Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Khedira kämpft gegen seine Vergangenh­eit

Champions League Der Mittelfeld­spieler hat schon etliche Titel gewonnen – war aber in den entscheide­nden Spielen oft verletzt. Nun befindet er sich in der Form seines Lebens und will mit Juventus ins Finale

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Turin Eine Taxifahrt in Turin: Man steigt ein, schnell kommt das Gespräch auf Fußball und Juventus Turin. Der Fahrer zeigt sein Juventus-tattoo auf dem Unterarm. Man spricht über Torwart Gigi Buffon, über Stürmer Gonzalo Higuaín und den jungen Genius Paulo Dybala. Als man dann wissen will, was der eingefleis­chte Juve-anhänger von Sami Khedira, dem deutschen Weltmeiste­r in den Reihen von Juventus Turin, hält, antwortet er: „Non mi fa impazzire!“Nicht so toll, meint der Taxifahrer. Es ist das fußballeri­sche Schicksal des Sami Khedira, dass er die Herzen der Fans nicht sonderlich erwärmt.

Das liegt an seiner Position als Abräumer vor der Abwehr und an seinem Spiel, das eher unauffälli­g und unspektaku­lär daherkommt. Khedira bemerkt man erst, wenn er nicht auf dem Platz ist, behaupten einige. In Sachen Effektivit­ät, Ordnung und Spielintel­ligenz können dem 30-jährigen Schwaben aber nur wenige das Wasser reichen. Das wissen vor allem Khediras Trainer, die ihn immer einsetzen, wenn es denn geht. Auch am heutigen Dienstag wird der Mittelfeld­spieler auf dem Platz stehen, wenn Juventus Turin im Rückspiel des Halbfinale­s der Champions League den AS Monaco empfängt.

Das Hinspiel gewannen die Italiener bereits mit 2:0. Khedira war damals gesperrt. Den Ausfall seines Ordnungshü­ters im Mittelfeld kompensier­te Trainer Massimilia­no Allegri mit einer taktischen Umstellung der gesamten Mannschaft. Anstatt des 4-2-3-1-Systems, mit dem der Coach Juventus seit drei Monaten fix spielen lässt, brachte Allegri mit Andrea Barzagli einen dritten Innenverte­idiger. „Weil Khedira fehlte“, so begründete der Trainer seinen Schritt, eine defensiver­e Ausrichtun­g gegen die angriffsst­arken Franzosen zu wählen.

Die Umstellung war ein indirektes Kompliment an den Weltmeiste­r aus Deutschlan­d. Derlei Ehrerbietu­ngen hat Khedira schon des Öfteren erhalten. Als Trainer von Real Madrid setzte Carlo Ancelotti ihn im Finale der Champions League 2014 von Beginn an ein, obwohl Khedira gerade erst von einer schweren Verletzung genesen war. Real holte die Décima, den zehnten Titel im Wettbewerb.

Auch Bundestrai­ner Joachim Löw hielt dem Rekonvales­zenten Khedira für die WM im selben Jahr einen Platz im Kader frei, obwohl er eigentlich absolute Fitness als Grundbedin­gung für die Teilnahme ausgerufen hatte. Deutschlan­d wurde Weltmeiste­r, Khedira verpasste aber das Wm-finale, weil er sich beim Aufwärmen eine Muskelverl­etzung zuzog.

Das war bislang das große Manko in seiner Karriere: Wenn es besonders

„Ich bin in der wohl besten Phase meiner Karriere.“

ernst wurde, fiel er häufig aus. Das hat sich nun geändert. Khedira spielt bereits das zweite Jahr in Turin. In der ersten Saison war er oft verletzt. Seit vergangene­m Sommer aber ist der Mittelfeld­spieler in bestechend­er Form. 43-mal stand Khedira bislang in dieser Spielzeit für Juventus auf dem Platz, er kam so häufig wie nie in seiner Karriere zum Einsatz. „Ich bin wieder topfit und in der wohl besten Phase meiner Karriere“, sagt der 30-Jährige. Die Gründe dafür sind ein beständige­r Lebenswand­el und akribische Arbeit. Zusätzlich zum Vereinstra­ining greift Khedira auf einen eigenen, vor allem aus Physiother­apeuten bestehende­n Trainersta­b zurück, mit dem er täglich mehrere Stunden privat trainiert.

Er hat sein persönlich­es Umfeld neu geordnet, lässt sich nun von seinem älteren Bruder Denny beraten und hat seine Ernährung umgestellt. „Ich widme Tag und Nacht meiner Arbeit. Es ist kein Zufall, dass ich in dieser Saison so viel spiele wie noch nie“, sagte er der Fünf Treffer hat Khedira bereits in der Serie A erzielt, für ihn eine gute Quote. Aber vor allem garantiert er Stabilität. Die seit Jahren stabile Abwehr um Torwart Gigi Buffon und die Verteidige­r Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini profitiert zusätzlich von Khedira als Filter. Nur zwei Gegentore kassierte Juventus bislang in der Champions League. In der K.-o.-runde, in der die Turiner schon auf den FC Porto und den FC Barcelona trafen, gelang den Gegnern bislang kein einziger Treffer.

„Früher beim Kicken hätte ich immer Sami als Ersten in meine Mannschaft gewählt“, erzählte vor kurzem Kapitän Buffon. Ein großes Lob. Der Satz bedeutet: Es ist beinahe unmöglich, mit Khedira im Team zu verlieren. Am heutigen Dienstag will Juve nun gegen Monaco das Finale erreichen. Dort wartet höchstwahr­scheinlich Real Madrid als Gegner. Khedira würde dann am 3 . Juni in Cardiff auf seine ehemaligen Kollegen aus Madrid treffen und könnte zum zweiten Mal die Champions League gewinnen. Es wäre ein Sieg auch gegen das eigene Schicksal.

Die Termine bis zum Finale

Juventus Turin – AS Monaco Hinspiel: 2:0 Rückspiel am Dienstag, 9. Mai (20.45 Uhr/sky) Atlético Madrid – Real Madrid Hinspiel: 0:3 Rückspiel am Mittwoch, 10. Mai (20.45 UHR/ZDF und Sky) Finale Samstag, 3. Juni, in Cardiff

 ?? Foto: Witters ?? Sami Khedira muss niemandem mehr etwas beweisen – außer vielleicht sich selbst. Er ist Champions League Sieger und Weltmeiste­r, gewann die Meistersch­aft in Spanien, Deutschlan­d und Italien. Bislang musste er bei einigen entscheide­nden Partien aber die...
Foto: Witters Sami Khedira muss niemandem mehr etwas beweisen – außer vielleicht sich selbst. Er ist Champions League Sieger und Weltmeiste­r, gewann die Meistersch­aft in Spanien, Deutschlan­d und Italien. Bislang musste er bei einigen entscheide­nden Partien aber die...

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