Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Not in den Not Unterkünften
Soziales Als letzte Rettung vor der Obdachlosigkeit bietet die Stadt Wohnungen an. Sie sind aber überfüllt und teils in einem schlechten Zustand. Ein Ortsbesuch unter anderem in der Äußeren Uferstraße
Das muss ein seltsamer Anblick für die Bewohner der Unterkunft in der Äußeren Uferstraße sein. Plötzlich fährt ein Bus vor. Zwanzig Frauen und Männer steigen aus. Der Sozialausschuss des Stadtrats und weitere interessierte Stadträte wollen sich ein Bild davon machen, wie die Menschen in städtischen Not-unterkünften leben.
Die Bewohner, die den Besuch aus der Distanz heraus beobachten, sind Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen in Not geraten sind. Mal selbst verschuldet, mal nicht. Irgendwann haben sie ihre Wohnung verloren. Wenn sie dann eine neue Bleibe suchen, sind ihre Chancen gering. Ein Teufelskreis: Ohne Wohnung, keine Arbeit – ohne Arbeit, keine Wohnung. So entsteht Obdachlosigkeit. Genau für solche Fälle bietet die Stadt Augsburg Unterkünfte wie die in der Äußeren Uferstraße an.
Insgesamt verfügt die Stadt derzeit über 78 Wohnungen sowie 90 Schlafplätze in einem Übergangswohnheim und vier Wohnungen für Mütter. Das Problem: Ein Teil der Unterkünfte ist dringend sanierungsbedürftig und die aktuell bewohnbaren Unterkünfte überfüllt. Und das, während die Zahl der Obdachlosen ansteigt. Die Stadt weiß um die Zustände und möchte jetzt reagieren. Darum auch die Bustour der Stadträte an die Äußere Uferstraße. Unter Leitung von Bürgermeister Stefan Kiefer und Robert Kern, Fachbereichsleiter für Wohnen und Unterbringung, wollte man sich einen Eindruck über die Lage verschaffen.
Das Gebäude in der Äußeren Uferstraße, das wird schnell deutlich, hat schwere Mängel. Die Bodenplatte ist durchfeuchtet, an den Wänden wuchert Schimmel, die Duschzelle steht im Kinderzimmer. Die Stadt spricht von einem baufälligen Zustand. Daher hat die Spdstadtratsfraktion einen Antrag auf einen größeren Neubau gestellt. Dieser Punkt steht neben anderen zum Thema Obdachlosigkeit auf der Tagesordnung der Ausschusssitzung am Mittwoch (14 Uhr).
An einer weiteren Unterkunft, am Drosselweg, finden hingegen be- reits Sanierungsarbeiten statt. Dort mussten sich die Bewohner bisher die Dusche im Keller teilen. Zudem waren auch hier die Wohneinheiten von Schimmel befallen. Für Kiefer ein untragbarer Zustand: „Wir können keine Wohnungen mit dem Wissen betreiben, dass der Aufenthalt darin gesundheitsschädigend ist.“Die dritte Unterkunft, die die Stadtratsmitglieder an diesem Abend besichtigen, ist das Überalleinerziehende gangswohnheim in der Johannesrößle-straße. Darin stehen 70 Schlafplätze für Männer und 20 für Frauen bereit. Das Haus wird rund um die Uhr betreut. Es dient vor allem als Verteilungsstation. Betreuer finden heraus, wer für ein Obdachlosenheim geeignet ist, und wer ganz andere Probleme hat. Besonders Drogensucht- oder psychische Erkrankungen. Diese Fälle werden dann weitervermittelt.
Problematisch ist hier das begrenzte Platzangebot für Frauen. Darum soll mittelfristig eine eigene Unterkunft für obdachlose Frauen eröffnet werden. Denn viele von ihnen haben – aufgrund einschlägiger Erfahrungen – Angst davor, mit Männern untergebracht zu werden.
Als die Stadtratsmitglieder nach dem Besuch das Gebäude in der Johannes-rößle-straße verlassen, begegnen sie einer Gruppe Obdachloser, die im Regen ihr Bier trinken. Im Haus ist Alkohol verboten. Ein wenig abseits der Trinkenden steht eine ältere Frau, nüchtern. Mit Tränen in den Augen ruft sie den Besuchern zu: „Meint ihr, dafür hat mein Mann sein Leben lang gearbeitet und ist gestorben, dass ich jetzt hier gelandet bin, bei Alkoholikern und Kiffern?“Die Stadträte können darauf keine Antwort geben. Aber sie sind sich einig, dass die Situation der Obdachlosen in Augsburg verbessert werden muss. „Die Obdachlosenunterkunft ist die letzte Linie des Sozialstaats“, sagt Kiefer. Und: „Wohnungen für Obdachlose müssen schon der Leistungsfähigkeit der Stadt entsprechen.“