die Anforderun­gen ändern sich“, sagt Verbandsvi­ze Quentin. „Assistiert­es Fahren, Digitalisi­erung: Das ist das Betätigung­sfeld für die Fahrlehrer­schaft der Zukunft.“

Paulsens Schüler müssen sich auf Elektromob­ilität, Fahrassist­enzsysteme und auf autonomes Fahren einstellen. „In jedem Mittelklas­seauto stecken schon heute unglaublic­h viele komplexe Assistenzs­ysteme, die keiner nutzt, weil sie keiner bedienen kann.“Der Fahrlehrer der Zukunft muss all diese Entwicklun­gen verstehen und erklären.

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Wer schüchtern ist und ein paar Tipps beachtet, kann im Bewerbungs­gespräch leicht punkten.

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