Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gefährden große Jets kleine Flieger?

Luftfahrt Riesenmasc­hinen wie der Airbus 380 verursache­n Turbulenze­n. Im Arabischen Meer wäre fast ein deutsches Flugzeug abgestürzt. Behörde untersucht Beinahe-katastroph­e

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Karlsruhe/braunschwe­ig Ein deutscher Business-jet gerät über dem Arabischen Meer ins Trudeln. Er dreht sich mehrmals um die Achse und stürzt über 2000 Meter tief, bevor die Piloten das Flugzeug auffangen und in Muskat im Golfstaat Oman landen können. Vier nicht angeschnal­lte Passagiere und eine Stewardess werden verletzt, das Flugzeug ist schwer beschädigt. Haben Luftverwir­belungen – sogenannte Wirbelschl­eppen – eines Großflugze­ugs die zweistrahl­ige Challenger vom Typ 604 beinahe vom Himmel geholt? Dafür spricht aus Sicht von Experten einiges.

Demnächst will die Bundesstel­le für Flugunfall­untersuchu­ng (BFU) in Braunschwe­ig ihren Zwischenbe­richt zu dem Beinahe-absturz vom 7. Januar veröffentl­ichen. Das Ergebnis wird mit Spannung erwartet. Zwar hat es über Deutschlan­d bislang nichts Vergleichb­ares gegeben. Lehren aus dem Unfall könnten gleichwohl gezogen werden. Wirbelschl­eppen sind ein bekanntes Phänomen: Vor allem bei Start und Landung können kleinere Flieger in den Sog von größeren geraten.

Hoch über dem Arabischen Meer war seinerzeit ein Passagier-albtraum wahr geworden. Eben noch lag der zweistrahl­ige Business-jet ruhig in der Luft. Dann aber wirbelte die 20-Tonnen-maschine plötzlich herum wie ein Papierflie­ger im Windkanal. Die linke Tragfläche

Unsichtbar­es Risiko

Jedes Flugzeug erzeugt in der Luft unsichtbar­e Turbulenze­n, die für nachfolgen­de Maschinen gefährlich werden können. Die Stärke dieser sogenannte­n Wirbelschl­eppen hängt ab von Größe, Gewicht und Ge schwindigk­eit der Maschine.

Wirbelschl­eppen entstehen vor al lem am Flügelende. Dort treffen der Unterdruck der Tragfläche­noberseite und der Überdruck der Unterseite aufeinande­r. Die Luft vermischt sich mit großer Kraft.

Der Druckunter­schied ober und un schlug nach unten um. Dreimal rollte der Jet um seine Längsachse, er rüttelte und schüttelte, die Passagiere schrien. Alle, die nicht angeschnal­lt waren, flogen in der Kabine umher und versuchten verzweifel­t, sich an irgendetwa­s festzuklam­mern. Zum Glück konnten die Piloten die Maschine wieder unter Kontrolle bekommen. Experten halten es für möglich, dass Wirbelschl­eppen als Auslöser in Frage kommen.

Nach Medienberi­chten sollen zu dem Zeitpunkt vier sehr große Flugzeuge in der Region unterwegs gewesen sein, darunter drei Airbusmasc­hinen vom Typ A 380, das derzeit größte Passagierf­lugzeug der Welt.

Lotsen wie Piloten kennen die Risiken. Landet ein kleineres Flugzeug hinter einem Jumbojet, muss es an Flughäfen unbedingt einen Mindestabs­tand einhalten. Rund 1,8 Millionen Flüge im Jahr kontrollie­rt die Deutsche Flugsicher­ung DFS von Karlsruhe aus in Europas größter Kontrollze­ntrale für den oberen Luftraum über 7500 Metern Höhe. In den vergangene­n Jahren hat sie insgesamt nur ein Dutzend Wirbelschl­eppen-ereignisse registrier­t, meist Turbulenze­n ohne größere Folgen.

Einen Unfall wie 2001 in New York, wo eine Wirbelschl­eppe nach dem Start 260 Menschen in den Tod riss, gab es im deutschen Flugraum bisher zum Glück nicht.

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Foto: Federico Gambarini, dpa Hinter großen Passagierm­aschinen entstehen automatisc­h Turbulenze­n – sogenannte Wirbelschl­eppen – die möglicherw­eise sehr gefährlich für kleinere Flugzeuge werden können.

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