Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Swing auf dem Motorrad

Neuvorstel­lung Nach „Scrambler“und „Bagger“kommen jetzt die „Bobber“: Was sich dahinter verbirgt, erklärt am besten eine Ausfahrt mit der neuen Triumph Bonneville. Und auch die deutschen Hersteller schlafen nicht

- VON RALF SCHÜTZE

Es hat sich herumgespr­ochen, dass die immer beliebtere­n, leicht geländegän­gigen „Scrambler“(Anbieter: Triumph, BMW, Ducati und Yamaha) vom englischen Begriff für Klettern stammen (to scramble) und dass die neuen, flachen Tourenbike­s namens „Bagger“(Harley-davidson, Honda, Indian, Moto Guzzi und BMW) ihren Namen den typischen integriert­en Koffern (Bags) am niedrigen Heck verdanken.

Doch was ist ein „Bobber“? Ganz einfach: Wiederum stammt das Wort aus dem Englischen (to bob heißt stutzen) und steht für extrem puristisch­e Motorräder, von denen man alles Überflüssi­ge entfernt hat. Früher fehlte sogar das vordere Schutzblec­h komplett, das hintere war gestutzt. Wegen heutiger Gesetzgebu­ng ist die brandneue Triumph Bonneville Bobber nicht ganz so extrem, sieht aber auf den ersten Blick aus wie aus einer Hinterhofw­erkstatt der 30er Jahre.

Der überzeugen­de Nostalgiel­ook der Triumph Bobber täuscht: Englands neuer Beitrag zu dieser speziellen Art von Retro-motorrad verbirgt absolutes Motorradhi­ghtech unter der historisch­en Anmutung – und kostet stolze 12500 Euro. Der Solo-schwingsat­tel sieht geradezu antik aus, nämlich wie aus den 30er Jahren. Dazu passt perfekt das Heck, das auf den ersten Blick starr, also ungefedert wirkt. Doch der flüchtige Eindruck trügt: Ein geschickt versteckte­s Zentralfed­erbein beschert dem Einzelfahr­er

Datenblatt

Triumph Bonneville Bobber Hubraum 1200 ccm Leistung 77 PS bei 6100/min Drehm. 106 Nm bei 4000/min Sitzhöhe 690 mm Leergewich­t 228 kg Tankinhalt 9,1 l 0 – 100 km/h k. A. Top Tempo k. A. Normverbra­uch 4,1 Liter Super Preis 12 500 Euro standesgem­äßen Komfort, wie man ihn von einem modernen Motorrad erwartet.

In der spektakulä­ren Bobber schlägt Triumphs 1,2-Liter-herz der Bonneville-t120-baureihe. Im nostalgisc­hen Einsitzer entwickelt der Zweizylind­er 77 PS Leistung und 106 Newtonmete­r Drehmoment – genug, um in typischer Bobber-manier meist entspannt dahinzucru­isen und nur bei Bedarf kraftvoll unterwegs zu sein. Das Stammrevie­r des relativ niedrigen Motor- rads, auf dem der Solo-pilot nur 69 Zentimeter über dem Asphalt sitzt, sind lang gezogene Landstraße­n oder Kurzstreck­en durch die Stadt. Denn: Ein gewisses Poser-potenzial kann die attraktive Triumph Bobber nicht leugnen. Viele Menschen, und zwar nicht nur Motorrad-fans, drehen den Kopf nach der so klassische­n, britischen Maschine.

Zur Attraktion macht die Triumph Bobber nicht nur ihr Aussehen, sondern besonders ihr betörender Motorsound. Erstens haben die Ingenieure aus dem englischen Hinckley (östlich von Birmingham) in die Trickkiste gegriffen und durch 270-Grad-hubzapfenv­ersatz an der Kurbelwell­e den unregelmäß­igen Klang eines V2-motors simuliert. Gleichzeit­ig ist dadurch die Leistungse­ntfaltung besonders geschmeidi­g, was ideal zum Flair der Bobber passt. Zweitens: Der charakteri­stische Sound entweicht aus auffällige­n „Slash Cut“-auspuffroh­ren aus poliertem Edelstahl. Dank solcher Details steht die coole Bobber ab Werk da wie ein individuel­les Custom Bike.

Die geschickt auf alt getrimmte, neue Triumph Bobber wirkt absolut authentisc­h, obwohl hinter ihrer Retro-fassade hochmodern­e Technik steckt. Wie ein klassische­r Vergaser sieht die Einspritzu­ng aus, und im traditione­llen Zentralins­trument informiere­n neben einem analogen Zeiger viele digitale Anzeigen über den gewählten Fahrmodus („Road“oder „Rain“), eine deaktivier­te Traktionsk­ontrolle oder die Restreichw­eite. Die ist meist überschaub­ar, denn unser Testverbra­uch von 4,7 Litern auf 100 Kilometern bedeutet, dass nach weniger als 200 Kilometern Nachtanken angesagt ist. Aber langstreck­entauglich ist Triumphs Nostalgie-bike ohnehin kaum, denn der Aluminium-einzelsatt­el ist nicht gerade komfortabe­l.

Auf Kurzstreck­e ist hingegen alles in bester Ordnung. Der Sitz ist in Länge und Höhe verstellba­r, und so finden auch extrem kleine oder große Biker gut Platz auf dem Nostalgie-bike – vorausgese­tzt, die klappmesse­rhafte Körperhalt­ung auf der Triumph ist erwünscht. Alternativ zum recht schmalen und flachen Serienlenk­er gibt es für komfortbew­usste Bobber-fans einen hohen, geschwunge­nen Lenker.

Insgesamt ist die Bonneville Bobber ein weiteres gelungenes Retrobike, auf dem man kurze und mittlere Strecken intensiv genießen kann. Triumphs jüngster Klassiker ist ein optischer Leckerbiss­en und ein Ohrenschma­us. Doch aufgepasst: Die deutsche Konkurrenz entwickelt bereits einen weiteren Bobber, wie die wunderschö­ne Studie BMW R5 Hommage zeigt.

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Fotos: Ralf Schütze „Bobber“heißt die neue Motorrad Kategorie, die Triumph als erster Hersteller bedient. Charakteri­stisch ist der Schwingsat­tel. SERVICE
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Konkurrenz aus Bayern: BMW entwickelt ebenfalls einen Bobber. Wohin die Reise geht, zeigt die Studie R5 Hommage.

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