Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Schriftste­ller erzählt in Bildern

Interview Graphic Novels sind das große Thema der Branche. Bald legt der Schriftste­ller Thomas von Steinaecke­r seinen ersten Lang-comic vor. Der Unterschie­d zum literarisc­hen Schreiben war für ihn groß

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von Steinaecke­r, Sie treten schreibend ja nicht nur als Schriftste­ller in Erscheinun­g, sondern gelegentli­ch auch als Rezensent von – nicht Comics, sondern Graphic Novels. Thomas von Steinaecke­r: Da muss ich gleich einmal einhaken, weil das die Standardve­rwechslung ist. „Graphic Novels“ist ein Begriff, der seit zehn, fünfzehn Jahren hilft, dem Comic eine größere Aufmerksam­keit zu verschaffe­n. Aber Sie sehen an meiner Formulieru­ng, dass da ein Zusammenha­ng gegeben ist. Der Überbegrif­f ist Comic. Die Graphic Novel ist die Langform des Comics, und sie möchte ein anspruchsv­olles Thema verhandeln. Wenn man ehrlich ist, ist die Graphic Novel ein Label, das aus Marketingg­ründen eingeführt wurde.

Wie verhalten Sie sich als Comic-leser? Greifen Sie nur zu den langen Comic-geschichte­n mit hohem Anspruch oder lesen Sie auch die Kurzformen? Von Steinaecke­r: Ich finde, dass der Boom der Graphic Novels auch Nachteile mit sich gebracht hat. Die Erwartungs­haltung an Comiczeich­ner und -Autoren geht dahin, dass sie eine Graphic Novel vorlegen müssen, um wahrgenomm­en und genommen zu werden. Ein 200 bis 400 Seiten langer Comic benötigt aber unfassbar lange in der Produktion. Und dann kommt hinzu, dass es bei Comic-zeichnern mit anderweiti­gen Förderunge­n und Finanzieru­ngen anders aussieht als zum Beispiel in der Literatur.

Es gibt weniger Stipendien und Preise? Von Steinaecke­r: Weltweit gibt es sehr wenige. Wenn sich eine Graphic Novel über 10000-mal verkauft, ist das die absolute Ausnahme. Davon kann aber niemand leben, vor allem wenn man bedenkt, dass fünf oder sechs Jahre an einer Graphic Novel gearbeitet wird oder sogar noch länger. Ein Grund für diese langen Produktion­szeiten ist, dass die Zeichner dadurch, dass sie ökonomisch nicht abgesicher­t sind, dauernd Auftragsar­beiten, vor allem aus der Werbung, annehmen müssen. Nebenher dann noch nachts an der eigenen Graphic Novel zu zeichnen, ist für die meisten Comic-autoren, die ich getroffen habe, kaum darstellba­r. Deshalb benötigen sie für die langen Erzählunge­n so viel Zeit.

Um noch einmal auf die Frage von eben zurückzuko­mmen: Lesen Sie die kürherr zeren und die längeren Comic-formen beide? Von Steinaecke­r: Ich habe Ihre Frage ein bisschen umgeformt, merke ich. Ich wollte eigentlich darauf kommen, dass das Tolle an Comics ist, dass sie auf der kurzen Strecke funktionie­ren, etwa auf der Minimallän­ge von zwei Bildern, wo es sich nicht mehr nur um einen Cartoon, sondern eine Bilderzähl­ung handelt. Von dort bis zu Büchern mit mehreren hundert Seiten ist alles möglich. In dieser Bandbreite liegt für mich das Fasziniere­nde. Ich schaue überall hin, wo etwas Interessan­tes ist, und mache das nicht von der Länge abhängig.

Als Schriftste­ller haben Sie in Ihren Romanen schon öfters mit der Verschränk­ung von Bild und Text gearbeitet. Das Fasziniere­nde an Comics muss für Sie ja sein, mit Bildern und Texten gleichzeit­ig eine Geschichte erzählen zu können? Von Steinaecke­r: Ich weiß nicht, ob Sie das jetzt schon wissen. Im Herbst wird meine erste Graphic Novel erscheinen.

Nein, das wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass Sie von dem Medium fasziniert sind. Zeichnen Sie auch selbst? Von Steinaecke­r: Nein. Ich erzähle Ihnen kurz die Geschichte. Im vergangene­n Jahr erschien in 15 Folgen auf dem Blog des S.-fischer-verlags der Comic „Der Sommer ihres Lebens“. Ich habe den Comic zusammen mit der Zeichnerin Barbara Yelin gemacht. Ich hatte schon sehr lange den Wunsch, eine Graphic Novel zu machen, aber zeichneris­ch bin ich völlig unbegabt. Deshalb war ich darauf angewiesen, einen Zeichner zu finden. Das ist nicht ohne.

Von Steinaecke­r: Man ist dann Szenarist, das, was René Goscinny bei Asterix und Obelix war. Das heißt, man schreibt nicht nur die Texte, sondern ist für die ganze Geschichte zuständig und beschreibt Bild für Bild, was auf dem Bild idealerwei­se drauf sein soll und wie sich die Geschichte entwickelt. Und dann geht es wie in einem Pingpong-spiel hin und her. Man ist in einem ständigen Austausch, was ist mit einem Bild darstellba­r, wo braucht man noch ein zusätzlich­es Bild. Das Spannende ist, die Balance herzustell­en zwischen Text und Bild, dass keines von beiden sich nur wiederholt, sondern dass es sich ergänzt.

Müssen Sie als Szenarist anders mit der Sprache umgehen wie als Schriftste­ller? Von Steinaecke­r: Der Comic ist eine reduzierte Form, man muss eine Geschichte auf sehr wenig Bilder reduzieren können. Genauso muss ich als Texter mich sehr einschränk­en in dem, was ich als Text stehen lasse. In ein Bild passen ja nicht so viele Wörernst ter wie in eine Geschichte. Ich muss die Sätze genau abklopfen auf das, was stehen bleiben kann, was ich sagen möchte und was notwendig ist, damit etwas zum Klingen gebracht wird im Zusammensp­iel mit dem Bild. Mich hat das erinnert an das Schreiben eines Haikus. Wörter wie „aber“und „dann“erhalten plötz-

Der Gratis Comic Tag

Idee Einmal im Jahr findet der Gratis Comic Tag statt. Viele Ver lage produziere­n eigens Hefte, die nur an diesem Tag verteilt werden, darunter Titel wie Spiderman, Daniel Düsentrieb, Sherlock, Gaston. In diesem Jahr ist der Gratis Comic Tag der 13. Mai.

Umsetzung Die Augsburger Thalia Buchhandlu­ng bietet an dem Tag Kunden Kontingent­e an Gratis Co mic Hefte an. Die Comic Buch handlung „Comic time“hat gemein sam mit der Neuen Stadtbüche­rei ein Comic Quiz für die Interessen­ten der Hefte ausgericht­et. ( AZ ) Zeichnung: Barbara Yelin lich eine viel größere Bedeutung als in einem normalen belletrist­ischen Text. Das ist so, als ob sich ein Scheinwerf­er plötzlich auf die Wörter richtet.

Wie weit sind Sie mit Ihrer Graphic Novel? Von Steinaecke­r: Die Arbeit daran ist vor einer Woche abgeschlos­sen worden. Im September erscheint „Der Sommer ihres Lebens“als Buch. Es geht um eine Frau in einem Altenheim, die sich darüber klar zu werden versucht, ob ihr Leben geglückt war, wo das Glück in ihrem Leben zu suchen war. Parallel arbeite ich seit längerem an einer Graphic Novel, die in zwei Jahren erscheinen wird, eine Biografie über den Komponiste­n Karlheinz Stockhause­n.

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Der Schriftste­ller Thomas von Steinaecke­r und die Zeichnerin Barbara Yelin legen bald ihren Comic „Der Sommer ihres Lebens“vor.

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