Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Pfleger wollen wieder pflegen
Demonstration Für die umfassende Betreuung der Patienten fehlt in Krankenhäusern oft die Zeit. Das Personal ging darum auf die Straße
Gegen den Personalmangel in Krankenhäusern demonstrierten am gestrigen „Internationalen Tag der Pflege“Pflegekräfte aus ganz Schwaben in Augsburg. Laut einer Schätzung der Gewerkschaft Verdi fehlen in Schwaben gut 3000 Stellen. Für die Pfleger ist dies eine bedrückende Situation, sagt Mareen Friedrich, die seit 1986 im Klinikum Augsburg tätig ist. „Man möchte den Patienten vernünftig helfen, aber man hat nicht die Zeit dafür.“Schließlich müsse man den Menschen ja auch zuhören oder ihnen etwas erklären. Aber das, so der allgemeine Tenor der Demonstranten, sei unmöglich geworden. Daher fordern sie eine gesetzliche Personalbemessung in allen Bereichen, in denen Pflege stattfindet.
In der ersten Reihe des Zugs vom Plärrer zum Königsplatz läuft Valentina Müller. Sie studiert den dualen Studiengang Pflege in München. Für sie ist es wichtig, dass die Menschen auch weiterhin „an die Pflegeberufe glauben“. Und für sich selbst wünscht sie sich, sich mal wieder wie eine Auszubildende zu fühlen. „Wir bekommen so viel Verantwortung aufgedrückt und haben nicht das Gefühl, den Beruf langsam erlernen zu dürfen.“
Ein paar Reihen dahinter marschiert Wolfgang Angerer – mit Fahne in der Hand. Er ist seit 19 Jahren Stationsleiter der kardiologischen Station des Klinikums Augsburg. In dieser Zeit habe sich eine Menge verändert – zum Negativen. Während er früher mit 19,5 Planstellen rechnen konnte, seien es heute nur noch 16,25. Und das, obwohl durch das gestiegene Durchschnittsalter der Bevölkerung die Krankenhäuser jährlich stärker belastet werden. Aufgrund dessen seien die Patienten häufig nicht so zu pflegen, „wie man es ethisch für angebracht hält“. Aufgrund der gestiegenen Belastungen würden zudem gerade jüngere Pfleger nach einigen Jahren wieder aufhören, in Kliniken zu arbeiten. Zu anstrengend und vor allem zu frustrierend sei der Job auf Dauer. Das liege auch daran, dass er als Stationsleiter keine Möglichkeiten mehr sehe, seine Mitarbeiter auf Dauer zu motivieren. „Trotzdem“, betont Angerer, „ich persönlich stehe für diesen Beruf immer noch gerne in der Früh auf.“
Am Königsplatz angekommen, ein wenig abseits der Bühne, auf der gerade die Kundgebung stattfindet, steht Karl-heinz Hembacher. Auch er ist Stationsleiter am Klinikum Augsburg; zuständig für die chirurgische Station. Wie alle hier hält er die Demonstration an diesem Tag für dringend notwendig. Es vergehe seit Jahren kein Tag, an dem er den Personalmangel nicht bemerken würde. „Allein normale Krankheitsausfälle sind nicht mehr zu handeln.“Für ihn liegt der Personalmangel darin begründet, dass Krankenhäuser zu wirtschaftlich orientiert sind. Auch die Angehörigen bemerkten längst, unter welchen Zuständen die Stationen geführt werden müssten und seien dementsprechend skeptisch. Hembacher hofft, dass es in Zukunft mehr solcher Veranstaltungen gibt. Denn: „Es ist ein so schöner Job. Aber wir haben inzwischen wirklich ein Problem.“