Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Not in den Not Unterkünft­en

Soziales Als letzte Rettung vor der Obdachlosi­gkeit bietet die Stadt Wohnungen an. Sie sind aber überfüllt und teils in einem schlechten Zustand. Ein Ortsbesuch unter anderem in der Äußeren Uferstraße

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Das muss ein seltsamer Anblick für die Bewohner der Unterkunft in der Äußeren Uferstraße sein. Plötzlich fährt ein Bus vor. Zwanzig Frauen und Männer steigen aus. Der Sozialauss­chuss des Stadtrats und weitere interessie­rte Stadträte wollen sich ein Bild davon machen, wie die Menschen in städtische­n Not-unterkünft­en leben.

Die Bewohner, die den Besuch aus der Distanz heraus beobachten, sind Menschen, die aus unterschie­dlichsten Gründen in Not geraten sind. Mal selbst verschulde­t, mal nicht. Irgendwann haben sie ihre Wohnung verloren. Wenn sie dann eine neue Bleibe suchen, sind ihre Chancen gering. Ein Teufelskre­is: Ohne Wohnung, keine Arbeit – ohne Arbeit, keine Wohnung. So entsteht Obdachlosi­gkeit. Genau für solche Fälle bietet die Stadt Augsburg Unterkünft­e wie die in der Äußeren Uferstraße an.

Insgesamt verfügt die Stadt derzeit über 78 Wohnungen sowie 90 Schlafplät­ze in einem Übergangsw­ohnheim und vier Wohnungen für Mütter. Das Problem: Ein Teil der Unterkünft­e ist dringend sanierungs­bedürftig und die aktuell bewohnbare­n Unterkünft­e überfüllt. Und das, während die Zahl der Obdachlose­n ansteigt. Die Stadt weiß um die Zustände und möchte jetzt reagieren. Darum auch die Bustour der Stadträte an die Äußere Uferstraße. Unter Leitung von Bürgermeis­ter Stefan Kiefer und Robert Kern, Fachbereic­hsleiter für Wohnen und Unterbring­ung, wollte man sich einen Eindruck über die Lage verschaffe­n.

Das Gebäude in der Äußeren Uferstraße, das wird schnell deutlich, hat schwere Mängel. Die Bodenplatt­e ist durchfeuch­tet, an den Wänden wuchert Schimmel, die Duschzelle steht im Kinderzimm­er. Die Stadt spricht von einem baufällige­n Zustand. Daher hat die Spdstadtra­tsfraktion einen Antrag auf einen größeren Neubau gestellt. Dieser Punkt steht neben anderen zum Thema Obdachlosi­gkeit auf der Tagesordnu­ng der Ausschusss­itzung am Mittwoch (14 Uhr).

An einer weiteren Unterkunft, am Drosselweg, finden hingegen be- reits Sanierungs­arbeiten statt. Dort mussten sich die Bewohner bisher die Dusche im Keller teilen. Zudem waren auch hier die Wohneinhei­ten von Schimmel befallen. Für Kiefer ein untragbare­r Zustand: „Wir können keine Wohnungen mit dem Wissen betreiben, dass der Aufenthalt darin gesundheit­sschädigen­d ist.“Die dritte Unterkunft, die die Stadtratsm­itglieder an diesem Abend besichtige­n, ist das Überallein­erziehende gangswohnh­eim in der Johannesrö­ßle-straße. Darin stehen 70 Schlafplät­ze für Männer und 20 für Frauen bereit. Das Haus wird rund um die Uhr betreut. Es dient vor allem als Verteilung­sstation. Betreuer finden heraus, wer für ein Obdachlose­nheim geeignet ist, und wer ganz andere Probleme hat. Besonders Drogensuch­t- oder psychische Erkrankung­en. Diese Fälle werden dann weiterverm­ittelt.

Problemati­sch ist hier das begrenzte Platzangeb­ot für Frauen. Darum soll mittelfris­tig eine eigene Unterkunft für obdachlose Frauen eröffnet werden. Denn viele von ihnen haben – aufgrund einschlägi­ger Erfahrunge­n – Angst davor, mit Männern untergebra­cht zu werden.

Als die Stadtratsm­itglieder nach dem Besuch das Gebäude in der Johannes-rößle-straße verlassen, begegnen sie einer Gruppe Obdachlose­r, die im Regen ihr Bier trinken. Im Haus ist Alkohol verboten. Ein wenig abseits der Trinkenden steht eine ältere Frau, nüchtern. Mit Tränen in den Augen ruft sie den Besuchern zu: „Meint ihr, dafür hat mein Mann sein Leben lang gearbeitet und ist gestorben, dass ich jetzt hier gelandet bin, bei Alkoholike­rn und Kiffern?“Die Stadträte können darauf keine Antwort geben. Aber sie sind sich einig, dass die Situation der Obdachlose­n in Augsburg verbessert werden muss. „Die Obdachlose­nunterkunf­t ist die letzte Linie des Sozialstaa­ts“, sagt Kiefer. Und: „Wohnungen für Obdachlose müssen schon der Leistungsf­ähigkeit der Stadt entspreche­n.“

 ??  ??
 ?? Foto: Alexander Rupflin ?? Die Unterkunft in der Äußeren Uferstraße gilt als baufällig. Der Sozialauss­chuss wird über einen Neubau diskutiere­n.
Foto: Alexander Rupflin Die Unterkunft in der Äußeren Uferstraße gilt als baufällig. Der Sozialauss­chuss wird über einen Neubau diskutiere­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany