Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

WM auf der Schäl Sick, der falschen Seite

- VON MILAN SAKO ms@augsburger allgemeine.de

Der Kölner gilt gemeinhin als Frohnatur – kontaktfre­udig und dem Gerstensaf­t nicht abgeneigt. Die Heimat der großartige­n Kölner Haie ist geradezu prädestini­ert, die Gäste aus der ganzen Eishockey-welt zu beherberge­n. Aber diese WM hat einen Makel: Sie findet auf der „Schäl Sick“, der falschen Seite des Rheins statt. Zwar liegt die 18 700 Zuschauer fassende Lanxess-arena in Sichtweite des Kölner Doms, aber das ist für den eingefleis­chten Kölner so weit weg wie Sibirien. Weil: auf der falschen Seite des deutschen Stroms. Es geht die Legende, dass Konrad Adenauer in seiner Zeit als Oberbürger­meister der Domstadt der rechten Rheinseite nicht zugetan war. Auf einer Zugfahrt soll er bereits auf der Hohenzolle­rnbrücke die Gardinen seines Abteils mit dem Kommentar zugezogen haben: In Deutz beginnt der Bolschewis­mus.

Wie Recht er doch hat, der Adenauer. Bis heute. In diesen Maitagen erlebt Köln die Invasion der Russen. Täglich spucken Bahnen und Busse im Minutentak­t Osteuropäe­r aus, die in Sbornaja-trikots den Stadtteil Deutz stürmen. Auch gestern beim Wm-duell gegen Deutschlan­d sorgten die Gästefans fast für Heimspiel-atmosphäre.

Aber auch die deutschen Anhänger machen genauso wie Letten oder Slowaken auf sich aufmerksam. Der neueren Sitte folgend nuckeln sie ihr Wegebier und bekämpfen sich friedlich mit Sprechchör­en. Einige versprengt­e Schweden trinken in den umliegende­n Kneipen ihr Gratis-kölsch, so empfinden es zumindest die Sverige-männer im Vergleich zu den astronisch­en Alkohol-preisen in ihrer Heimat.

In Deutz ist die WM angekommen, in Köln ist die Stimmung lau. In der Stadt regierte zum Wm-beginn noch der FC. Nach dem furiosen 4:3-Erfolg am Freitag gegen Bremen füllten die Fußball-fans die Kneipen der Stadt.

In der Lanxess-arena ist die Eishockey-welt jedoch in Ordnung. Die drei deutschen Spiele bisher waren mit jeweils 18700 Besuchern ausgebucht. Laut Deb-präsident Franz Reindl sind über 500 000 der 886 000 Tickets verkauft. Der Wmerlös von mindestens 1,5 Millionen Euro soll in die klamme Verbandska­sse fließen. Und wenn die deutsche Mannschaft mit Siegen gegen nun leichtere Gegner für Furore sorgt, schwappt die Wm-stimmung von Sibirien bis nach Köln hinüber.

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Foto: Imago Für die russischen Fans ist jeder Spieltag ein Feiertag.
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