Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schlecht bezahlter Fahrer wird zum Dieb

Justiz Ein Familienva­ter beliefert Baustellen, eines Tages greift er beim Material zu

- VON JÖRG HEINZLE

Es ist eine anonyme E-mail, die im Februar 2014 bei einer Polizeiwac­he in Augsburg eingeht. Der Absender weist auf einen verdächtig­en Anbieter im Internet-auktionspo­rtal Ebay hin. Die Ware, die vom Ebaynutzer versteiger­t werde, sei wohl von Baustellen im Raum Augsburg gestohlen worden, lautet der Tipp. Die E-mail ist der Beginn von Ermittlung­en, die mit einigem Aufwand betrieben werden. Erst Ende 2016 wird der Mann überführt, der hinter den Angeboten steckt.

Der Täter, der Werkzeuge und Baumateria­l im Wert von mindestens 80000 Euro gestohlen hat, ist ein 41-jähriger Familienva­ter aus dem Landkreis Pfaffenhof­en. Er arbeitet als Lastwagenf­ahrer, ist verheirate­t und hat einen zwölfjähri­gen Sohn. Doch mit seinem Lohn, rund 1500 Euro netto im Monat, kommt die Familie nur schwer über die Runden. Gut die Hälfte des Geldes geht alleine für die Miete drauf. Seine Frau verdient sich als Verkäuferi­n etwas dazu, auf 450-Euro-basis. Heute erklärt der Mann seine Taten so: „Wenn Sie daheim einen leeren Heizöltank haben, dann kommen Sie auf dumme Gedanken.“

Als Lastwagenf­ahrer belieferte der 41-Jährige für eine Spedition Baustellen im Raum Augsburg mit Material. Oft war er nachts oder frühmorgen­s unterwegs, die Baustellen waren zu der Zeit menschenle­er. Irgendwann habe er ein Werkzeug mitgenomme­n und im Internet versteiger­t. Mit der Zeit wurden die Diebstähle zur Routine. In der Anklagesch­rift werden 46 Fälle aufgeliste­t. Der Polizeibea­mte, der ermittelt hat, geht von einer hohen Dunkelziff­er weiterer Fälle aus. Der Gewinn, den der Fahrer machte, entsprach nur einem Bruchteil des Wertes. Der Ermittler geht davon aus, dass er Beute im Wert von gut 130 000 Euro machte. Der Verkaufser­lös lag dagegen bei rund 12 000 Euro. Bei einem Teil der Taten sah die Staatsanwa­ltschaft aber keinen ausreichen­den Tatnachwei­s, deshalb steht in der Anklage nur ein Beutewert von gut 80000 Euro.

Im Prozess vor dem Amtsgerich­t sagt der Mann, er sei froh gewesen, als die Polizisten mit einem Durchsuchu­ngsbeschlu­ss vor seiner Tür standen. „Es war gut, dass es zu Ende war“, sagt der Angeklagte, der von Anwältin Alexandra Gutmeyr verteidigt wird. Der Ermittler hatte die im Internet angebotene­n Waren, darunter hochwertig­e Bohrmaschi­nen, Schleifger­äte und Pumpen, mit Diebstahls­anzeigen aus dem Raum Augsburg verglichen. Weil es viele Übereinsti­mmungen gab, erhärtete sich der Verdacht. Der 41-Jährige hatte auch viele Materialie­n für die Sanitär- und Heizungsin­stallation mitgehen lassen. Damit kannte er sich aus, er ist gelernter Installate­ur.

Es ist ein mildes Urteil, das Richterin Martina Triebel verkündet: Zwei Jahre Haft auf Bewährung. Der Mann, der keine Vorstrafen hat und von Beginn an geständig war, muss nicht ins Gefängnis. Das Gericht folgt damit dem Antrag der Verteidige­rin. Die Staatsanwä­ltin wollte ihn hinter Gittern sehen. Sie hatte auf drei Jahre Haft plädiert.

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