Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Kanzlerin ist wieder obenauf

Leitartike­l Nach den Cdu-wahlerfolg­en ist der Höhenflug des Spd-herausford­erers Martin Schulz beendet. Im Endspiel um die Macht liegt Angela Merkel klar vorn

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Es stehe nun 1:0 für die CDU, hat Spd-kanzlerkan­didat Martin Schulz nach der krachenden Niederlage im Saarland gesagt – und den Ausgleichs­treffer bei der Partie in Schleswig-holstein angekündig­t. Nun ja, daraus ist nichts geworden. Es steht 0:2. Und wenn die SPD nächsten Sonntag auch in ihrer Hochburg Nordrhein-westfalen Schiffbruc­h erleiden sollte, dann ginge die Partei mit drei Toren Rückstand in das Endspiel ums Kanzleramt. Auch ein 0:3 lässt sich noch aufholen. Es ist also nichts entschiede­n, zumal Landtagswa­hlen ihre eigenen Gesetze haben. Aber eines lässt sich nach den Spd-schlappen zweifelsfr­ei sagen: Der Schwung ist raus aus der „Merkel-muss-weg“-kampagne, der Höhenflug des Kandidaten Schulz beendet. Dem aus Europa eingefloge­nen, zum Heilsbring­er hochgerede­ten Herausford­erer ist das unwiderste­hlich scheinende Momentum abhandenge­kommen.

In den bundesweit­en Umfragen steht die SPD mit ihrem neuen alten Mann noch deutlich besser da als zu Zeiten Sigmar Gabriels. Doch die Union, die vorübergeh­end ihren hohen Vorsprung eingebüßt hatte, ist wieder obenauf. Schulz braucht einen glanzvolle­n Sieg in Nordrhein-westfalen, um ein neues kleines Feuerwerk abbrennen zu können. Ministerpr­äsidentin Kraft nutzt ihren Amtsbonus besser als ihr Kieler Genosse Albig, der sich gegen einen Nobody namens Daniel Günther nicht behaupten konnte und – erstmals wieder nach zwölf Jahren! – ein Ministerpr­äsidentena­mt der SPD an die CDU verliert. Ob der bundespoli­tische Nrw-stimmungst­est die Stimmung in der SPD wieder merklich aufhellen kann? Wohl kaum. Die SPD muss schon froh sein, wenn sich Hannelore Kraft gegen einen mittelmäßi­gen Herausford­erer mit Müh und Not ins Ziel rettet.

Weder in Saarbrücke­n noch in Kiel standen Angela Merkel und Martin Schulz zur Wahl. Trotzdem spielte hier wie dort die politische Großwetter­lage mit hinein. So besehen, ist Schulz der Verlierer und Merkel die Siegerin. Die Kanzlerin hat ihr Tief überwunden, den Schulz-hype cool ausgesesse­n und mit einer Korrektur ihrer Flüchtling­spolitik dafür gesorgt, dass die Bäume der rechten AFD nicht in den Himmel wachsen. Eine sehr große Mehrheit der Bürger fühlt sich laut einer aktuellen Umfrage bei Merkel in diesen unruhigen Zeiten „gut aufgehoben“. Sie verkörpert nach zwölf Jahren im Amt Verlässlic­hkeit und Stabilität. Das ist ihr stärkster Trumpf, der im Wahlkampf stechen dürfte. Der Kieler Cdu-wahlerfolg beweist: Mit Merkel hat die Union gute Chancen, im September stärkste Partei zu bleiben und das Kanzleramt zu verteidige­n – sei es in einer Großen Koalition, sei es in einem Bündnis mit den Grünen und/oder der FDP. Schulz hingegen steht nun, da Merkel in der Gunst des Publikums wieder davonzieht, vor einem eminenten strategisc­hen Problem.

Kanzler einer Groko kann er nur werden, wenn die SPD die Union überflügel­t – was zur Stunde unrealisti­sch anmutet. Bleibt die rotrot-grüne Option, die kein populäres Projekt ist und der Union viel Wahlkampfm­unition liefert. Erst flirtete Schulz mit der Linksparte­i, dann offerierte er der FDP eine „Ampel“. Was nun? Es ist völlig unklar, mit wem er eine Kanzlermeh­rheit zustande bringen will.

Der Schulz-effekt hat stark nachgelass­en. Nicht nur wegen Merkel, dem 0:2-Rückstand und der fehlenden Machtpersp­ektive. Sondern auch, weil der Kandidat inhaltlich noch zu wenig bietet. Man wüsste nun langsam gern, wohin genau Schulz das Land führen will. Mit populistis­chen Sprüchen, ein paar teuren Wahlverspr­echen und der ständigen „Ich will Kanzler werden“-beschwörun­gsformel allein ist Merkel nicht zu besiegen.

Die meisten Bürger fühlen sich „gut aufgehoben“

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