Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Deutsch, Mathe, Mandarin

Gymnasium Erstmals können sieben bayerische Schüler ihr Abitur im Fach Chinesisch schreiben

- VON JAKOB STADLER Foto: Peter Kneffel, dpa

München Leon Habig beginnt mit einem schrägen Strich, darunter eine gerade Linie und mehrere Rechtecke. Die Zeichen, die der 17-Jährige an die Tafel in einem Klassenzim­mer des Münchner St.-annagymnas­iums schreibt, sind wohl für die meisten Schüler eine unsinnige Abfolge von Strichen. Doch Leon weiß, was er schreibt. Ausgesproc­hen wird es „Gaozhong biye“und bedeutet „Abitur“. Seit fünf Jahren lernt Leon mit 17 Klassenkam­eraden Chinesisch, genauer gesagt Mandarin, also Hochchines­isch. Die Schüler nahmen in der Zeit auch zweimal an einem zehntägige­n Schüleraus­tausch teil. Am Freitag schreiben sieben von ihnen ihr schriftlic­hes Abitur in Chinesisch – das gab es in Bayern bisher noch nie.

Die Schüler haben sich dafür entschiede­n, auch wenn es Fächer gibt, bei denen der Lernaufwan­d geringer ist. Chinesisch­lehrerin Barbara Guber-dosch sagt: „Für Chinesisch muss man im Prinzip jeden Tag etwas machen.“Ganz durchgezog­en habe das allerdings keiner, gibt Abiturient­in Amelie Binder zu. „Drei- oder viermal pro Woche“beschäftig­e man sich aber schon mit den Schriftzei­chen. Die zu lernen, sei „wie Vokabeller­nen, nur ein bisschen extremer.“Der Lernaufwan­d sei aber „nicht unverhältn­ismäßig“. Die Wahl des Faches habe keiner von ihnen bereut, sagen die Schüler.

Rund 800 verschiede­ne Schriftzei­chen beherrsche­n die Abiturient­en aktiv – sie können diese also nicht nur erkennen, sondern auch in eigenen Texten verwenden. Das müssen sie in der Abi-prüfung auch, denn die ist aufgebaut wie in jeder anderen modernen Fremdsprac­he: Hörversteh­en, eine Textanalys­e und eine Übersetzun­g vom Deutschen ins Chinesisch­e. Außerdem müssen die Schüler einen Aufsatz schreiben, bestehend aus 800 bis 1000 chinesisch­en Zeichen. Die Prüfung, die nur die sieben Schüler des St.-annagymnas­iums ablegen, hat eine fünfköpfig­e Kommission des Kultusmini­steriums erstellt.

Als die Schüler 2012 in der achten Klasse mit Chinesisch als dritter Fremdsprac­he begannen, war es ein Pilotproje­kt. Wissenscha­ftlich begleitet wird es von der Universitä­t Würzburg. Professor Roland Altenburge­r besuchte regelmäßig den Unterricht, um zu überprüfen, ob das Projekt funktionie­rt. Er stellte ein positives Zeugnis aus, deshalb konnten auch die aktuellen achten und neunten Klassen des Münchner Gymnasiums Chinesisch als dritte Fremdsprac­he wählen. Sie haben später ebenfalls die Möglichkei­t, schriftlic­hes Abitur in dem Fach zu machen. Eine mündliche Abi-prüfung ist an mehreren Gymnasien in Bayern möglich, an denen die Schüler Chinesisch ab der zehnten Klasse lernen können – etwa am Gymnasium St. Ottilien bei Landsberg.

Ein paar Chinesisch­kenntnisse würden auch Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) helfen – der ist am Montagaben­d nach China geflogen, natürlich mit Dolmetsche­r. Abiturient Anton Fischerkoe­sen gibt ihm einen Tipp: „Die Chinesen sind sehr gastfreund­lich. Wichtig ist: zurückläch­eln und jeden mit Respekt behandeln.“

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Abiturient Leon Habig hält eine Seite aus seinem Heft mit chinesisch­en Schriftzei­chen in der Hand. Auf der Tafel steht „Abitur 2017“in Chinesisch.

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